Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit auch nach Kündigung des Bauvertrages

13.12.2023
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1. Der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gem. § 650f Abs. 1 BGB besteht auch nach Kündigung des Vertrags durch den Unternehmer gem. § 650f Abs. 5 BGB fort. Auch nach einer Kündigung kann der Unternehmer daher wegen seines offenen Vergütungsanspruchs - wie er sich infolge der Kündigung berechnet - neben oder vor der Klage auf Zahlung der Vergütung eine Klage auf Sicherheit anhängig machen.

2. Ein Teilurteil über eine (Wider)-klage, mit der ein Anspruch auf Sicherheitsleistung gem. § 650f BGB geltend gemacht wird, ist nicht deshalb unzulässig, weil die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen in Bezug auf den Gegenstand der Klage besteht. Zur Erreichung des Gesetzeszwecks ist wegen der Eilbedürftigkeit des Sicherungsanspruchs ein Ausnahmefall anzunehmen, der es rechtfertigt, einen etwaigen Widerspruch zwischen Teilurteil und Endurteil hinzunehmen.

OLG München, Beschluss vom 3. August 2023 – 28 U 1119/23 Bau e 

Problemstellung

Das Oberlandesgericht hatte zu entscheiden, ob der Anspruch des Unternehmers auf Stellung einer Sicherheit gem. § 650f Abs. 1 BGB auch nach Kündigung des Vertrags gem. § 650f Abs. 5 BGB durch den Unternehmer weiter besteht.

Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten über die Gewährung einer Sicherheit nach § 650f BGB. Das Landgericht hat im Wege des Teilurteils die Beklagte verurteilt, der Klägerin für Vergütungsansprüche Sicherheit zu leisten, für Ansprüche aus einem Architektenvertrag für das Bauvorhaben A. eine Sicherheit in Höhe von 95.000 € und für Vergütungsansprüche aus dem Architektenvertrag B. eine weitere Sicherheit in Höhe von 80.000 €. Beide Architektenverträge wurden am 21.12.2018 geschlossen, mit Schreiben vom 30.3.2022 hatte die Klägerin für offene Zahlungsansprüche Sicherheit nach § 650f BGB verlangt und Frist für die Erbringung der Sicherheit bis zum 12.4.2022 gesetzt. Das Sicherheitsverlangen wurde durch die Beklagten zurückgewiesen am 14.4.2022, am 19.4.2022 kündigte die Klägerin wegen verweigerter Stellung einer Sicherheit beide Architektenverträge und wies darauf hin, dass weiterhin die Sicherheit trotz Kündigung verlangt werde.    

Die Berufung der Beklagten rügt zunächst die Entscheidung durch Teilurteil. Es bestehe die Gefahr widersprechender Entscheidungen. Ferner habe das Landgericht nicht dem Umstand ausreichend Rechnung getragen, dass es sich hier um eine Kündigung der Klägerin gehandelt habe, da deswegen das Sicherheitsbedürfnis entfalle. Ein Anspruch auf Sicherheitsleistung bestehe nicht, wenn es sich um eine Kündigung durch den Unternehmer handele. Die Klägerin habe im Übrigen ihren Sicherheitsanspruch fehlerhaft berechnet, die Vergütung sei jedenfalls nicht schlüssig dargelegt. Mit der Widerklage macht die Beklagte Mangelansprüche gegen die Klägerin geltend.  

Der Senat hat Beklagte darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (OLG München, Beschluss vom 19. Juni 2023 – 28 U 1119/23 Bau e). Ein Teilurteil über die Klage kann ergehen, wenn diese zur Endentscheidung reif und von der Entscheidung über die Widerklage unabhängig ist. Eine Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht bei der Entscheidung über die Sicherheit im Verhältnis zu geltend gemachten Mängelansprüchen nicht. Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift des § 650f BGB dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller Sicherheit für den Fall zu erhalten, dass dieser ihn nicht bezahlt (BGH, Urteil vom 20. Mai 2021 – VII ZR 14/20 –, Rn. 23). Ein Teilurteil über eine (Wider)-klage, mit der ein Anspruch auf Sicherheitsleistung gem. § 648 a BGB aF geltend gemacht wird, ist nicht deshalb unzulässig, weil die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen in Bezug auf den Gegenstand der Klage besteht. Zur Erreichung des Gesetzeszwecks ist wegen der Eilbedürftigkeit des Sicherungsanspruchs ein Ausnahmefall anzunehmen, der es rechtfertigt, einen etwaigen Widerspruch zwischen Teilurteil und Endurteil hinzunehmen. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Mit der Klage hat die Klägerin einen Anspruch auf Sicherheit geltend gemacht. Gegen diesen Anspruch bringt die Beklagte im Wege der Widerklage Mängelansprüche vor, deren Volumen das Sicherungsbegehren erheblich übersteigt, vor. Das Risiko widersprechender Entscheidung besteht bereits deswegen nicht, weil der Gegenstand der Klage lediglich die Sicherheit für vertraglich vereinbarte Vergütungsansprüche ist, nicht aber die Entscheidung über den tatsächlichen Vergütungsanspruch und damit dessen Erfüllung darstellt. Eine abschließende Entscheidung über die Höhe des Vergütungsanspruchs wird nicht getroffen. Vielmehr wird mit dem Teilurteil eine vorläufige Absicherung der Klägerin in Bezug auf ihren Vergütungsanspruch bewirkt. Zudem ist der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen, dass die zügige Absicherung des Unternehmers entscheidendes Ziel des § 650f BGB ist. Das berechtigte Anliegen der Beklagten, die behauptete Mangelhaftigkeit der Werkleistung bei der abschließenden Ermittlung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt zu wissen, hat im Verhältnis zum Sicherungsanspruch zurückzutreten und muss im Zweifel gesondert entschieden werden.  

Der Berechtigung des Sicherungsverlangens der Klägerin steht nicht entgegen, dass die Klägerin die in Frage stehenden Architektenverträge nach Fristablauf in Bezug auf die begehrte Sicherheitsleistung gekündigt hat. Folge der Nichterfüllung eines berechtigten Sicherungsverlangens ist gem. § 650f Abs. 5 S. 1 BGB ein Kündigungsrecht in Bezug auf den geschlossenen Werkvertrag. Dabei handelt es sich um einen Sonderfall einer Kündigung aus wichtigem Grund, die Kündigung beendet den Vertrag mit ex-nunc Wirkung. Folge ist auch ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 650f Abs. 5 S. 2 BGB für den gekündigten Teil des Vertrages. Die Klägerin durfte Sicherheit gemäß § 650 f BGB verlangen. Zwischen den Parteien wurden zwei Architektenverträge abgeschlossen. Die Klägerin ist sicherungsberechtigt, die Beklagte zur Sicherung verpflichtet gemäß §§ 650 f, 650q Abs. 1 BGB. Gesichert sind Vergütungsansprüche und Ansprüche, die anstelle von Vergütungsansprüche treten. Anhaltspunkte für ein treuwidriges Sicherungsverlangen ergeben sich nach Auffassung des Senats nicht. Durch die Kündigung des Vertrages nach § 650f Abs. 5 S. 2 BGB erlischt der Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht. Die Kündigung des Vertrags beschränkt den Umfang der vom Auftragnehmer geschuldeten Werkleistung auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil und seinen Vergütungsanspruch auf diesen Leistungsteil der ursprünglich geschuldeten Leistung. Die Kündigung teilt den Vertrag in zwei Vertragsteile auf, für die bereits erbrachten Leistungen besteht weiterhin ein Vergütungsanspruch nach §§ 650q, 631 BGB, für die Ansprüche nach Kündigung in Bezug auf nicht erbrachte Leistungen orientiert sich der Vergütungsanspruch an §§ 650q, 650f Abs. 5 S. 2 BGB. Eine Vorleistungspflicht des Auftragnehmers ist nicht Voraussetzung für einen Anspruch auf Sicherheit nach § 650f BGB. Bis zur Gesetzesänderung vom 1.1.2009 konnte das Sicherungsinteresse entfallen, wenn feststand, dass die abzusichernde Leistung nicht mehr erbracht werden würde. Seit der Rechtsänderung vom 1.1.2009 ist dies nicht Voraussetzung, so dass auch im Fall der Kündigung des Vertrages das Sicherungsbedürfnis der Klägerin nicht entfällt. Auch nach einer Kündigung des Bauvertrags kann der Unternehmer Sicherheit nach § 650f BGB verlangen. Die Berechtigung, weiterhin Sicherheit zu verlangen, auch wenn der Vertrag gekündigt ist, ergibt sich aus § 650f Abs. 1 BGB, wie das Landgericht zutreffend feststellt. Ein Anspruch auf Leistung einer Sicherheit ist im Vertrag als verhaltener Anspruch angelegt und wird mit dem Verlangen der Sicherheit fällig. Seine Geltendmachung steht - wie der Wortlaut der Vorschrift zeigt - im Belieben des Unternehmers. Dieser kann eine Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte noch nicht gezahlte Vergütung oder an deren Stelle tretende Ansprüche bis zum Wegfall seines Sicherungsbedürfnisses grundsätzlich jederzeit und unabhängig von einer etwaig erfolgten Abnahme seiner Leistungen oder bestehenden (Nach-)Erfüllungsansprüchen des Bestellers verlangen. Der Anspruch erlischt auch nicht durch die Kündigung des Unternehmers, da dies nicht eine Wirkung der Kündigung ist. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 650f Abs. 5 BGB lässt sich eine solche Folge nicht entnehmen. Hier werden, wie auch im § 648 BGB die Auswirkungen der Kündigung auf den Vergütungsanspruch beschrieben. Auch würde dies dem Gesetzeszweck vollständig zuwiderlaufen. Das Recht und die Möglichkeit auf eine unterbliebene Sicherheitsleistung durch den Besteller zu reagieren, würde ausgehöhlt, wenn als Konsequenz der Unternehmerkündigung, die der Gesetzgeber ausdrücklich als Reaktionsmöglichkeit neben dem Leistungsverweigerungsrecht vorsieht, der Sicherungsanspruch entfiele. Ein Unternehmer würde auf diese Weise von der Ausübung des Kündigungsrechts abgehalten.

Der Anspruch der Kläger ist schlüssig vorgetragen. Das Gesetz gewährt dem Unternehmer einen Anspruch in Höhe der vereinbarten und noch nicht gezahlten Vergütung. Begehrt der Unternehmer eine Sicherheit für die vereinbarte Vergütung, muss er diese schlüssig darlegen. Das gilt auch für die ihm nach einer Kündigung zustehende Vergütung. Auch diese ergibt sich aus der dem Vertrag zu Grunde liegenden Vereinbarung und ist deshalb die vereinbarte Vergütung iSd § 648 a Abs. 1 BGB. Diesen Anforderungen wird die Klage der Kläger nach Maßgabe der Einschränkungen, die durch das Landgericht zutreffend vorgenommen wurden, gerecht. Nachvollziehbar hat das Landgericht die Stundenhonorarforderungen herausgenommen. Im übrigen kann die Höhe der Vergütungsforderung der vorgelegten Schlussrechnung plausibel entnommen werden. Die vom Unternehmer im Hinblick auf eine Sicherheitenklage u. U. beschleunigt zu erstellende Schlussrechnung ist eine taugliche Grundlage für die Feststellung der abzusichernden Forderung, sofern darin der Unternehmer den von ihm beanspruchten Vergütungsanspruch als Grundlage seines Sicherungsverlangens schlüssig abrechnet. Mit Einwendungen gegen die Höhe des Sicherungsanspruchs wird die Beklagte nicht gehört. Ohne Einfluss auf die Höhe der Sicherheit ist der Umstand, dass - wie durch die Beklagte zum Ausdruck gebracht - der Unternehmer ggf. die Leistung nicht vertragsgemäß oder mangelhaft erbracht hat, § 650f Abs. 1 S. 3 BGB.  

Mit Beschluss vom 3.08.2023 hat der Senat die Berufung zurückgewiesen (OLG München, Beschluss vom 3. August 2023 – 28 U 1119/23 Bau e). Die Ausführungen der Beklagten in der Gegenerklärung sind nicht geeignet, die im Ersturteil und im Hinweisbeschluss ausgeführten Argumente zu entkräften bzw. der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Mit der Gegenerklärung wendet sich die Beklagte vertieft gegen die bereits im Hinweisbeschluss vom 19.06.2023 enthaltene Auffassung des Senats, dass die Klägerin weiterhin einen Anspruch auf Sicherheit nach § 650f Abs. 1 BGB hat, obwohl der Vertrag gen. § 650f Abs. 5 S. 1 BGB wegen Nichtleistung der Sicherheit gekündigt wurde. Der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gem. § 650f Abs. 1 BGB geht auch nach Kündigung des Vertrages nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB nicht unter. Ziel des § 650f BGB, wie auch der Vorgängervorschrift des § 648a BGB, ist die frühzeitige Sicherung des Unternehmers in Hinblick auf Vergütungsansprüche auch im Fall einer Insolvenz des Bestellers. Der Gesetzgeber wollte dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall erlangen zu können, dass der Besteller ihn nicht bezahlt (vgl. Begründung zu § 648a a.F., BT Drs. 16, 511, 1). § 650f BGB verfolgt nunmehr den Zweck, die Sicherung effektiver auszugestalten und die Unternehmerrechte zu stärken. Er räumt dem Unternehmer einen Anspruch auf die Sicherheit ein, der folglich auch einklagbar ist. Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, wenn der Anspruch auf Sicherheitsleistung nach Ausübung des Kündigungsrechts nach § 650f Abs. 5 BGB erlöschen würde. Denn dann hätte der Besteller es in der Hand, den bestehenden Sicherungsanspruch durch Verweigerung der Sicherheitsleistung bis zur Kündigung durch den Unternehmer zu verhindern und den Zweck des Sicherungsverlangens und den tatsächlich bestehenden Anspruch auf Sicherheit auszuhöhlen. Der Besteller könnte auf diese Weise die Verpflichtung zur Leistung einer Sicherheit abschließend umgehen.  

Der Klägerin steht auch weiterhin ein sicherbarer Vergütungsanspruch zu, §§ 631, 650f Abs. 5 S. 2 BGB. Der Anspruch auf Sicherheit entsteht mit dem Verlangen des Unternehmers auf Sicherheit. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung ist nicht von einem Vorleistungsrisiko des Unternehmers abhängig. Die Bauhandwerkersicherheit sichert nicht eine Vorleistung des Unternehmers ab, sondern dessen Vergütungsanspruch. Ein Erlöschen des Anspruchs auf Sicherheitsleistung mit Kündigung des Vertrages ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Der Anspruch besteht bis zur vollständigen Befriedigung der von § 650f BGB erfassten Ansprüche. Auch die Kündigung nach § 650f Abs. 5 BGB führt nicht zum Erlöschen des Anspruchs. Die Kündigung nach § 650f Abs. 5 BGB ist ein Sonderfall der Kündigung aus wichtigem Grund. Die Kündigung nach § 650f Abs. 5 BGB führt zur großen Kündigungsvergütung, wie sie auch in § 648 BGB vorgesehen ist. Unabhängig vom Kündigungsgrund hat der Unternehmer nach einer Kündigung stets Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen gem. § 631 BGB. Der Anspruch aus § 648 S. 2 BGB oder § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B ist ein Vergütungsanspruch, der sich aus dem Vertrag ergibt, § 631 Abs. 1 BGB, und der um die ersparten Aufwendungen (bzw. Kosten nach VOB/B) und um den anderweitigen oder böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb gekürzt wird. Es handelt sich daher hier bei dem - dem Sicherungsverlangen zugrunde gelegten - Anspruch aus § 650f Abs. 5 S. 2 BGB um den bisherigen Vergütungsanspruch des Unternehmers und nicht einen Anspruch eigener Art. § 650f Abs. 5 S.1 BGB ist in Bezug auf die Kündigung als Rechtsfolgenverweisung anzusehen und entspricht der Regelung des § 648 BGB.  

Der Vergütungsanspruch aus § 650f Abs. 5 BGB ist nicht als Schadensersatzanspruch, sondern ausdrücklich als Vergütungsanspruch, entsprechend § 648 BGB, ausgestaltet. Während das bis zum 01.01.2009 geltende Recht dem Unternehmer nach der Vertragsaufhebung nur einen Vertrauensschadensersatzanspruch gewährte, entspricht die Regelung in § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB der seit jeher maßgeblichen Abrechnungsvorgabe des § 648 Satz 2 BGB. Zugleich präzisierte der Gesetzgeber des Forderungssicherungsgesetzes die Vermutung sprachlich (§ 650f Abs. 5 Satz 3 BGB) und inkorporierte sie auch in § 648 Satz 3 BGB. Der Unternehmer behält also nach § 650f Abs.5 BGB seinen Vergütungsanspruch und ist entsprechend dem Wortlaut des § 648 BGB verpflichtet, sich ersparte Aufwendungen anrechnen zu lassen. Der Vergütungsanspruch bestand daher weiter. Der Anspruch ist unter Berücksichtigung des § 650f Abs. 5 S. 2 BGB um die ersparten Aufwendungen zu kürzen. Auch nach einer Kündigung kann der Unternehmer daher wegen seines offenen Vergütungsanspruchs - wie er sich infolge der Kündigung berechnet - neben oder vor der Klage auf Zahlung der Vergütung eine Klage auf Sicherheit anhängig machen.

Kontext der Entscheidung

Die Frage, ob der Unternehmer auch nach eigener Kündigung des Vertrages weiterhin die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit verlangen kann, ist jetzt auch vom BGH in der gebotenen Kürze bejaht worden: „Die Kündigungserklärung der Klägerin (= Unternehmer) gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB hat keinen Einfluss auf den Anspruch auf Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB dem Grunde nach, der (weiterhin) der Sicherung des Anspruchs auf die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung dient.“ (BGH, Urteil vom 17. August 2023 – VII ZR 228/22 –, Rn. 29). Dass die Kündigung des Vertrages durch den Besteller keinen Einfluss auf das Sicherheitsverlangen des Unternehmers hat, hat der BGH bereits zu § 648a BGB entschieden. Der Anspruch besteht auch nach einer Kündigung. Das Gesetz enthält insoweit keine Beschränkungen. Diese sind auch nicht deshalb veranlasst, weil nach einer Kündigung regelmäßig keine Vorleistungen des Unternehmers mehr ausstehen. Denn es kommt nicht mehr darauf an, ob der Unternehmer noch Vorleistungen erbringen muss. Das ergibt sich zwar nicht deutlich aus der Begründung des Gesetzes, erschließt sich aber aus dem gesamten, geänderten Regelungsmechanismus und dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Schon der Wortlaut des Gesetzes enthält im Gegensatz zur Vorfassung keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vorleistung gesichert werden soll. Vielmehr soll dem Unternehmer eine Sicherheit für seine Vergütung gewährt werden. Das Gesetz bezweckt danach ersichtlich eine Abkehr von dem zweifelhaften Ansatz des § 648a BGB a.F., wonach Voraussetzung eines Sicherungsanspruchs ist, dass noch Vorleistungen ausstehen. Die Altfassung führt dazu, dass nach Beendigung eines Vertrages noch eine volle Sicherheit verlangt werden kann, wenn geringe Mängel abzuarbeiten sind, ein Sicherungsbegehren jedoch erfolglos bleibt, wenn der Unternehmer mangelfrei gearbeitet hat. Für dieses Ergebnis gibt es keine innere Rechtfertigung, weil ein Sicherungsbedürfnis in beiden Fällen vorliegt. Nunmehr stellt das Gesetz in der Neufassung konsequent auf das Sicherungsinteresse des Unternehmers ab, das solange besteht, wie sein Vergütungsanspruch nicht befriedigt worden ist. Nach der Neuregelung des § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB reicht es daher für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit aus, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht (BGH, Urteil vom 6. März 2014 – VII ZR 349/12 –, Rn. 14).

Auswirkungen für die Praxis

Im Fall einer Kündigung eines Bauvertrags gemäß § 650f Abs. 5 BGB reicht grundsätzlich der schlüssige Vortrag des Unternehmers zur Höhe der Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB aus, um hiernach die Höhe einer geforderten Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB zu bemessen. Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht. Nach dieser Norm darf das Gericht Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anstellen und unter Umständen zu Schätzungen greifen (Greger in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 287 Rn. 6 mwN.). Tatbestandliche Voraussetzung des § 287 Abs. 2 ZPO ist, dass entscheidungserhebliche Tatsachen zwischen den Parteien streitig sind. Für den Fall einer Kündigung des Vertrags reicht jedoch aus, dass der hieran angepasste Vortrag des Unternehmers zur Höhe der Vergütung schlüssig ist, um hiernach die Höhe der geforderten Sicherung zu bemessen (BGH, Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 20, 26 ff.). Einen - streitigen - Abzug von der schlüssig dargelegten Vergütungsforderung ausnahmsweise nach Maßgabe von § 286 ZPO festzustellen, ohne dass damit der Rechtsstreit verzögert wird, bleibt möglich, für die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ist dagegen kein Raum (BGH, Urteil vom 17. August 2023 – VII ZR 228/22 –, Rn. 32).

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