Kostenfolge bei Erledigungserklärung im selbständigen Beweisverfahren

26.2.2024
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1. Eine Erledigungserklärung des Antragstellers im selbständigen Beweisverfahren ist regelmäßig in eine Antragsrücknahme mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO umzudeuten.

2. Liegt der Erledigungserklärung ein außergerichtlicher Vergleich zugrunde, in dem sich Antragsteller und Antragsgegner auf eine Kostenaufhebung geeinigt haben, dann liegt darin eine nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abweichende Regelung, die für die Kostentragungspflicht in ihrem Prozessrechtsverhältnis maßgebend ist.

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2023 – 2 W 41/22 

1. Problemstellung

Mit Problemen einer – ausnahmsweisen – Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren hatte sich das OLG Bremen zu befassen. Dabei ging es darum, ob die regelmäßig als Antragsrücknahme zu qualifizierende Erledigungserklärung in jedem Fall dazu führen muss, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

2. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

In einem selbständigen Beweisverfahren teilte die Antragstellerin mit, dass sie sich mit der Antragsgegnerin zu 1 geeinigt habe. Gegenstand des Vergleichs ist eine Regelung über die Mängel aus dem selbständigen Beweisverfahren. Unter Nr. 3 des Vergleichs trafen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1 eine Regelung über die Beendigung und Kosten des selbständigen Beweisverfahrens: „Nach vollständigem Eingang der Zahlung der W. an die D. gem. Ziff. 2 erklären die D. sowie die W. das selbständige Beweisverfahren für erledigt. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens werden zwischen den Parteien dieser Vereinbarung gegeneinander aufgehoben. Die W. hält die D. von etwaigen Kostenerstattungsansprüchen (insbesondere Rechtsanwaltskosten) der Streitverkündeten/Nebenintervenienten, die durch Streitverkündung der W. in das Streitgegenständliche Beweisverfahren einbezogen worden sind, frei.“ Die Antragstellerin hat in dem Schriftsatz das selbständige Beweisverfahren für erledigt erklärt und die Antragsgegnerin zu 1 aufgefordert, sich der Erledigungserklärung anzuschließen. Eine entsprechende Erledigungserklärung hat die Antragsgegnerin zu 1 abgegeben. Die Antragstellerin hat ausgeführt, dass sich die weitere Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens bzw. eines späteren Hauptverfahrens überholt habe. Die Antragstellerin habe das selbständige Beweisverfahren nicht „freiwillig“ durch Rücknahme oder Ähnliches beendet. Das Landgericht hat die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens der Antragstellerin auferlegt. Im selbständigen Beweisverfahren sei zwar grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs von § 494a ZPO keine Entscheidung über die Kostentragungspflicht zu treffen. Eine Ausnahme finde jedoch dann statt, wenn der Antragsteller den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurückgenommen habe. Gleiches gelte, wenn eine einseitige Erledigungserklärung des Antragstellers in eine Antragsrücknahme umzudeuten sei. Das sei regelmäßig der Fall, wenn nach dem Willen des Antragstellers das selbständige Beweisverfahren endgültig beendet werden solle. Eine einseitige Erledigungserklärung sei unzulässig. Die Umdeutung einer unzulässigen Erledigungserklärung entspreche regelmäßig dem mutmaßlichen Interesse des Antragsgegners. Dem stehe nicht entgegen, dass die Rücknahme mit der für den Antragsteller nachteiligen Kostentragungspflicht des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO verbunden sei, denn diesem Gesichtspunkt komme angesichts des vorrangigen Willens, das Verfahren zu beenden, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Für eine Anwendung von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO sei im selbständigen Beweisverfahren kein Raum.  

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der sich die Antragsgegnerin zu 1 ausdrücklich angeschlossen hat, hat Erfolg. Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist dahin abzuändern, dass die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Prozessrechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1 aufzuheben sind und die außergerichtlichen Kosten der weiteren Antragsgegnerinnen von der Antragstellerin zu tragen sind. Diese Kostentragungspflicht folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 269 Abs. 2 S. 2 ZPO. Das Landgericht hat im Ansatz zutreffend ausgeführt, dass eine einseitige Erledigungserklärung im selbständigen Beweisverfahren unzulässig und regelmäßig in eine Rücknahme des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens mit der Kostenfolge aus § 269 Abs. 2 S. 2 ZPO umzudeuten ist. Das gilt auch dann, wenn übereinstimmende Erledigungserklärungen vorliegen. Eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO scheidet aus, da diese Vorschrift ebenso wie § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO im selbständigen Beweisverfahren nicht anwendbar ist. Das Landgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass die Rücknahmeerklärung nach § 269 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht in jedem Falle dazu führt, dass die Kosten des Verfahrens von dem Antragsteller zu tragen sind. Nach dieser Vorschrift ist eine abweichende Kostentscheidung zu treffen, wenn sie dem Prozessgegner aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Dazu gehört insbesondere auch eine von § 269 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 ZPO abweichende Regelung der prozessualen Kostenlast in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich. Da § 269 Abs. 2 S. 2 ZPO bei der Rücknahme des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens entsprechend anwendbar ist, sind auch in diesem Fall andere Gründe wie der Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs bei der Entscheidung über die Kostentragung zu berücksichtigen. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die eine Einschränkung der Anwendung der Regelung in § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO gebieten könnten. Soweit der Bundesgerichtshof eine entsprechende Anwendung von § 91a ZPO ausschließt, wird dies damit begründet, dass eine sachliche Prüfung im selbständigen Beweisverfahren nicht vorgesehen sei. Grundlage für die Erledigung der Hauptsache sei der Eintritt einer Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage. Aus der von dem Antragsteller abgegebenen Erklärung könne kein Schluss auf eine ihn treffende materielle Kostentragungspflicht gezogen werden (BGH, Beschluss vom 9.5.2007 – IV ZB 26/06 –, Rn. 12). Ist aber – wie hier – keine streitige nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung erforderlich, dann können auch keine Bedenken bestehen auf der Grundlage einer außergerichtlichen Einigung eine Kostenentscheidung zu treffen. Die außergerichtlichen Kosten der am Beschwerdeverfahren beteiligten Antragstellerin und Antragsgegnerin zu 1 sind entsprechend § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben.

3. Kontext der Entscheidung

Eine im selbstständigen Beweisverfahren unzulässige einseitige Erledigungserklärung des Antragstellers ist regelmäßig in eine Antragsrücknahme mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO umzudeuten. Das gilt auch dann, wenn das Beweissicherungsinteresse zum Zeitpunkt der Erklärung entfallen war (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2011 – VII ZB 20/09). Eine Kostenentscheidung in entsprechender Anwendung von § 91a ZPO kommt im selbständigen Beweisverfahren nicht in Betracht. Das gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt des selbständigen Beweisverfahrens übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien erfolgen. Soweit die Erklärungen der Parteien sich darauf beziehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens weggefallen sind, besteht keine Vergleichbarkeit der Erledigung der Hauptsache in einem Rechtsstreit mit der in diesem Sinne verstandenen Erledigung eines selbständigen Beweisverfahrens. Denn in der Anordnung einer Beweiserhebung iSv. § 490 Abs. 2 ZPO liegt gerade keine Entscheidung über ein Recht oder einen Anspruch, noch ergeht eine solche Anordnung zum Nachteil des Antragsgegners. Eine kostenrechtliche Bewertung des selbständigen Beweisverfahrens danach, ob der Beweisantrag bis zum Eintritt des in diesem Sinne das Beweisverfahren erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen sei, widerspräche dem Grundsatz, dass sich die Kostentragungspflicht auch bei einem zulässigen und begründeten Beweissicherungsantrag nach dem materiellen Ergebnis des Hauptsacheprozesses und der Notwendigkeit der Kosten für die Rechtsverfolgung beurteilt (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2011 – VII ZB 108/08 -, Rn. 7 - 8, mwN.). Die für den Antragsteller nachteilige Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO lässt sich, wenn Antragsteller und Antragsgegner einig sind, durch eine Kostenregelung im Vergleich vermeiden. Denn bei Rücknahme der Klage nach einem Vergleich geht die im Vergleich getroffene Kostenregelung - auch im Verhältnis zum Streithelfer - der gesetzlichen Regelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO vor (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2004 – VII ZB 4/04). Dasselbe muss für das selbständige Beweisverfahren gelten. Um Kostenerstattungsansprüchen etwaiger Streithelfer zu entgehen, sollten Antragsteller und Antragsgegner sich auf Kostenaufhebung einigen (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2004 – VII ZB 4/04 –, Rn. 9, mwN.).

4. Auswirkungen für die Praxis

Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören grundsätzlich zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens und werden von der darin zu treffenden Kostenentscheidung mit umfasst. Nur ausnahmsweise, wenn trotz Fristsetzung keine Hauptsacheklage erhoben worden ist, kann im selbständigen Beweisverfahren gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Kostenentscheidung ergehen. Verzichtet der Antragsteller - etwa wegen des für ihn ungünstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme - auf die Hauptsacheklage, soll dies nicht dazu führen, dass er der Kostenpflicht entgeht, die sich aus der Abweisung der Klage in der Hauptsache ergäbe. Dabei ist § 494a ZPO als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2007 – IV ZB 26/06 –, Rn. 6, mwN.).

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