BGH: Anforderungen an die einfache Signatur

18.7.2025
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Bei einfacher Signatur gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann.
BGH, Beschluss vom 24. Juni 2025 – VI ZB 91/23

A. Problemstellung
Der VI. Zivilsenat musste sich mit den Anforderungen an eine (gescannte) handschriftliche Namenswiedergabe als einfache Signatur nach § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO befassen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In einem Nachbarschaftsprozess hatte die Klage erstinstanzlich Erfolg. Das Urteil wurde dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 8. September 2023 zugestellt. Am 7. Oktober 2023 reichte Rechtsanwalt W., der die Beklagte erstinstanzlich nicht vertreten hatte, bei dem Berufungsgericht auf dem sicheren Übermittlungsweg aus dem ihm zugeordneten besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) eine Berufungsschrift ein. Diese trägt auf ihrer ersten Seite im Briefkopf den Namen und die Adresse des Rechtsanwalts W., auf ihrer dritten Seite als Unterschrift einen Schriftzug ohne weitere Namensangaben. Am 3. November 2023 übermittelte Rechtsanwalt W. aus seinem beA zwei weitere Schriftsätze, die ähnliche Schriftzüge als alleinige Unterschrift tragen. Nachdem ihn das Berufungsgericht auf Zweifel an der formgerechten Einreichung der Berufungsschrift hingewiesen hatte, übermittelte Rechtsanwalt W. über sein beA einen Schriftsatz vom 14. November 2023, in dem er erklärte, er sei Einzelanwalt, habe keine Mitarbeiter, und er habe die eingereichte Berufung gefertigt, unterschrieben und per beA verschickt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Sie sei nicht innerhalb der Berufungsfrist in gesetzlicher Weise eingelegt worden. Es fehle an der erforderlichen einfachen Signatur iSv. § 130a Abs. 3 ZPO. Die einfache Signatur meine die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Die einfache Signatur solle - ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifiziert elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Dazu müsse die Namensangabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden könne. Fehle es hieran, sei das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur solle gerade sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch sei, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernehme. Diesen Vorgaben werde die Berufungsschrift nicht gerecht. Sie enthalte ein eingescanntes Namenskürzel, welches Rechtsanwalt W. nicht zugeordnet werden könne. Nicht ein Buchstabe des Namens W. sei dem Schriftzug auf der Berufungsschrift auch nur andeutungsweise zu entnehmen. Das Kürzel beginne mit einem ovalen Kreis, welcher dem Buchstaben O nahekomme, und ende schwungvoll mit einem Buchstaben, welcher einem kleinen L entsprechen könne. Beide Buchstaben seien jedoch nicht im Namen W. enthalten. Die Berufungsschrift habe mithin ohne Weiteres durch einen Mitarbeiter der Kanzlei von Rechtsanwalt W. unterzeichnet sein können. Dass er gemäß seinem Schriftsatz vom 14. November 2023 über keine Mitarbeiter verfüge und die Berufungsschrift von ihm unterzeichnet worden sei, lasse sich der Berufungsschrift nicht entnehmen. Ohne dieses Sonderwissen oder eine Beweisaufnahme könne das handschriftliche Kürzel ihm nicht zugeordnet werden.
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird verworfen. Vorbereitende Schriftsätze, zu denen auch die Berufungsschrift zählt (§ 519 Abs. 1, 4 ZPO), sind von Rechtsanwälten als elektronische Dokumente zu übermitteln, es sei denn, dies ist aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich (§ 130d Satz 1 und 2 ZPO). Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, etwa über ein beA nach den §§ 31a und 31b BRAO (§ 130 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO), einreichen. Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht. Eine einfache Signatur iSd. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO muss dabei nicht zwingend eine eingescannte oder auf anderem Wege digitalisierte Fassung der Unterschrift des Rechtsanwalts darstellen. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Rechtsanwalt durch Wiedergabe seines Namens am Ende des Schriftsatzes deutlich macht, dass er selbst den Schriftsatz verantwortet. Der Name kann deshalb auch maschinenschriftlich am Ende des Textes abgedruckt sein. Entsprechend genügt aber eine Angabe des Namens des Rechtsanwalts allein im Briefkopf der Berufungsschrift nicht, weil sie keine Aussage darüber trifft, wer für den sodann folgenden Inhalt der Berufungsschrift die Verantwortung übernehmen will. Ebenso wenig genügt die Angabe "Rechtsanwältin" oder "Rechtsanwalt" ohne weitere Namensangabe am Ende eines Schriftsatzes, weil sich allein mit dieser Bezeichnung der Schriftsatz keiner bestimmten Person zuordnen lässt, die Verantwortung für seinen Inhalt übernimmt. Für den Fall, dass der Rechtsanwalt auf eine maschinenschriftliche Wiedergabe seines Namens am Ende des Schriftsatzes verzichtet, muss die Namenswiedergabe zumindest so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann. Anderenfalls bliebe den Empfängern eines solchen Dokuments nur zu raten, zu vermuten oder zu glauben, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt. Maßgeblich ist deshalb sowohl im Zuge der Prüfung einer Unterschrift im Sinne von § 130 Nr. 6 ZPO als auch im Zuge der Prüfung einer einfachen Signatur im Sinne von § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO, dass sich die Urheberschaft des Verantwortlichen hinreichend sicher feststellen lässt. Bei der Berufungs- und der Berufungsbegründungsschrift bleibt auch im Anwendungsbereich von § 130a ZPO maßgeblich, dass auf den Zeitpunkt des Ablaufs der jeweiligen Frist und die bis dahin bekannten Umstände abzustellen ist. Im Zeitpunkt des Fristablaufs muss im Mindestmaß klar sein, dass die Berufungs- bzw. Berufungsbegründungsschrift von einem - im Falle des § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO: dem übermittelnden - Rechtsanwalt signiert ist; eine weitergehende Klärung der Identität - etwa bei Namensgleichheit - und der Postulationsfähigkeit des Rechtsanwalts zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich bis zum Erlass des Verwerfungsbeschlusses, ist nur in diesem Falle zulässig.    
Diesen rechtlichen Vorgaben wird die Berufungsschrift der Beklagten nicht gerecht. Das Dokument ist nicht mit einer entzifferbaren einfachen Signatur versehen. Der Schriftzug unter der Berufungsschrift lässt Buchstaben, die dem Namen des Rechtsanwalts W. zugeordnet werden könnten, auch bei wohlwollender Betrachtung nicht erkennen. Dasselbe gilt für die Schriftzüge auf den beiden weiteren Schriftsätzen vom 3. November 2023, auf die sich die Rechtsbeschwerde beruft, die aber ohnehin erst außerhalb der Berufungsfrist übermittelt wurden. Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass Rechtsanwalt W. keine Mitarbeiter hat, der Schluss gezogen werden, dass nur er den Schriftsatz verantwortet haben könne. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich dieser Umstand der Berufungsschrift nicht entnehmen lässt; nur auf die Berufungsschrift konnte bei der Prüfung abgestellt werden.

C. Kontext der Entscheidung
Für die gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO bei Übermittlung aus dem beA erforderliche einfache Signatur ist es nicht erforderlich, das Dokument handschriftlich zu signieren und einzuscannen. Vielmehr genügt für die einfache Signatur die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Verfassers am Ende des Textes (BGH, Beschluss vom 30. November 2023 – III ZB 4/23 –, Rn. 10, mwN.). Nicht genügend ist das Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe. Das gilt auch für Einzelanwälte, da nicht auszuschließen ist, dass ein – auf dem Briefkopf nicht erscheinender – angestellter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat (BGH, Beschluss vom 7. September 2022 – XII ZB 215/22). Dies hat unlängst der XII. Zivilsenat mit einer vom erkennenden Senat nicht genannten Entscheidung bestätigt. Danach spricht zwar spricht die Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130 a Abs. 4 ZPO für die Identifizierbarkeit des Urhebers. Dennoch bietet der Briefbogen einer Anwaltskanzlei keine Gewähr für eine vollständige Aufzählung der in einer Kanzlei tätigen Rechtsanwälte und ist daher kein rechtssicherer Bezugspunkt für die Zuordnung der Verantwortlichkeit für einen Schriftsatz zu einem bestimmten Berufsträger. Der Briefbogen hat lediglich die gesetzlichen Mindestangaben nach § 10 BORA zu enthalten, so dass etwa angestellte Rechtsanwälte nicht aufgelistet werden müssen. Dass im Briefbogen der Kanzlei nur ein Rechtsanwalt genannt ist, schließt daher nicht aus, dass ein dort nicht aufgeführter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat (BGH, Beschluss vom 9. April 2025 – XII ZB 599/23 –, Rn. 9, mwN.).

D. Auswirkungen für die Praxis
Die Rechtsprechung des BGH hatte sich vor Geltung des § 130a ZPO regelmäßig mit der Abgrenzung leserlicher von unleserlichen Unterschriften zu befassen und dabei eine bisweilen verblüffende graphologische Detailfreude gezeigt: „Nach einem spitzwinkligen Schwung zu Beginn folgen zwei beziehungsweise drei deutlich kleinere Aufwärtsschwünge, die in einen nach rechts oben zeigenden Endstrich übergehen.“  (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – III ZB 14/20 –, Rn. 14). Fehlte die Unterschrift oder genügte sie nicht den Kriterien für die Lesbarkeit, durfte die Wirksamkeit eines bestimmenden Schriftsatzes nicht allein deshalb verneint werden, weil es an der Unterschrift fehlte. Es reichte aus, wenn auch ohne die Unterschrift aufgrund anderer, eine Beweisaufnahme nicht erfordernder Umstände zweifelsfrei feststand, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen hat. Der BGH hat dies dann angenommen, wenn die nicht unterzeichnete Berufungsbegründung mit einem vom Rechtsanwalt unterschriebenen Anschreiben fest verbunden ist (BGH, Beschluss vom 20. März 1986 - VII ZB 21/85, Rn. 16 f.) oder wenn die eingereichten beglaubigten Abschriften der nicht unterzeichneten oder nicht eingereichten Urschrift der Berufungsbegründung einen vom Prozessbevollmächtigten handschriftlich vollzogenen Beglaubigungsvermerk enthalten (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2019 – VI ZB 22/19 –, Rn. 12, mwN.). Diese Heilungsmöglichkeiten sind jedoch mit dem Zwang, Schriftsätze und Anlagen als elektronisches Dokument einzureichen, naturgemäß weggefallen, so dass eine verschärfte Haftung von Prozessbevollmächtigten eingetreten ist.

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