Zum Verjährungsbeginn bei Bauhandwerkersicherung

26.2.2024
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Für die Berechnung der Verjährungsfrist des Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a.F., bei dem es sich um einen sog. verhaltenen Anspruch handelt, ist nicht taggenau auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Sicherungsverlangens abzustellen, sondern es findet die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB Anwendung, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, (erst) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, beginnt.

OLG München, Urteil vom 21. November 2023 – 9 U 301/23 Bau e

1. Problemstellung

Der VII. Zivilsenat des BGH hat mit Urteil vom 25. März 2021 entschieden, dass die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. (jetzt § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit beginnt (BGH, Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20; dazu: Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 12/2021 Anm. 3 und Thode, jurisPR-PrivBauR 12/2021 Anm. 3). Bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung handelt es sich somit um einen sog. verhaltenen Anspruch, dessen Fälligkeit erst eintritt, wenn der Gläubiger den Anspruch geltend macht. Ob auf diesen Anspruch die Ultimo-Regelung des § 199 Abs. 1 BGB Anwendung findet oder ob für den Beginn der Verjährung taggenau auf den Tag der erstmaligen Geltendmachung abzustellen ist, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.

2. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. für Honorar aus einem von der Beklagten zu 3 gekündigten Generalplanervertrag und dessen Nachträgen in Anspruch. Die Beklagten zu 1 und zu 2 sind Eigentümer nebeneinander gelegener Grundstücke. Sie schlossen sich zu einer GbR (Beklagte zu 3) zusammen, die eine zeitgleiche, aufeinander bezogene Umnutzung und Umbebauung der beiden Grundstücke als Bauherrin in die Hand nahm. Am 12.10.2015 schlossen die Parteien einen Generalplanervertrag (GVP) für die Baumaßnahme ab. Auftraggeber war die Beklagte zu 3. Die bestehenden Büro- und Gewerbegebäude sollten in zwei Wohngebäude für Studenten und Auszubildende sowie anteilige gewerbliche Nutzung umgebaut werden. Mit Nachtrag Nr. 02 vom 16.05.2018 vereinbarten die Parteien u.a. zusätzliche Honoraransprüche und waren sich einig, dass die Planung nunmehr auf die Errichtung eines Aparthotels bzw. Boardinghauses angepasst bzw. geändert werden sollte. In der Folge stritten die Parteien vermehrt über die von der Klägerin gestellten Abschlagsrechnungen und von ihr geltend gemachter Nachtragsforderungen. Am 15.10.2018 forderte die Klägerin von der Beklagten zu 3 die Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Höhe von insgesamt 1.443.590,21 €. Die Beklagte zu 3 stellte keine Sicherheit, sondern kündigte den Vertrag mit der Klägerin mit Schreiben vom 29.10.2018 fristlos aus wichtigem Grund. Die Klägerin ließ die Kündigung mit anwaltlichem Schreiben zurückweisen, verwies gleichzeitig darauf, dass sie von einer freien Kündigung ausgehe und verlangte von der Beklagten zu 3 die Abnahme der erbrachten Leistungen.  

Unstreitig hat die Beklagtenseite bislang 1.765.703,73 € an die Klägerin bezahlt. Unter dem 14.06.2021 stellte die Klägerin Schlussrechnung, mit welcher sie für erbrachte Leistungen (5.033.730,73 € abzüglich der geleisteten Abschlagszahlungen von 1.765.703,73 € =) 3.268.027,01 € sowie für nicht erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen 657.512,58 € geltend machte, mithin insgesamt 3.925.739,59 €. Zeitgleich mit der Schlussrechnung forderte die Klägerin von der Beklagten erneut die Stellung einer Sicherheit bis zum 28.06.2021 für erbrachte Leistungen zuzüglich 10 % für Nebenforderungen, mithin in Höhe eines Betrages von 3.594.000 €. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Anspruch der Klägerin auf Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. bereits vor Klageerhebung verjährt gewesen sei. Bei dem Anspruch nach § 648a BGB a.F. handle es sich um einen verhaltenen Anspruch mit der Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist durch die erstmalige Geltendmachung durch den Gläubiger in Gang gesetzt werde. Für den Lauf der Verjährung sei nicht das Kalenderjahr, in dem der Anspruch geltend gemacht wurde, sondern taggenau der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs bestimmend und von einer Gesamtanalogie zu den Vorschriften der §§ 604 Abs. 5, 695 Satz 2 und 696 Satz 3 BGB auszugehen. Die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB finde auf verhaltene Ansprüche keine Anwendung.  

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 648a BGB a.F. in der geltend gemachten Höhe. Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichts ist der geltend gemachte Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a.F., bei dem es sich um einen sog. verhaltenen Anspruch handelt, nicht verjährt, da für die Berechnung der Verjährungsfrist nicht taggenau auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Sicherungsverlangens abzustellen ist, sondern die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB Anwendung findet, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, (erst) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, beginnt. Das Ersturteil weicht insoweit von obergerichtlichen Entscheidungen ab, in denen (zutreffend) davon ausgegangen wird, dass die Vorschrift des § 199 Abs. 1 BGB bei einem Anspruch nach § 648a BGB a.F. nicht verdrängt wird, sondern zur Anwendung kommt (OLG Köln, Urteil vom 17. Juni 2020 – I-11 U 186/19). Auch in anderen obergerichtlichen Entscheidungen, in denen es um andere verhaltene Ansprüche, wie z.B. § 666 Alt. 2 BGB (Auskunftserteilung auf Verlangen) geht, in denen ebenfalls der Verjährungsbeginn nicht ausdrücklich im Gesetz abweichend von § 199 Abs. 1 BGB geregelt ist, geht die obergerichtliche Rechtsprechung ganz selbstverständlich von der Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB aus (BGH, Urteil vom 1.12.2011 – III ZR 71/11, Rn. 12; OLG Hamm, Urteil vom 5.4.2016 - I – 4 U 36/15, Rn. 56 f.; OLG Köln, Urteil vom 23.8.2013 – I – 6 U 27/13, Rn. 41). Das Erstgericht bleibt eine nachvollziehbare Begründung, weshalb zwingend von einer taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist bei § 648 BGB a.F. auszugehen ist und § 199 Abs. 1 BGB keine Anwendung finden soll, schuldig. Die streitentscheidende Frage, ob auf sog. verhaltene Ansprüche die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB anwendbar ist oder sich die Verjährungsfrist taggenau ab Geltendmachung berechnet, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt für den Anspruch aus § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB. Ganz überwiegend wird in Rechtsprechung und Literatur von einer Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB ausgegangen. Bei der vom Landgericht vertretenen Auffassung handelt es sich um eine Mindermeinung. Diese hält jedoch einer kritischen Prüfung nicht stand und kann sich auch nicht auf das Grundsatzurteil des BGH vom 25.03.2021 (BGH, Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20) berufen. Denn dort hat der VII. Senat des BGH lediglich entschieden, dass die Verjährung des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a.F. (jetzt § 650f BGB) nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit zu laufen beginnt und dieser Anspruch als sog. „verhaltener“ Anspruch zu qualifizieren ist, jedoch ausdrücklich die Frage offengelassen, ob sich die Verjährungsfrist taggenau oder nach § 199 Abs. 1 BGB berechnet, da dies für den dort entschiedenen Fall nicht streitentscheidend war. Das Landgericht stellt vom Ausgangspunkt her zutreffend fest, dass sich der BGH im Urteil vom 25.03.2021 zur vorliegenden Streitfrage (taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist oder Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB) explizit nicht geäußert hat, was demgegenüber die Beklagten grundsätzlich verkennen, wenn sie ständig wiederholen, der BGH sei in dieser Entscheidung von der taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist bei § 648a BGB a.F. ausgegangen. Dies ist unzutreffend und beruht auf einer unzulässigen Gleichsetzung einer Qualifizierung eines Anspruchs als „verhalten“ und einer sich daraus angeblich ergebenden taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist. Dieser Schluss ist aber weder zwingend noch zutreffend, weil sich eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist nur in den vom Gesetzgeber angeordneten Ausnahmefällen zu § 199 Abs. 1 BGB ergibt, im Übrigen aber § 199 Abs. 1 BGB gilt. Das Erstgericht bleibt eine nachvollziehbare Begründung, weshalb zwingend von einer taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist bei § 648 BGB a.F. auszugehen ist und § 199 Abs. 1 BGB keine Anwendung finden soll, schuldig. Die streitentscheidende Frage, ob auf sog. verhaltene Ansprüche die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB anwendbar ist oder sich die Verjährungsfrist taggenau ab Geltendmachung berechnet, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt für den Anspruch aus § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB. Der VII. Senat des BGH hat lediglich entschieden, dass die Verjährung des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a.F. (jetzt § 650f BGB) nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit zu laufen beginnt und dieser Anspruch als sog. „verhaltener“ Anspruch zu qualifizieren ist, jedoch ausdrücklich die Frage offengelassen, ob sich die Verjährungsfrist taggenau oder nach § 199 Abs. 1 BGB berechnet, da dies für den dort entschiedenen Fall nicht streitentscheidend war (BGH, Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20 -, Rn. 27).    

Das Landgericht stellt vom Ausgangspunkt her zutreffend fest, dass sich der BGH im Urteil vom 25.03.2021 zur vorliegenden Streitfrage (taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist oder Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB) explizit nicht geäußert hat, was demgegenüber die Beklagten grundsätzlich verkennen, wenn sie ständig wiederholen, der BGH sei in dieser Entscheidung von der taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist bei § 648a BGB a.F. ausgegangen. Dies ist unzutreffend und beruht auf einer unzulässigen Gleichsetzung einer Qualifizierung eines Anspruchs als „verhalten“ und einer sich daraus angeblich ergebenden taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist. Dieser Schluss ist aber weder zwingend noch zutreffend, weil sich eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist nur in den vom Gesetzgeber angeordneten Ausnahmefällen zu § 199 Abs. 1 BGB ergibt, im Übrigen aber § 199 Abs. 1 BGB gilt. Dies lässt sich bereits dem Wortlaut und der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Gesetzessystematik entnehmen, wonach nur in den vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelten Fällen abweichend von § 199 Abs. 1 BGB eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist in Betracht kommt, es aber ansonsten bei der Regelung des § 199 Abs. 1 BGB verbleiben soll, die vom Gesetzgeber gerade als allgemeine Auffangregelung für alle sonstigen, nicht ausdrücklich anders geregelten Fällen geschaffen wurde. Da der Gesetzgeber bei § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB gerade nicht ausdrücklich angeordnet hat, dass die Verjährungsfrist bereits mit erstmaliger Geltendmachung des Sicherungsverlangens taggenau zu laufen beginnt, verbleibt es bei der Geltung der allgemeinen Auffangregelung des § 199 Abs. 1 BGB. Da die Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB zudem zu keinem unangemessenen Ergebnis führt und insbesondere kein Bedürfnis nach einer noch kürzeren Verjährungsfrist, als sie § 199 Abs. 1 BGB vorsieht, besteht, ist von der Anwendung dieser Vorschrift auszugehen. Selbst wenn der Gesetzgeber von der Vorstellung geleitet gewesen sein sollte, dass bei verhaltenen Ansprüchen generell eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist angezeigt wäre, hätte er dies in der von ihm schließlich getroffenen Regelung nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, sondern vielmehr für den Rechtsanwender den Eindruck erweckt, dass es für die Berechnung der Verjährungsfrist bei allen von ihm nicht ausdrücklich abweichend von § 199 Abs. 1 BGB geregelten Fällen - und somit auch bei allen übrigen verhaltenen Ansprüchen - bei der gesetzlichen Regelung des § 199 Abs. 1 BGB sein Bewenden hat. Denn wenn der Gesetzgeber wirklich gewollt hätte, dass bei verhaltenen Ansprüchen generell eine taggenaue Berechnung zu erfolgen hat, hätte er dies als allgemeine Regelung im Gesetz ausdrücklich regeln können und auch müssen, z.B. mit der Formulierung: „Bei verhaltenen Ansprüchen beginnt abweichend von § 199 Abs. 1 BGB die Verjährung taggenau mit der erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs“. Da eine solche Formulierung aber im Gesetz fehlt, scheint der Wille des Gesetzgebers letztlich doch nicht dahin zu gehen, dass bei verhaltenen Ansprüchen generell eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist zur Anwendung kommen soll, sondern eben nur in den ausdrücklich von ihm geregelten Fällen verhaltener Ansprüche, da er nur in diesen Fällen überhaupt einen Regelungsbedarf erkannt hat und ihm in allen übrigen Fällen die gesetzlich vorgesehene Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB offenbar nicht als unangemessene Rechtsfolge erschienen ist. Jedenfalls ist es im Rahmen der Gesetzesauslegung nicht möglich, unter Verweis auf einen etwaigen, verborgen gebliebenen, subjektiven Willen des Gesetzgebers sich soweit vom Regelungsgehalt einer Vorschrift zu entfernen, dass diese in ihr Gegenteil verkehrt wird. Für die behauptete doppelte Analogie zu einzelnen, vom Gesetzgeber als „verhalten“ identifizierter Ansprüche aus dem Leih- und Verwahrungsvertragsrecht (§§ 604 Abs. 3, 695 S. 1 und 696 S. 3 BGB) fehlt es bereits an einer Regelungslücke sowie an einer vergleichbaren Interessenlage. Das Landgericht unterstellt dem Gesetzgeber zunächst, er habe bei der Einführung und Neufassung des § 648a BGB (und nochmals bei der Einführung von § 650f BGB) nicht erkannt, dass es sich hierbei um einen verhaltenen Anspruch handele. Es unterstellt darüber hinaus, dass der Gesetzgeber dann, wenn er zu dieser Erkenntnis gekommen wäre, als Ausnahme zur Regel des § 199 Abs. 1 BGB eine besondere Regelung zum Beginn des Verjährungslaufs des dortigen Anspruchs in der Weise getroffen hätte, dass es – ebenso wie für die Regelungen in §§ 604 Abs. 5, 695 S.2, 696 S. 3 BGB – für den Beginn des Verjährungslaufs auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Sicherheitsverlangens ankomme. Beide vom Landgericht an den Gesetzgeber adressierten Unterstellungen sind gleichermaßen unberechtigt. Es gibt keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber verkannt haben soll, dass es sich bei dem Anspruch des Unternehmers aus § 648a BGB a. F./ § 650f BGB um einen verhaltenen Anspruch handelt, zu dessen Entstehung und Fälligkeit tatbestandlich seine Geltendmachung erforderlich ist. Hingegen hat der Gesetzgeber nachweislich keinen Zweifel daran gelassen, dass dann, wenn kein anderer Verjährungsbeginn durch ihn positiv bestimmt wurde, die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden bzw. fällig geworden ist. Mit der Neufassung des § 199 Abs. 1 BGB wollte der Gesetzgeber – u. a. in Fällen wie dem vorliegenden – im Zuge der Schuldrechtsreform die Unsicherheit bei der Voraussehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen beseitigen. Das war und ist der Zweck des § 199 Abs. 1 BGB. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollte durch die einfache, auf den Schluss eines Kalenderjahres bezogene, einheitliche Feststellung des Verjährungseintritts Klarheit und Vorhersehbarkeit geschaffen werden. Ausnahmen vom Grundsatz des § 199 Abs. 1 BGB gerade durch Richterrecht sind daher nicht zuzulassen, da solchen durch Richterrecht geschaffenen Ausnahmen sowohl die vom Gesetzgeber gewählte Gesetzessystematik als auch die Grundsätze der Rechtssicherheit und -klarheit entgegenstehen. Gerade letztgenanntem Grundsatz kommt vorliegend bei der Verjährung von Ansprüchen besondere Bedeutung zu, da sich für den Rechtsanwender ohne weiteres durch einen einfachen Blick ins Gesetz ergeben muss, welche Verjährungsfrist hinsichtlich des in Betracht kommenden Anspruchs zur Anwendung kommt und wie diese grundsätzlich zu berechnen ist. Soll sich dies erst durch einen Rückgriff auf eine im Gesetz nicht geregelte „doppelte Analogie“ oder „Gesamtanalogie“ ergeben, fehlt es an jeglicher Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für den einem solchen Recht unterworfenen Rechtsanwender. Für eine Erweiterung expliziter Ausnahmeregelungen durch demnach ungerechtfertigte „Gesamtanalogien“ auf Basis unzutreffender Unterstellungen gegenüber dem Gesetzgeber ist daher kein Raum. Bei den Vorschriften der §§ 604 Abs. 5, 695 S. 2 und 696 S. 3 BGB handelt es sich um Ausnahmevorschriften, welche die allgemeine Vorschrift zur „Ultimo Verjährung“ in § 199 Abs. 1 BGB modifizieren. Ausnahmevorschriften sind jedoch nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht analogiefähig. Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats daher contra legem entschieden. Es gibt keine Rechtfertigung für eine Abweichung von § 199 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall.  

3. Kontext der Entscheidung

§ 199 BGB gilt für die Verjährung von Ansprüchen, die keiner besonderen Verjährungsfrist unterstellt sind und damit der regelmäßigen Frist unterliegen, und für Ansprüche, die ausdrücklich der regelmäßigen Verjährungsfrist unterstellt sind. § 199 BGB gilt auch nicht, wenn der Anspruch zwar der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegt, deren Beginn aber besonders geregelt ist. Beispiele hierfür sind die Ansprüche auf Rückgabe aus Leihe und Verwahrung, die zwar in der Frist des § 195 BGB verjähren, deren Beginn aber in §§ 604 Abs. 5, 695 Satz 2 und 696 Satz 2 BGB besonders geregelt ist (Schmidt-Ränsch in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 199 Rn. 2). Verhaltene Ansprüche waren nach vor der Schuldrechtsreform herrschenden Ansicht (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1999 – V ZR 448/98) nach Eintritt der sonstigen Voraussetzungen entstanden, auch wenn der Gläubiger das Erfüllungsverlangen nicht aussprach, was auch sachgerecht war, da ein Abstellen auf die Geltendmachung zu einer beträchtlichen Verlängerung der ohnehin schon langen Verjährungsfrist von regelmäßig 30 Jahren geführt und es auch erlaubt hätte, das Verbot einer Erschwerung der Verjährung nach § 225 a.F. BGB zu unterlaufen. Mit der Schuldrechtsform haben sich die Bedingungen jedoch grundlegend verändert: Die Verjährungsfrist beträgt heute nur noch drei Jahre und würde den Gläubiger zwingen, zur Rechtswahrung ein Schuldverhältnis zu beenden, das er fortsetzen möchte. Außerdem besteht das Erschwerungsverbot nicht mehr. Der Gesetzgeber hat zwar davon abgesehen, das Entstehen des Anspruchs in solchen Fällen explizit anders zu regeln. Er hat aber bei den Hauptanwendungsfällen, Leihe und Verwahrung, durch Sondervorschriften bestimmt, dass die Verjährung mit der Geltendmachung des Anspruchs beginnen soll. Hieraus ist das allgemeine Prinzip zu entnehmen, dass verhaltene Ansprüche generell erst mit der Geltendmachung entstehen (Schmidt-Ränsch in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 199 Rn. 4a). Für den Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit enthielt weder § 648a BGB a.F. noch enthält § 650f BGB eine den zitierten Vorschriften vergleichbare Regelung. Dann aber liegt es in Hinblick auf die Gesetzgebungshistorie nahe, den Beginn der Verjährungsfrist verallgemeinernd für andere verhaltene Ansprüche, für die der Verjährungsbeginn nicht ausdrücklich geregelt ist, anknüpfend an das Erfüllungsverlangen des Gläubigers zu bestimmen, wie der BGH ausgeführt hat (BGH, Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20 –, Rn. 26). Einer vernünftigen Begründung entbehrte es dann, den Beginn der Verjährungsfrist zwar in dem Erfüllungsverlangen des Gläubigers zu sehen, aber für den Anspruch aus § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB die Ultimo-Regel des § 199 Abs. 1 BGB anzuwenden, wie das OLG München meint. Es ist nicht zu rechtfertigen, warum für die gesetzlich geregelten Fälle verhaltener Ansprüche die Verjährungsfrist taggenau beginnt und für den Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit eine Ausnahme gelten sollte.  

4. Auswirkungen für die Praxis

Das OLG Köln als Vorinstanz zum BGH war in seiner Entscheidung, deren Überprüfung Gegenstand des Urteils des BGH vom 25. März 2021 (BGH, Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20; dazu: Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 12/2021 Anm. 3 und Thode, jurisPR-PrivBauR 12/2021 Anm. 3) war, ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass die Ultimo-Regelung des § 199 Abs. 1 BGB anwendbar ist: Konkret bedeutet das, dass die dreijährige Verjährungsfrist gem. § 195 BGB am Ende des Jahres beginnt, in dem das Sicherungsverlangen erstmals gestellt wurde,§ 199 Abs. 1 BGB.“ (OLG Köln, Urteil vom 17. Juni 2020 – I-11 U 186/19 –, Rn. 63). Der BGH, der die Qualifizierung des Anspruchs als verhaltenen Anspruch durch das OLG gebilligt hat, hat formuliert: „Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen stand.“ (BGH, Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20 –, Rn. 12). Daraus kann gefolgert werden, dass die Anwendbarkeit der Ultimo-Regel der rechtlichen Nachprüfung nicht standhält. Da im entschiedenen Fall die dreijährige Verjährungsfrist, berechnet vom Zugang des Anspruchsschreibens noch nicht abgelaufen war, brauchte der BGH nicht zu entscheiden, ob die Ultimo-Regel anwendbar ist. Wörtlich heißt es dazu im Urteil: „Auf die Frage, ob die Verjährungsfrist - wie das Berufungsgericht angenommen hat - mit Ablauf des Jahres 2018 begonnen hat, kommt es hiernach nicht an.“ (BGH, Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20 –, Rn. 27). Mit diesem obiter dictum hat der BGH angedeutet, dass die Verjährung mit dem Zugang der der Aufforderung des Unternehmers beginnt (Thode, jurisPR-PrivBauR 12/2021 Anm. 3). Die Praxis ist somit gut beraten, den sichersten Weg einzuschlagen und von der taggenauen Berechnung der Verjährungsfrist auszugehen.

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