BGH: Namenswiedergabe bei beA-Versand genügt

15.1.2024
1
 min Lesezeit
Auf LinkedIn teilen

Für die einfache Signatur eines Schriftsatzes gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO genügt es, wenn am Ende des Schriftsatzes der Name des Verfassers maschinenschriftlich wiedergegeben ist

BGH, Beschluss vom 30. November 2023 - III ZB 4/23  

(LG Berlin, Entscheidung vom 06.04.2022 - 28 O 34/19; KG Berlin, Entscheidung vom 09.01.2023 - 9 U 46/22)

Das Problem:

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen ein klageabweisendes Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist ist zunächst um einen Monat und alsdann im Einvernehmen mit dem Beklagten um eine weitere Woche bis zum 14. Juli 2022 verlängert worden. Die Berufungsbegründung des Klägers ist jedoch erst im Laufe des 15. Juli 2022 beim Berufungsgericht eingegangen. Zuvor war am selben Tag kurz nach zwei Uhr früh ein Antrag des Klägers eingegangen, die Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Tag zu verlängern. Nachdem die Senatsvorsitzende des Berufungsgerichts diesen Antrag abgelehnt hatte, hat es die vom Kläger zudem beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht bewilligt und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrag hatte der Prozessbevollmächtigte vorgebracht, er habe am Abend des 14. Juli 2022 Berufungsbegründungsschriftsätze für das vorliegende sowie für zwei Parallelverfahren fertiggestellt. Anschließend habe er mit dem ansonsten zuverlässig arbeitenden Kanzleidrucker zunächst die beiden Schriftsätze in den Parallelverfahren ausgefertigt und diese mit Anlagen um 22.22 Uhr bzw. 22.30 Uhr erfolgreich per beA an das Berufungsgericht übermittelt. Beim anschließenden Versuch der drucktechnischen Ausfertigung des Berufungsbegründungsschriftsatzes in der vorliegenden Sache gegen 22.30 Uhr habe der Kanzleidrucker den Druckbefehl nicht ausgeführt. Er habe sich um Fehlerbehebung bemüht, was jedoch absehbar bis um 24.00 Uhr nicht zu bewerkstelligen gewesen sei. Er habe deshalb seinen „Back-up-Drucker“ aktiviert. Da zu besorgen gewesen sei, dass die drucktechnische Ausfertigung des umfangreichen Schriftsatzes samt Anlagen mit diesem Drucker vor 24.00 Uhr nicht mehr gelingen würde, habe er einen kurzen Schriftsatz mit der Bitte um eine Fristverlängerung um einen Tag unter Verweis auf die technischen Schwierigkeiten gefertigt, welche die Ausfertigung und Übermittlung verzögert hätten. Dieser Schriftsatz habe allerdings erst um 2.04 Uhr des Folgetages per beA abgesetzt und zugestellt werden können; zuvor am 14. Juli 2022 seien drei Übermittlungsversuche – um 23.46 Uhr, 23.53 Uhr und 23.56 Uhr – aufgrund einer technischen Störung im beA-System gescheitert. Die Berufungsbegründung habe anschließend ebenso wie den Wiedereinsetzungsantrag übermittelt.

Die Entscheidung des Gerichts:

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger hat die Berufung nicht innerhalb der bis zum 14. Juli 2022 verlängerten Frist begründet. Mit Recht hat das OLG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung dieser Frist  abgelehnt. Nach § 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war. Gemessen daran ist die Versagung der Wiedereinsetzung durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden. Es fehlt bereits an einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung, weswegen es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in der vorliegenden Sache – nachdem er am 14. Juli 2022 um 22.22 Uhr und um 22.30 Uhr die Berufungsbegründungsschriftsätze in den Parallelverfahren erfolgreich per beA an das Berufungsgericht hatte übermitteln können – ab 22.30 Uhr aus technischen Gründen nicht (mehr) möglich gewesen sein soll, den nach seiner Darlegung zu diesem Zeitpunkt auch schon fertiggestellten Berufungsbegründungsschriftsatz ebenfalls erfolgreich per beA zu versenden, und er noch nicht einmal den Versuch einer Versendung dieses Schriftsatzes unternommen hat. Denn der Umstand, dass sein Drucker ab 22.30 Uhr seinen Dienst versagte, vermag das nicht zu erklären, weil die (erfolgreiche) Übersendung eines Schriftsatzes an ein Gericht per beA eine vorherige „drucktechnische Ausfertigung“ dieses Schriftsatzes nicht voraussetzt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV iVm. § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein elektronisches Dokument im Dateiformat PDF zu übermitteln. Zur Herstellung eines Dokuments im PDF-Format ist es nicht notwendig, es zuvor auszudrucken und sodann einzuscannen. Vielmehr lässt sich eine PDF-Datei unmittelbar elektronisch herstellen. Der vorherige Ausdruck des Dokuments ist auch nicht notwendig, um die bei Übermittlung aus dem beA erforderliche einfache Signatur anzubringen. Hierfür ist es nicht erforderlich, das Dokument handschriftlich zu signieren und einzuscannen. Vielmehr genügt für die einfache Signatur die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Verfassers am Ende des Textes. Das Berufungsgericht hat es daher zu Recht als „nicht nachvollziehbar dargetan“ angesehen, dass für eine Übermittlung per beA „ein Ausdrucken des Schriftsatzes überhaupt nötig gewesen wäre“.

Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und somit dem Kläger selbst gereicht es daher zum Verschulden, dass am 14. Juli 2022 ab 22.30 Uhr kein einziger Versuch unternommen worden ist, die Berufungsbegründung per beA an das Berufungsgericht zu übermitteln; für das Vorliegen einer technischen Störung des beA zwischen 22.30 Uhr und 23.45 Uhr und damit dafür, dass eine Übermittlung des Schriftsatzes per beA in diesem Zeitraum nicht gelungen wäre, gibt es keinen Anhaltspunkt. Dahinstehen kann, ob am 14. Juli 2022 ab 23.46 Uhr eine technische Störung des beA vorgelegen hat. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte die letzte Viertelstunde der am 14. Juli 2022 um 24.00 Uhr ablaufenden Berufungsbegründungsfrist nicht für die Übermittlung der Berufungsbegründung vorgesehen. Er hat vielmehr während dieses Zeitraums lediglich versucht, einen nicht erfolgversprechenden Fristverlängerungsantrag per beA an das Berufungsgericht zu schicken. Den am 15. Juli 2022 um 2.04 Uhr formgerecht eingereichten Fristverlängerungsantrag hat die Vorsitzende des Berufungssenats mit der (zutreffenden) Begründung abgelehnt, dass der Antrag erst nach Ablauf der bis zum 14. Juli 2022 verlängerten Frist eingegangen sei. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist setzt einen vor Fristablauf gestellten Antrag voraus; die Verlängerung einer bereits verfallenen Frist ist schon begrifflich nicht mehr möglich. Im Übrigen darf der Berufungskläger grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass ihm ohne Einwilligung des Gegners eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bewilligt wird, und infolgedessen ein erfolgversprechender Antrag auf weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr rechtzeitig gestellt werden kann, wenn die Einwilligung nicht vorliegt und nach 23.00 Uhr am letzten Tag der Frist realistischerweise auch nicht mehr zu erlangen ist. Die Ablehnung der Fristverlängerung ist unanfechtbar (§ 225 Abs. 3 ZPO). Soweit der Kläger ausführt, der Wiedereinsetzungsantrag habe sich auf das Fristverlängerungsgesuch bezogen, ist er dahingehend zu bescheiden, dass gegen die Versäumung eines rechtzeitigen Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist.

Konsequenzen für die Praxis:

Das elektronische Dokument muss entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert (= unterschrieben) und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 ZPO). Bei der qualifizierten elektronischen Signatur mittels Chipkarte und Eingabe eines persönlichen Geheimcodes (PIN) ist die Authentizität und Integrität des Dokuments bereits sichergestellt. Bei der einfachen Signatur erfolgt dies erst durch die Verbindung des zu übermittelnden Dokumentes mit dem sicheren Übermittlungsweg, insbesondere dem beA. Die einfache Signatur iSd. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Nicht genügend ist das Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe (BGH, Beschluss vom 7. September 2022 – XII ZB 215/22, MDR 2022, 1362). Auch der maschinengeschriebene Namenszug ist eine Signatur iSd. § 130a Abs. 3 Alt. 2 ZPO, genügt aber nicht zur Authentifizierung, weil keine Unterscheidung zum Entwurf möglich ist. Die einfache Signatur steht der Wirksamkeit nur dann nicht entgegen, wenn ein sicherer Übertragungsweg genutzt wird. Der Übertragungsweg muss dann aber dem Signierenden zugeordnet sein, denn anderenfalls bliebe unklar, ob der Versender auch die Verantwortung für den Inhalt übernimmt oder sich seine Rolle auf die eines Erklärungsboten beschränkt (Radke, jM 2019, 272, 275).  

Beraterhinweis:

Zwar dürfen Fristen bis zu ihrem Ablauf genutzt werden. Jeh näher aber der Fristablauf rückt, desto größer wird die Gefahr für den Rechtsanwalt, auf Schwierigkeiten bei der fristgemäßen Versendung des Schriftsatzes per beA nicht mehr richtig reagieren zu können. Hätte der offenkundig mit der Nutzung des beA überforderte Rechtsanwalt die drei Berufungsbegründungen während der Bürostunden zu versenden versucht, hätte er bei seinem Büropersonal sicherlich leicht Aufklärung über die richtige Handhabung des beA gefunden. Dass der Rechtsanwalt nicht wusste, dass für die von § 130a ZPO Abs. 3 2. Alt ZPO geforderte „Signatur“ keine handschriftliche Unterschrift erfordert, ist nicht entschuldbar: „Der (fahrlässige) Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über die gesetzlichen Formerfordernisse für die Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels vermag ihn nicht zu entlasten und rechtfertigt erst recht nicht die Gewährung einer Übergangsfrist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen.“ (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2022 – III ZB 18/22 –, MDR 2023, 248).

Kontakt
aufnehmen

Vereinbaren Sie gerne ein persönliches Beratungsgespräch mit uns,
Telefon: 0511 9999 4747 oder E-Mail: kanzlei@addlegal.de.