Zur Kostenregelung im Vergleich

13.12.2023
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Die Regelung der Kosten des Rechtsstreits in einem Vergleich erfasst nicht die Kosten des Vergleichs. Wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, gelten die Kosten eines Prozessvergleichs gemäß § 98 Satz 1 ZPO als gegeneinander aufgehoben.

OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2023 – I-25 W 89/23 

Problemstellung

Das OLG Hamm hatte über die in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilte Frage zu entscheiden, ob die in einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO von den Parteien vereinbarte Kostenregelung, nach der eine Partei die „Kosten des Rechtsstreits“ trägt, auch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG umfasst.

Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien eines Rechtsstreits beendeten das Verfahren durch einen außergerichtlich vereinbarten, nach § 278 Abs. 6 ZPO von der Kammer festgestellten Vergleich, in dem sie hinsichtlich der Kosten regelten: "Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits". Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger auch eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG angemeldet. Auf den Hinweis der Rechtspflegerin, dass die Einigungsgebühr nicht festsetzbar sei, weil die Parteien im Vergleich nichts über die Kosten des Vergleichs vereinbart hätten, diese damit als gegeneinander aufgehoben anzusehen seien (§ 98 ZPO), hat der Kläger diesen Kostenfestsetzungsantrag "berichtigt" und seine außergerichtlichen Kosten ohne die Einigungsgebühr beziffert. Im Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin jedoch die ursprünglich vom Kläger angemeldeten außergerichtlichen Kosten insgesamt angesetzt. Dagegen hat die Beklagte unter Hinweis auf den korrigierten Kostenfestsetzungsantrag des Klägers sofortige Beschwerde eingelegt. Die Parteien hätten sich darauf verständigt, die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufzuheben. Der Kläger hat daraufhin gemeint, die Korrektur sei nur irrtümlich erfolgt; der ursprüngliche, nunmehr erneut "berichtigend" gestellte Antrag sei zutreffend, weil eine in einem gerichtlichen Vergleich getroffene Kostenregelung, nach welcher eine Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, regelmäßig auch die infolge des Vergleichsabschlusses entstandene Einigungsgebühr erfasse. Die Kosten eines Prozessvergleichs gehörten regelmäßig zu den Kosten des Rechtsstreits, weil beides von den Parteien gewöhnlich als Einheit angesehen werde.

Mit Beschluss vom 23.02.2023 hat die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde der Beklagten abgeholfen und den Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert. Die Einigungsgebühr sei nicht zu berücksichtigen, weil die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs gem. § 98 S. 1 ZPO als gegeneinander aufgehoben anzusehen seien, wenn die Parteien nicht ein anderes vereinbart haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelte § 98 S. 1 ZPO grundsätzlich auch dann, wenn die Parteien einen gerichtlichen Vergleich abschließen. Auch hier sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich zwischen den Kosten des Rechtsstreits und den Kosten des Vergleichs zu unterscheiden. Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr der Kläger. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Senat zur Entscheidung vorgelegt. Nachdem der Senat die Parteien darauf hingewiesen hatte, dass die Beklagte ausdrücklich vorgetragen habe, die Parteien hätten sich darauf verständigt, die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufzuheben, weshalb der Kläger seinen ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag auch entsprechend korrigiert habe, und der Kläger dem nicht entgegengetreten sei, hat der Kläger einen bis dato nicht bei der Akte befindlichen Schriftsatz vom 23.08.2022 vorgelegt, in dem er vorgetragen hatte, eine Verständigung der Parteien darüber, dass die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufzuheben wären, sei weder mündlich noch schriftlich erfolgt.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die Rechtspflegerin hat in dem angefochtenen Beschluss vom 23.02.2023 zu Recht die vom Kläger zur Festsetzung angemeldete Einigungsgebühr außer Betracht gelassen. Gemäß § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels (§ 794 ZPO) geltend gemacht werden, d.h. die Festsetzung einer etwaig entstandenen Gebühr erfordert als Grundlage eine entsprechende Kostengrundentscheidung, die hier auch die Erstattung einer etwaig entstandenen Einigungsgebühr umfassen müsste. Die Kostenregelung im von den Parteien getroffenen Vergleich bietet insoweit keine Grundlage, weil diese sich nach ihrem Wortlaut allein auf die Kosten des Rechtsstreits bezieht. Wie die Rechtspflegerin zutreffend ausgeführt hat, sind bei einem Prozessvergleich die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs gem. § 98 S. 1 ZPO als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Denn es ist zu beachten, dass die Kosten "des Rechtsstreits" nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers (§ 98 ZPO) weder die Kosten eines gerichtlichen noch die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs umfassen. Beide Gruppen von Kosten folgen vielmehr eigenen, zudem auch nicht notwendig ergebnisgleichen Regeln. Vorliegend ist nicht festzustellen, dass sich die Parteien darauf verständigt hätten, dass etwaige Vergleichskosten als "Kosten des Rechtsstreits" von der Kostenregelung im Vergleich hätten umfasst sein sollen. Konkrete Gespräche oder eine ausdrückliche Einigung der Parteien diesbezüglich ist nicht ersichtlich oder vorgetragen. Auch der Kläger beruft sich insoweit lediglich darauf, dass regelmäßig angenommen werden könne, dass Parteien bei Abschluss eines Prozessvergleichs dessen Kosten als Kosten des Rechtsstreits behandeln wollten, weil er zum eigentlichen Prozessgeschehen gehöre und die Kosten gewöhnlich als Einheit angesehen würden. Nach Auffassung des Senats ist allein die Tatsache, dass die Parteien einen Prozessvergleich schließen, noch dazu im vorliegenden Fall einen solchen nach § 278 Abs. 6 ZPO, dessen Inhalt sie außergerichtlich vereinbart haben, kein ausreichender Grund für die Annahme, dass die Parteien mit der Regelung bzgl. der Kosten des Rechtsstreits (konkludent) auch die Kosten des Vergleichs mitumfassen wollten. Denn ein solch weitgehendes Verständnis, das nach der Erfahrung des Senats auch nicht der Praxis entspricht, würde die gesetzliche Regelung des § 98 S. 1 ZPO aushöhlen. Soweit der Senat in zurückliegender Zeit diesbezüglich eine andere Auffassung vertreten haben sollte, wird hieran nicht mehr festgehalten. Mangels einer Vereinbarung der Parteien über die Verteilung etwaiger Vergleichskosten gelten diese gem. § 98 S. 1 ZPO als gegeneinander aufgehoben, d.h. jede Partei trägt die Vergleichskosten selbst. Eine Festsetzung gegen die Beklagte scheidet damit aus.

Kontext der Entscheidung

Die Rechtslage ist nach wie vor ungeklärt. Zwar hat das OLG Hamm die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (Rn. 25). Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht eingelegt worden (Käseberg IBR 2023, 549). Es verbleibt, da die bisherige Rechtsprechung des BGH nicht eindeutig ist, bei einer nach OLG-Bezirken zersplitterten Rechtsprechung. Von der - mit dem Beschluss geänderten (Rn. 21) - Auffassung des OLG Hamm weicht die bisher wohl herrschende Meinung in der veröffentlichten Rechtsprechung ab. So umfasst nach Auffassung des OLG Hamburg eine im Vergleich getroffene Kostenregelung, nach der die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, auch die infolge des Vergleichsabschlusses entstandene Einigungsgebühr. Zwar unterscheide das Gesetz in § 98 ZPO zwischen den Kosten des Vergleichs und den Kosten des Rechtsstreits, so dass nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers die Kosten „des Rechtsstreits“ nicht die Kosten des gerichtlichen Vergleichs erfassten. Den Parteien sei es aber nach § 98 S. 1 ZPO unbenommen, die Vergleichskosten in die Kosten des Rechtsstreits einzubeziehen. In einer abweichenden Kostenregelung müssten die Vergleichskosten nicht besonders angesprochen werden. Es müssten aber hinreichende Anhaltspunkte gegeben sein, dass die Parteien die Kosten des Vergleichs als Kosten des Rechtsstreits behandeln wollten. Das könne bei den Kosten eines gerichtlichen Vergleichs regelmäßig angenommen werden, weil er zu dem eigentlichen Prozessgeschehen gehört, dessen Kosten von den Parteien gewöhnlich als Einheit angesehen werden. Mithin sind, wenn eine Partei in einem Prozessvergleich die Kosten des Rechtsstreits übernimmt, damit regelmäßig auch die Kosten des Prozessvergleichs erfasst (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 4 W 83/14 –, Rn. 4). Eine vergleichbare Auffassung vertritt das OLG Köln. Danach sind, wenn die Parteien anlässlich eines gerichtlichen Vergleichs zwar eine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf die Kosten des Rechtsstreites nicht aber wegen der Vergleichskosten treffen, letztere von dieser Regelung erfasst. Zwar sei es grundsätzlich denkbar, dass die Parteien trotz der Formulierung "Kosten des Rechtsstreites" die Vergleichskosten anders geregelt wissen wollen. Da im Kostenfestsetzungsverfahren eine Auslegung der Kostenregelung nur in beschränktem Maße möglich ist, müsse sich hinsichtlich eines anderen Willens der Parteien etwas aus ihrem protokollierten Erklärungen oder sonstwie aus der Sitzungsniederschrift ergeben (OLG Köln, Beschluss vom 10. Mai 2006 – 17 W 79/06 –, Rn. 9 - 11). In diese Richtung dürfte auch die Auffassung des V. Zivilsenats des BGH gehen. Dieser weist darauf hin, dass es den Parteien nach § 98 Satz 1 ZPO unbenommen ist, die Vergleichskosten in die Kosten des Rechtsstreits einzubeziehen. In einer abweichenden Kostenregelung müssen die Vergleichskosten auch nicht notwendig besonders angesprochen werden. Es müssen aber hinreichende Anhaltspunkte gegeben sein, dass die Parteien die Kosten des Vergleichs als Kosten des Rechtsstreits behandeln wollen. Das könne bei den Kosten eines gerichtlichen Vergleichs regelmäßig angenommen werden, weil er zu dem eigentlichen Prozessgeschehen gehört, dessen Kosten von den Parteien gewöhnlich als Einheit angesehen werden (BGH, Beschluss vom 25. September 2008 – V ZB 66/08 –, Rn. 14 - 15). Nach gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen differenziert des VI. Zivilsenat des BGH. Für den Fall, dass die Parteien zu einer außergerichtlichen Einigung ohne förmliche Niederlegung eines Prozessvergleichs gefunden haben, gehören die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs nur dann zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien dies vereinbart haben. § 98 Satz 1 ZPO gilt für einen außergerichtlichen Vergleich jedenfalls dann entsprechend, wenn der außergerichtliche Vergleich zur Prozessbeendigung führt (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – VI ZB 45/09 –, Rn. 9 - 11). Ansonsten hat sich der VI. Zivilsenat ausdrücklich der Rechtsprechung des V. Zivilsenats angeschlossen: „§ 98 ZPO trifft keine einheitliche Regelung über die Kosten eines Rechtsstreits bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs. Er befasst sich vielmehr in seinem Satz 1 nur mit den Kosten des Vergleichs. Die dort vorgesehene Regelung, dass die Kosten grundsätzlich als gegeneinander aufgehoben gelten, wird mit Satz 2 auf die Kosten des Rechtsstreits übertragen. Das führt zwar dazu, dass für die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten des Vergleichs im Grundsatz die gleiche Kostenverteilung gilt, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren. Das ändert aber nichts daran, dass die Vorschrift zwischen den Kosten des Vergleichs einerseits und den Kosten des Rechtsstreits andererseits unterscheidet. Folge hiervon ist, dass die Kosten "des Rechtsstreits" nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers weder die Kosten eines gerichtlichen noch die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs umfassen. Beide Gruppen von Kosten folgen vielmehr eigenen, zudem nicht notwendig ergebnisgleichen Regeln. Hier haben die Parteien keine Kostenregelung getroffen und mithin auch nicht vereinbart, dass die Kosten des Vergleichs abweichend von § 98 ZPO als Kosten des Rechtsstreits behandelt werden sollen. Ein entsprechender Wille kommt auch nicht durch den Verfahrensablauf zum Ausdruck, weil in beiden Verfahren ein Anerkenntnisurteil gegen die jeweiligen Beklagten ergangen und ergänzend zwischen den Parteien ein Vergleich abgeschlossen worden ist, ohne eine Vereinbarung über die Kosten zu treffen.“ (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – VI ZB 45/09 –, Rn. 12 - 14).

Auswirkungen für die Praxis

Der bisherigen Auffassung des BGH entspricht somit: Sind nur die „Kosten des Rechtsstreits“ tituliert, zB in einem Beschluss nach § 91a, sind zwar regelmäßig auch die Kosten eines Prozessvergleichs festsetzbar, die eines außergerichtlichen Vergleichs aber nur, wenn die Parteien dies vereinbart haben (Herget in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 98 Rn. 6). Ob durch die Rechtsprechungsänderung des OLG Hamm auch bei den Zivilsenaten des BGH ein Umdenken einsetzen wird, bleibt abzuwarten, dürfte aber aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des V. und des VI. Zivilsenats nicht sehr wahrscheinlich sein. Für die Verfahrensbevollmächtigten empfiehlt es sich jedoch, ausdrückliche Vereinbarungen über die Kosten eines Vergleichs zu treffen, sofern eine Kostenregelung auch der Vergleichskosten gewollt ist. In die Kostenregelung sollte daher die „Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs“ aufgenommen werden.  

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