BGH: Voraussetzungen einer Terminsverlegung

28.3.2024
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1. Eine Terminsverlegung setzt voraus, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dieser glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Verhandlung verlegt, nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen.  

2. Erhebliche Gründe iSv. § 227 Abs. 1 ZPO sind regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Liegen solche Gründe vor, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. Einem Antrag auf Terminsverlegung oder -vertagung ist daher regelmäßig aufgrund Vorliegens eines erheblichen Grunds stattzugeben.

BGH, Beschluss vom 30. Januar 2024 – VIII ZB 47/23

1. Problemstellung

Mit den Anforderungen an den Parteivortrag bezüglich einer unverschuldeten Säumnis bei Erlass eines zweiten Versäumnisurteils hatte sich der VIII. Zivilsenat zu befassen.

2. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klage ist vom LG Aachen durch Versäumnisurteil abgewiesen worden. Auf den Einspruch des Klägers hat das Landgericht Termin auf den 9. Dezember 2022, 13.00 Uhr bestimmt. In diesem Termin ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers bis um 13.20 Uhr nicht erschienen, sondern hat über seine Kanzlei mitteilen lassen, er befinde sich derzeit noch "im Gerichtsgebäude in Essen" und werde nicht vor 14.30 Uhr zu dem Einspruchstermin erscheinen. Daraufhin hat das LG den Einspruch des Klägers durch zweites Versäumnisurteil als unzulässig verworfen. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Einer der Rechtsanwälte der aus drei Mitgliedern bestehenden Sozietät habe an dem Sitzungstag einen unaufschiebbaren Termin gegen 12.00 Uhr vor dem Amtsgericht Marl wahrgenommen. Aufgrund der unerwarteten Erkrankung eines weiteren Mitglieds der Sozietät habe der dritte Sozietätskollege vertretungsweise zwei auf 11.00 Uhr und 11.15 Uhr anberaumte Termine in Essen vor dem dortigen LG und dem AG wahrnehmen müssen. Nachdem der erste vorgenannte Termin, in dem lediglich Anträge hätten gestellt werden sollen, aus unvorhergesehenen Gründen bis 11.30 Uhr gedauert habe, habe der vorgenannte, in Essen befindliche Rechtsanwalt sein Büro gebeten, das LG Aachen über seine voraussichtliche Verspätung zu informieren und gegebenenfalls um eine Verlegung des dortigen Termins zu ersuchen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Prozessbevollmächtigte davon ausgegangen, dass der zweite Termin in Essen aufgrund des einfachen Sachverhalts und der Kürze der dort in Augenschein zu nehmenden Videoaufzeichnung nicht länger als 20 Minuten dauern und er bei einer Fahrtzeit von Essen nach Aachen von circa eineinviertel Stunden allenfalls mit einer Verspätung von 15 Minuten nach Terminsaufruf vor dem LG Aachen erscheinen werde. Vollkommen überraschend und unvorhersehbar sei die zweite Sitzung in Essen jedoch erst um circa 13.00 Uhr beendet worden. Auf Nachfrage, ob der Termin vor dem Landgericht antragsgemäß verschoben worden sei, habe er von seinem Büro die Mitteilung erhalten, dass eine diesbezügliche Rückmeldung noch nicht vorliege. Er habe sein Personal daher gebeten, dort noch einmal nachzufragen. Vorsorglich sei er dennoch zum Landgericht gefahren. Dort sei er um 14.30 Uhr angekommen, habe im Sitzungssaal aber niemanden mehr angetroffen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung - nach einem entsprechenden Hinweis - durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Der Kläger habe zu einer unverschuldeten Säumnis im Einspruchstermin nicht schlüssig vorgetragen, so dass die Berufung unzulässig sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe nicht ausreichend dargelegt, aus seiner Sicht alles Erforderliche und Zumutbare unternommen zu haben, um den Termin vor dem Landgericht wahrnehmen zu können. Schon bei Beginn der zweiten Verhandlung um 11.30 Uhr in Essen habe der Sitzungsvertreter nicht mehr von seiner rechtzeitigen Ankunft in Aachen ausgehen können. Wie seine eigenen Anweisungen am Sitzungstag belegten, habe er nach einem Sitzungsende um 13.00 Uhr erst mit einer Ankunft nach 14.30 Uhr gerechnet. Selbst wenn jedoch bei dem Prozessbevollmächtigten zunächst die Vorstellung bestanden haben sollte, von Essen aus so rechtzeitig aufbrechen zu können, dass eine Wahrnehmung des Termins in Aachen noch zu gewährleisten gewesen wäre, hätte er doch im Laufe der Sitzung in Essen erkennen müssen, dass dies nicht mehr möglich sein werde. Es hätte daher an ihm als bloßem Vertreter des erkrankten Kollegen gelegen, auf eine Vertagung der Verhandlung in Essen zu drängen. Dies gelte umso mehr, als ihm bewusst gewesen sein müsse, dass in Aachen über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verhandelt werden würde und die konkrete Gefahr bestanden habe, dass seine Säumnis zum Erlass eines zweiten Versäumnisurteils - wie geschehen - führe.  

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Schlüssig ist der betreffende Vortrag, wenn die Tatsachen, die die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen sollen, innerhalb der Frist zur Berufungsbegründung so vollständig und frei von Widersprüchen vorgetragen werden, dass sie - ihre Richtigkeit unterstellt - den Schluss auf fehlendes Verschulden erlauben. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Kläger nicht schlüssig dargetan, dass sein Prozessbevollmächtigter den Einspruchstermin am 9. Dezember 2022 ohne ein dem Kläger zuzurechnendes Verschulden versäumt hat. Eine Partei ist iSd. §§ 330 ff. ZPO säumig, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Bestimmung eines notwendigen Termins zur mündlichen Verhandlung nach Aufruf der Sache am hierzu bestimmten Ort nicht erscheint, bei notwendiger Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht durch einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist oder nicht zur Sache verhandelt. Nicht schuldhaft ist die Säumnis, wenn die Partei beziehungsweise ihr Prozessvertreter, dessen Verschulden sich die Partei zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins gehindert war und der Termin deshalb hätte verlegt (§ 227 ZPO) oder vertagt (§ 337 Satz 1 ZPO) werden müssen.      

Gemessen hieran war der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht ohne Verschulden gehindert war, an der Sitzung vor dem Landgericht in Aachen am 9. Dezember 2022 teilzunehmen. Der Prozessbevollmächtigte war ordnungsgemäß zu diesem Termin geladen worden war und ist dort bis zum Erlass des zweiten Versäumnisurteils nicht erschienen. Die Säumnis war auch nicht aufgrund der Wahrnehmung von Gerichtsterminen in Essen für den erkrankten Sozietätskollegen unverschuldet. Der Kläger hat in der Berufungsbegründung weder schlüssig dargelegt, dass sein Prozessbevollmächtigter "überraschend und unvorhersehbar" aufgrund der Dauer des erst um 11.30 Uhr beginnenden Termins vor dem AG Essen bis um 13.00 Uhr an der Wahrnehmung des Einspruchstermins in Aachen gehindert gewesen sei, noch, dass wegen einer (absehbaren) Kollision des zweiten in Essen anberaumten Verhandlungstermins mit dem Einspruchstermin der zuletzt genannte Termin hätte verlegt werden müssen. Eine Terminsverlegung oder -vertagung setzt voraus, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dieser glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Verhandlung verlegt oder vertagt wird (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen. Erhebliche Gründe iSv. § 227 Abs. 1 ZPO sind regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Liegen solche Gründe vor, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen oder zu vertagen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. Einem Antrag auf Terminsverlegung oder -vertagung ist daher regelmäßig aufgrund Vorliegens eines erheblichen Grunds stattzugeben. Ein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung oder -vertagung und damit eine unverschuldete Säumnis können vorliegen, wenn der Prozessbevollmächtigte kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist und das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen.    

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers schon zu Beginn der zweiten Verhandlung in Essen um 11.30 Uhr bei Wahrnehmung dieses Termins nicht mehr von einer rechtzeitigen Ankunft beim LG Aachen ausgehen durfte. Denn der Prozessbevollmächtigte konnte weder von einem pünktlichen Beginn der Sitzung vor dem AG Essen um 11.15 Uhr noch von einer maximal 20minütigen Dauer der dortigen Verhandlung sicher ausgehen. Allein das Vorbringen in der Berufungsbegründung, wonach in der vorhergehenden Verhandlung vor dem LG Essen lediglich Anträge hätten gestellt und in der nachfolgenden Verhandlung vor dem Amtsgericht in Essen bei einem dem Verfahren zugrundeliegenden "einfachen" Sachverhalt nur eine Videoaufzeichnung mit einer Dauer von weniger als zwei Minuten in Augenschein habe genommen werden sollen, rechtfertigte nicht die Annahme, dass die Sitzung vor dem AG Essen zu dem in der Ladung angegebenen Zeitpunkt um 11.15 Uhr beginnen und dann binnen 20 Minuten beendet werden würde. Denn der zeitliche Verlauf einer Sitzung lässt sich - wie der tatsächliche Beginn der Sitzung um 11.30 Uhr und deren Dauer von anderthalb Stunden zeigen - erfahrungsgemäß grundsätzlich nicht zuverlässig voraussagen. Ein Prozessbevollmächtigter muss daher bei seiner Zeitplanung einkalkulieren, dass ein Sitzungstermin eine gewisse, im Voraus nicht sicher absehbare Zeit in Anspruch nehmen wird. Ihm ist zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs bei den Gerichten grundsätzlich zuzumuten, sich während einer - nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmenden - angemessenen Zeit über den in der Ladung vorgesehenen Verhandlungsbeginn hinaus bei Gericht bereitzuhalten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers musste deshalb nicht nur einen späteren Beginn der zweiten Sitzung in Essen - von hier lediglich einer Viertelstunde -, sondern auch eine längere Verhandlungsdauer vorsorglich einplanen. Für ihn war deshalb spätestens um 11.30 Uhr absehbar, dass er schon bei einer (einzukalkulierenden) geringfügigen Überschreitung der von ihm angesetzten Verhandlungsdauer selbst unter Berücksichtigung einer möglichen Wartezeit von etwa 15 Minuten nach Aufruf der Sache vor dem LG Aachen, innerhalb derer der gegnerische Prozessbevollmächtigte kein Versäumnisurteil erwirken würde, nicht mehr rechtzeitig in dem Einspruchstermin würde erscheinen können. Allein mit dem späteren Beginn und der tatsächlichen Dauer der Verhandlung vor dem AG Essen konnte der Prozessbevollmächtigte deshalb sein Fernbleiben in dem Einspruchstermin nicht entschuldigen, zumal er auch während der Verhandlung in Essen gegebenenfalls Maßnahmen zur Verhinderung seiner Säumnis hätte ergreifen können und müssen.    

Das Landgericht war auch nicht gehalten, den Einspruchstermin wegen der (absehbaren) Kollision mit dem Verhandlungstermin in Essen auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu verlegen. Die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten einer Partei aufgrund eines bereits zuvor anberaumten kollidierenden Verhandlungstermins kann einen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung darstellen. Eine Kollision setzt voraus, dass die Wahrnehmung beider Termine zeitlich nicht möglich ist. In die Entscheidung über die Terminsverlegung sind alle Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls einzubeziehen, beispielsweise die Art des kollidierenden Gerichtstermins und des Zeitpunkts seiner Bestimmung, die Besonderheiten der Mandatsbeziehung, die Möglichkeit, den kollidierenden Termin zu verlegen oder einen der Termine durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Ausnahmsweise kann auch ein später anberaumter Termin Vorrang vor einem früher bestimmten Termin genießen, etwa wenn ein Verhandlungstermin bereits verlegt worden ist, prozessuale Gründe die Durchführung dieses Termins gebieten, es sich um einen Termin zur Durchführung einer aufwendigen Beweisaufnahme oder ein besonders eilbedürftiges Verfahren handelt. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger bereits einen erheblichen Grund iSv. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Verlegung des Einspruchstermins in Aachen nicht schlüssig dargelegt. Der Berufungsbegründung ist nicht zu entnehmen, dass der zunächst auf 11.15 Uhr bestimmte Gerichtstermin in Essen vor dem Einspruchstermin anberaumt worden ist oder besondere Gründe eine Verlegung des Termins in Aachen erforderlich gemacht hätten. Vielmehr hat der Kläger selbst vorgetragen, dem in Essen verhandelten Rechtsstreit habe ein einfach gelagerter Sachverhalt zugrunde gelegen und es habe lediglich eine kurze Videoaufnahme in Augenschein genommen werden sollen. Zudem war der Prozessbevollmächtigte nicht Sachbearbeiter dieses Verfahren, sondern hat die Sitzung lediglich als Vertreter für seinen erkrankten Sozietätskollegen wahrgenommen. Das Berufungsgericht hat deshalb jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass eine Verlegung des Einspruchstermins aufgrund des von dem Prozessbevollmächtigten vorgetragenen Sachverhalts nicht in Betracht kam.  

Es kommt vor diesem Hintergrund auch nicht darauf an, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers - wie in der Berufungsbegründung geltend gemacht - schon um 11.30 Uhr seine Mitarbeiter gebeten hat, das Landgericht in Aachen über seine voraussichtliche Verspätung aufgrund des Gerichtstermins in Essen zu informieren und um eine Terminsverlegung zu ersuchen. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag zu Recht als unerheblich angesehen. Es hat insofern zutreffend darauf hingewiesen, dass der Prozessbevollmächtigte nicht darauf vertrauen durfte, seinem (behaupteten) Verlegungsantrag werde entsprochen. Denn (allein) der von einer Partei gestellte Antrag auf Verlegung eines Verhandlungstermins - ohne Darlegung eines erheblichen Grunds - entschuldigt eine Versäumnis nach § 337 ZPO nicht, weil die Termine zur mündlichen Verhandlung der Parteidisposition entzogen sind.

3. Kontext der Entscheidung

Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von der Schlüssigkeit der Darlegung hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab. Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigen soll, ist vollständig und schlüssig innerhalb der Frist der Berufungsbegründung vorzutragen. Schlüssig ist der betreffende Vortrag, wenn die Tatsachen, die die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen sollen, innerhalb der Frist zur Berufungsbegründung so vollständig und frei von Widersprüchen vorgetragen werden, dass sie, ihre Richtigkeit unterstellt, den Schluss auf fehlendes Verschulden erlauben. Dabei dürfen die Gerichte die Anforderungen an den auf § 514 Abs. 2 ZPO gestützten Parteivortrag mit Blick auf den verfassungsrechtlichen garantierten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör nicht überspannen (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 – VII ZB 58/21 –, Rn. 13 - 14, mwN.). Erscheint die Partei nach rechtzeitigem Einspruch gegen das erste Versäumnisurteil erneut nicht zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch oder erscheint sie zwar, ist aber nicht ordnungsgemäß vertreten oder verhandelt nicht, hat das Gericht nur noch die Voraussetzungen der wiederholten Säumnis, insbesondere die ordnungsgemäße Ladung zum Termin, zu prüfen, bevor es nach § 345 ZPO den Einspruch durch zweites Versäumnisurteil zu verwerfen hat. Eine darüber hinausgehende Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts besteht nicht. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil kann folglich nicht darauf gestützt werden, dass bei Erlass des ersten Versäumnisurteils ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen habe oder die Klage nicht schlüssig sei (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 – XI ZB 11/19 –, Rn. 11 – 12). Gegen ein zweites Versäumnisurteil des Berufungsgerichts findet die Revision nach § 565 Satz 1 iVm. § 514 Abs. 2 ZPO ohne Zulassung und ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands statt (BGH, Urteil vom 08. Oktober 2015 – III ZR (Ü) 1/15 –, Rn. 7). Das folgt aus § 565 ZPO. Diese Norm erklärt hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Versäumnisurteilen die Vorschriften des Berufungsverfahrens für entsprechend anwendbar. Im Hinblick auf § 514 Abs. 2 Satz 2 ZPO bedeutet dies, dass wie die Berufung (§ 511 Abs. 2 ZPO), auch die Revision ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes oder eine Zulassung zulässig ist (BGH, Beschluss vom 03. März 2008 – II ZR 251/06 –, Rn. 3).

4. Auswirkungen für die Praxis

Terminsverlegungsanträgen muss im Regelfall stattgegeben werden, wenn ein erheblicher Grund glaubhaft gemacht wird. Werden Kollisionen mit schon anberaumten anderen gerichtlichen Terminen vorgebracht, sind diese durch Vorlage der Ladung zu dem anderen Termin glaubhaft zu machen. Weiterhin ist, sofern der Terminsverlegung beantragende Rechtsanwalt nicht als Einzelanwalt tätig ist, zu begründen, warum die Wahrnehmung des Termins, dessen Verlegung beantragt wird, nicht durch einen anderen Rechtsanwalt aus der Kanzlei des Antragstellers möglich ist. Bei Terminen, die in den Zeitraum vom 1. Juli – 31. August fallen, braucht, sofern nicht einer der Ausnahmefälle des § 227 Abs. 3 Satz 2 ZPO betroffen ist, ein Terminsverlegungsantrag nicht begründet zu werden, wenn er innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zugang der Ladung gestellt wird (§ 227 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die persönliche Verhinderung des Prozessbevollmächtigten wegen anderweitiger Verpflichtungen, insbesondere wegen beruflich wahrzunehmender Termine, ist regelmäßig ein erheblicher Grund iSd. § 227 Abs. 1 ZPO, weil die vertretene Partei erwarten darf, im Termin von demjenigen Anwalt vertreten zu werden, der die Sachbearbeitung des Mandats übernommen hat und ihr Vertrauen genießt (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2022 – VII ZB 58/21 –, Rn. 22). Die Erkrankung der anwaltlich vertretenen Partei selbst - bei einer juristischen Person die ihres Vertretungsorgans - zwingt nicht zu einer Terminsverlegung, wenn nicht gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erfordern. Die Partei hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen (BGH, Urteil vom 14. September 2023 – IX ZR 219/22).

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