BGH: Kein Grundurteil bei unbeziffertem Feststellungsantrag

13.12.2023
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Der Erlass eines Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO erfordert, dass grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht. Eine entsprechende Trennung in ein Grund- und Betragsverfahren setzt einen Anspruch voraus, der auf die Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer, der Höhe nach summenmäßig bestimmter Sachen gerichtet ist. Deswegen scheidet ein Grundurteil über einen unbezifferten Feststellungsantrag wesensgemäß aus.

BGH, Urteil vom 20. September 2023 – VIII ZR 432/21

Problemstellung

Der VIII. Zivilsenat hatte sich mit den Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils nach § 304 ZPO zu befassen. Anders als das nur prozessuale Fragen klärende Zwischenurteil gemäß § 303 ZPO ist die Vorabentscheidung über den Grund (Grundurteil) ein materielles Zwischenurteil besonderer Art über den geltend gemachten Anspruch (Feskorn in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 304 Rn. 1 mwN.).

Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger als (ehemaliger) Mieter und die Klägerin als Rentenversicherungsträgerin nehmen die beklagte Vermieterin auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger erlitt am 23. Dezember 2011 während des Badens einen Atemstillstand. Eine durchgeführte Blutuntersuchung ergab eine Kohlenmonoxid-Vergiftung. Der Kläger behauptet, diese sei durch aus der Gastherme im (fensterlosen) Bad ausströmendes Kohlenmonoxid verursacht worden. Die letzte Wartung der Gastherme am 7. Juni 2011 sei unzureichend gewesen. Der Kläger ist seit der erlittenen Kohlenmonoxid-Vergiftung arbeitsunfähig und bezieht seit dem 1. Mai 2013 eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente. Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von (bereits entstandenem) Verdienstausfall in Höhe von 135.794,56 €, einer monatlichen Entschädigungsrente ab dem 1. März 2016 in Höhe von 3.375,53 € bis zum 18. Oktober 2030 sowie eines angemessenen Schmerzensgeldes - nicht unter 150.000 € -, jeweils nebst Zinsen, zu verurteilen. Zudem hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm die Schäden aus dem Gasthermenunfall vom 23. Dezember 2011 zu ersetzen. Die Klägerin hat aus übergegangenem Recht beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 99.562,39 € (erbrachte Leistungen und entgangene Beiträge) nebst Zinsen zu verurteilen. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr ab dem 1. März 2016 den Schaden aus dem Gasthermenunfall in Höhe des entgangenen Beitrags des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung auf der Basis des monatlichen Bruttoentgelts (5.673,91 €) bis zum 18. Oktober 2030 zu zahlen, weiter festzustellen, dass die Beklagte die künftigen Erwerbsunfähigkeitsleistungen der Klägerin an den Kläger sowie hinsichtlich der Behandlung des Klägers die künftigen Heilbehandlungskosten inklusive Rehabilitationsmaßnahmen wegen des Unfalls vom 23. Dezember 2011 zu erstatten habe. Das Landgericht hat, nach Verwertung von Sachverständigengutachten, welche in einem vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren und in einem Strafverfahren eingeholt worden waren, sowie deren mündlicher Erläuterung ein Grundurteil erlassen, wonach die Klage dem Grunde nach berechtigt ist. Die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das vom Landgericht erlassene und vom Berufungsgericht bestätigte Grundurteil ist verfahrensfehlerhaft ergangen. Die Voraussetzungen, nach denen gemäß § 304 Abs. 1 ZPO im Wege eines Grundurteils entschieden werden kann, liegen nicht vor. Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Dies erfordert, dass grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht. Eine entsprechende Trennung in ein Grund- und Betragsverfahren setzt einen Anspruch voraus, der auf die Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer, der Höhe nach summenmäßig bestimmter Sachen gerichtet ist. Deswegen scheidet ein Grundurteil über einen unbezifferten Feststellungsantrag wesensgemäß aus. Hiernach durfte über die Feststellungsanträge der Kläger nicht im Wege eines Grundurteils entschieden werden. Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet und das erstinstanzliche Grundurteil, welches auch die jeweiligen Feststellungsanträge beider Kläger umfasst, verfahrensfehlerhaft unbeanstandet gelassen.

Bei den vorinstanzlichen Entscheidungen handelt es sich nicht um Teilurteile; sie erstrecken sich vielmehr auf sämtliche Klageanträge. Das Landgericht hat im Tenor die (gesamte) Klage als "dem Grunde nach berechtigt" angesehen. Diesen umfassenden, mithin (verfahrensfehlerhaft) auch die Feststellungsanträge einbeziehenden Ausspruch, hat das Berufungsgericht nicht beanstandet, sondern die Berufung der Beklagten (insgesamt) zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen des Zurückweisungsbeschlusses des Berufungsgerichts werden "die Klage", mithin auch die Feststellungsbegehren, umfassend dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht unterscheidet nicht zwischen den Zahlungs- und den Feststellungsanträgen. Selbst wenn man - entgegen dem Vorstehenden - annähme, das Berufungsgericht habe lediglich über die Zahlungsanträge der Kläger entscheiden wollen, würde dies an der Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts nichts ändern. Denn es läge dann in der Sache ein unzulässiges Teilurteil (§ 301 Abs. 1 ZPO) vor, weil in der vorliegenden Fallgestaltung der objektiven Klagehäufung von Leistungs- und Feststellungsbegehren, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, aufgrund der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht durch Teilurteil gesondert über einen Teil der Ansprüche entschieden werden darf.      

Entgegen der Ansicht der Klägerin liegen hinsichtlich ihres Klageantrags festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Schaden aus dem Gasthermenunfall in Höhe des entgangenen Beitrags des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung zum jeweils gültigen Beitragssatz bis zum regulären Renteneintritt des Klägers zu zahlen, die Voraussetzungen, nach denen ausnahmsweise auch über einen Feststellungsantrag (zunächst) durch ein Grundurteil entschieden werden kann, nicht vor. Ein Grundurteil über eine Feststellungsklage kann ausnahmsweise dann ergehen, wenn damit ein bestimmter Betrag in der Weise geltend gemacht wird, dass die Klage auch zu einem Ausspruch über die Höhe des Anspruchs führen soll. In einem solchen Ausnahmefall ist die Feststellungsklage in einer Weise beziffert, dass ein Grundurteil seinen Zweck erfüllen kann. Dieser Zweck besteht darin, das Verfahren zu vereinfachen und zu verbilligen, indem eine Vorklärung des Anspruchs und deren Überprüfung im Instanzenzug ermöglicht und damit gegebenenfalls eine aufwendige Beweisaufnahme erspart wird. Dieser Funktion entsprechend ist Voraussetzung des Erlasses eines Grundurteils - wie ausgeführt - ein nach Grund und Höhe streitiger Anspruch, mithin eine mögliche Trennung in ein Grund- und in ein Betragsverfahren. Eine solche Trennung ist bezüglich des vorgenannten Feststellungsantrags der Klägerin nicht möglich. Zwar verweist sie zutreffend darauf, dass der von ihr begehrte Betrag in Höhe des ausgebliebenen Beitrags des (erwerbsunfähigen) Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung "berechenbar" ist. Jedoch soll die Klage nicht auch zu einem Ausspruch über die Höhe dieses Anspruchs führen, da der Umfang der Pflicht der Beklagten, der Klägerin die - aufgrund der behaupteten Erwerbsunfähigkeit des Klägers - entgangenen Beitragsleistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen, wie im Antrag formuliert, von dem künftigen, jeweils gültigen Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung abhängt. Ein Betragsverfahren im Sinne des § 304 ZPO ist somit weder möglich noch von der Klägerin begehrt.    

Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann schließlich nicht als Entscheidung über den Grund der bezifferten Zahlungsanträge beider Kläger (§ 304 Abs. 1 ZPO) und als stattgebendes Teilendurteil (§ 301 Abs. 1 ZPO) über die unbezifferten Feststellungsanträge angesehen werden. In Fällen der vorliegenden Art ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Berufungsgericht über Feststellungsanträge nicht lediglich - was nach Vorstehendem unzulässig ist - durch ein Grundurteil, sondern - was grundsätzlich zulässig wäre im Wege eines Endurteils entschieden hat, mit der Folge, dass ein Teil-Grundurteil und ein Teil-Endurteil vorliegen würde. Eine Auslegung in diesem Sinne setzt aber voraus, dass die Entscheidungsgründe oder der Gesamtinhalt des Urteils Anhaltspunkte für einen solchen Willen des Berufungsgerichts ergeben. Daran fehlt es hier. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das Berufungsgericht auch hinsichtlich der jeweiligen Feststellungsanträge beider Kläger lediglich das erstinstanzliche Zwischenurteil zum Grund bestätigen wollen und (auch) insoweit keine abschließende Endentscheidung getroffen. Sämtliche Feststellungsanträge umfassen künftige Schäden. Ein auf den Ersatz künftiger Schäden gerichteter Feststellungsantrag kann nur dann Erfolg haben, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann. Zu solchen möglichen künftigen Schäden beider Kläger hat das Berufungsgericht keinerlei Ausführungen gemacht. Im Gegenteil ist es auf das Vorliegen weiterer, nach der Behauptung des Klägers auf das Unfallereignis zurückzuführender Gesundheitsschäden, insbesondere die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit, nicht näher eingegangen. Es hat die erlittene Kohlenmonoxid-Vergiftung als Primärschaden ausreichen lassen und will die - auch für die Feststellungsanträge maßgebende - Frage, ob die vom Kläger behaupteten (weiteren) Gesundheitsschäden auf die Kohlenmonoxid-Vergiftung zurückzuführen sind (haftungsausfüllende Kausalität), erst im Betragsverfahren klären.      

Das Grundurteil ist zudem auch hinsichtlich der seitens beider Kläger gestellten Zahlungsanträge - mit Ausnahme des Antrags des Klägers auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds - verfahrensfehlerhaft. Ein Grundurteil darf - wie ausgeführt - nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht. Diese Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht. Das Berufungsgericht hat die vorgenannten Anforderungen zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erkannt. Es hat jedoch zur Begründung seiner Entscheidung lediglich allgemein auf Erwägungen zur Prozessökonomie abgestellt, aber die gebotenen Feststellungen dazu, dass den Klägern die von ihnen mit ihren Zahlungsanträgen jeweils geltend gemachten Schäden mit hoher Wahrscheinlichkeit entstanden sind, nicht getroffen. Der Kläger begehrt mit den Zahlungsanträgen die Erstattung seines - bereits erlittenen und künftigen - Verdienstausfalls. Feststellungen dazu, dass er einen solchen Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe erlitten hat, fehlen. Das Berufungsgericht hat insoweit bereits den Inhalt des Klagebegehrens nicht in den Blick genommen. Mit seinen ersten beiden Klageanträgen macht der Kläger seinen Verdienstausfall geltend, den er aufgrund von ihm behaupteter dauerhafter Erwerbsunfähigkeit infolge des Gasthermenunfalls erlitten habe; er sei "durch die Vergiftung dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt". Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte aber bestritten, dass der Kläger infolge des Schadensereignisses seine Berufstätigkeit nicht mehr habe ausüben können, sondern darauf verwiesen, dieser sei nach der Kohlenmonoxid-Vergiftung ohne Befund beschwerdefrei aus dem Krankenhaus entlassen worden. Eine Pflicht der Beklagten den geltend gemachten Verdienstausfall des Klägers zu zahlen und damit die Wahrscheinlichkeit eines Anspruchs in irgendeiner Höhe, besteht aber nur, wenn die (dauerhafte) Arbeitsunfähigkeit des Klägers haftungsausfüllend kausal auf den Unfall zurückzuführen ist. Hierzu sind Feststellungen nicht getroffen. Das Berufungsgericht hat lediglich im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität die Primärschädigung in Form der Kohlenmonoxid-Vergiftung festgestellt und im Übrigen darauf verwiesen, es werde im Verfahren über die Höhe des Anspruchs zu klären sein, ob die vom Kläger "im einzelnen behaupteten Gesundheitsschäden" auf die Kohlenmonoxid-Vergiftung zurückzuführen seien. In gleicher Weise hat das Berufungsgericht auch bezüglich der Ansprüche der Klägerin keine Feststellungen dazu getroffen, ob - mit hoher Wahrscheinlichkeit - der von dieser mit ihrem Zahlungsantrag geltend gemachte Schaden (in irgendeiner Höhe) besteht. Ihr Zahlungsbegehren in Höhe von 99.562,39 € stützt die Klägerin auf entgangene Beitragszahlungen des Arbeitgebers des Klägers zu 1 zur gesetzlichen Rentenversicherung; hierbei stehen Beiträge ab dem Wegfall des Krankengelds in Rede. Ferner werden die für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme des Klägers im Zeitraum vom 12. Juni bis zum 17. Juli 2012 aufgewandten Kosten sowie die Rentenzahlungen an den Kläger und die Krankenkassenbeiträge für diesen als (Erwerbsunfähigkeits-)Rentner geltend gemacht. Auch bezüglich dieser, maßgebend auf der behaupteten dauerhaften Erwerbsunfähigkeit des Klägers beruhenden Schäden hat das Berufungsgericht die gebotenen Feststellungen nicht getroffen. Die hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts kann allein unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht angenommenen Primärverletzung einer Kohlenmonoxid-Vergiftung nicht bejaht werden.    

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist überdies deshalb verfahrensfehlerhaft, weil es den Mangel der Mietsache (§ 536a Abs. 1, § 536 Abs. 1 BGB), welcher ursächlich für den Austritt von Kohlenmonoxid - und damit für die Gesundheitsverletzung des Klägers - gewesen sei, (allein) in der Verschmutzung des Wärmetauschers der Gastherme gesehen hat, ohne den insoweit von der Beklagten gehaltenen und unter Beweis gestellten Vortrag zum Verschmutzungszustand des Wärmetauschers am Unfalltag hinreichend zu berücksichtigen. Die Beklagte hat bestritten, dass der Wärmetauscher am Unfalltag verschmutzt gewesen sei und dies durch die Vernehmung des Bezirksschornsteinfegermeisters sowie des Notfallschornsteinfegers unter Beweis gestellt. Dieses Beweisbegehren der Beklagten stellt einen beachtlichen Beweisantrag dar, dem das Berufungsgericht, dem Gebot folgend, sich mit dem Streitstoff umfassend auseinanderzusetzen und den Sachverhalt durch die Erhebung der angetretenen Beweise möglichst vollständig aufzuklären, hätte nachgehen müssen. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, ist der Vortrag der Beklagten zum Nichtvorhandensein von wesentlichen Verschmutzungen des Wärmetauschers am Unfalltag hinreichend substantiiert. Ein Sachvortrag ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten. Gemessen hieran hat die Beklagte ausreichend dargelegt, dass nach ihrer Auffassung der Wärmetauscher - entgegen der Feststellung des Berufungsgerichts - am Unfalltag nicht verschmutzt gewesen sei und damit nicht ursächlich für das nach der Behauptung der Kläger aus der Gastherme ausströmende Kohlenmonoxid gewesen sein könne, weil derartige Verschmutzungen von den benannten, am Unfalltag in der Mietwohnung anwesenden Zeugen nicht festgestellt worden seien. Einen näheren Vortrag zum genauen Verschmutzungszustand und zu der Art der Untersuchung des Wärmetauschers durch die benannten Zeugen konnte und musste die Beklagte, die im Gegensatz zu den beiden als Zeugen benannten Schornsteinfegern selbst am Unfalltag nicht vor Ort war, nicht halten. Sie musste insbesondere keine Ausführungen dazu machen, welche konkreten Untersuchungen die Zeugen an der Gastherme vorgenommen hatten und "inwiefern deshalb der Verschmutzungszustand des Wärmetauschers hätte festgestellt werden können". Die weitergehende Annahme des Berufungsgerichts, es erscheine "unwahrscheinlich", dass am Unfalltag angesichts des im Raum stehenden Gasthermenunfalls und der hinzugezogenen Feuerwehr eine genaue Untersuchung des Wärmetauschers auf Verschmutzungen stattgefunden habe, stellt eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar. Eine unzulässige Beweisantizipation liegt vor, wenn der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst. So liegt der Fall hier. Die Erwägungen des Berufungsgerichts tragen nicht dessen Annahme, es erscheine "unwahrscheinlich", dass die am Unfalltag anwesenden Schornsteinfeger (nähere) Untersuchungen der Gastherme durchgeführt hätten, so dass die Vernehmung der Zeugen keine sachdienlichen Erkenntnisse erbringen könnte. Denn für das Vorliegen eines hinreichend bestimmten Beweisantrags ist es nicht erforderlich, dass die Partei das Beweisergebnis im Sinne einer vorweggenommenen Beweiswürdigung wahrscheinlich macht. Das Berufungsgericht hat somit die nicht erhobenen Beweise vorab gewürdigt und eine bloße Mutmaßung zum Tatsachengeschehen am Unfalltag angestellt. Ob und welche Untersuchungen stattgefunden haben, ist durch die Vernehmung der hierfür benannten Zeugen zu klären.  

Kontext der Entscheidung

Das Urteil bestätigt die ständige Rechtsprechung aller Zivilsenate zu den Voraussetzungen eines Grundurteils. § 304 ZPO soll das Verfahren vereinfachen und verbilligen, indem eine Vorklärung des Anspruchs und deren Überprüfung im Instanzenzug ermöglicht und damit gegebenenfalls eine aufwendige Beweisaufnahme erspart wird. Dieser Funktion entsprechend setzt § 304 ZPO neben einem nach Grund und Höhe streitigen Anspruch  vor allem voraus, dass eine solche Trennung in Grund- und Betragsverfahren möglich ist. Diese Voraussetzung erfüllt nur ein auf die Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer Sachen gerichteter Anspruch, der der Höhe nach summenmäßig bestimmt ist (std. Rspr., vgl nur: BGH, Urteil vom 19. Februar 1991 – X ZR 90/89 –, Rn. 6, mwN.). Ausnahmsweise kann ein Grundurteil über eine Feststellungsklage ergehen, wenn damit ein bestimmter Betrag in der Weise geltend gemacht wird, dass die Klage auch zu einem Ausspruch über die Höhe des Anspruchs führen soll (BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 – IX ZR 45/98 –, Rn. 16, mwN.). Feststellungsklagen haben dann eine nach Grund und Betrag streitige Verpflichtung zum Gegenstand, wenn ein bestimmter Betrag in dem Sinne geltend gemacht wird, dass die Klage auch zu einem Ausspruch über die Höhe des Anspruchs führen soll. In einem solchen Ausnahmefall ist die Feststellungsklage in einer Weise beziffert, dass ein Grundurteil seinen Zweck erfüllen kann (BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 – IX ZR 125/93 –, Rn. 11, mwN.). Voraussetzung eines Grundurteils ist dabei aber stets, dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 – IX ZR 45/98 –, Rn. 21, mwN.).

Auswirkungen für die Praxis

Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Ungeeignetheit des Beweismittels kommt nur dann in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass das Beweismittel zu dem Beweisthema sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann. Insoweit ist größte Zurückhaltung geboten (BGH, Beschluss vom 12. September 2023 – VI ZR 371/21). Zwar kann ein erhebliches Beweisangebot außer Acht bleiben, wenn das Beweismittel ungeeignet ist, weil es im Einzelfall zur Beweisbehauptung erkennbar keine sachdienlichen Ergebnisse erbringen kann. Es muss jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass der übergangene Beweisantrag Sachdienliches ergeben könnte. Insbesondere kommt eine Ablehnung eines Beweisantrags als ungeeignet nicht in Betracht, wenn dadurch ein noch nicht erhobener Beweis vorab gewürdigt wird, weil dies eine unzulässige Beweisantizipation darstellt (BGH, Beschluss vom 21. November 2019 – V ZR 101/19 –, Rn. 10). Sachverständigenbeweis wird durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte angetreten. Von der beweispflichtigen Partei wird keine wissenschaftliche (sachverständige) Substantiierung der unter Beweis gestellten Tatsachen verlangt. Es muss vielmehr nur das Ergebnis mitgeteilt werden, zu dem der Sachverständige kommen soll, nicht der Weg, auf dem dies geschieht (BGH, Beschluss vom 02. November 2021 – IX ZR 39/20 –, Rn. 12).

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