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BGH: Schriftformwahrung bei qeS
1. Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es auch für die elektronische Form zur Wahrung der Form nicht ausreichend, dass die Willenserklärung formgerecht abgegeben wurde; diese muss dem Erklärungsgegner vielmehr auch in der entsprechenden Form zugehen. Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung ist es daher erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.
2. Diese Voraussetzungen sind in dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am 17. Juli 2024 erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.
3. In dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO bewirkt die Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments unter Beifügung eines Transfervermerks im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO keinen wirksamen Zugang der in dem Dokument enthaltenen empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Erklärungsgegner.
BGH, Urteil vom 27. November 2024 – VIII ZR 159/23
A. Problemstellung
Seit dem 17. Juli 2024 gilt für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedürfen und die klar erkennbar in einem vorbereitenden (zivilprozessualen) Schriftsatz enthalten sind, die durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom 12. Juli 2024 (BGBl. I Nr. 234) geschaffene Norm des § 130e ZPO. Diese fingiert in Satz 1 für die genannten Willenserklärungen, sofern der Schriftsatz als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, den formwirksamen Zugang. Ob der Vorschrift des § 130e ZPO Rückwirkung dergestalt zukommt, dass sie auf die bereits vor ihrem Inkrafttreten erfolgte Abgabe und den Zugang einer in einem prozessualen Schriftsatz enthaltenen Willenserklärung Anwendung findet, hatte der VIII. Zivilsenat zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin. Die Bruttomiete betrug zuletzt monatlich 648,97 €. Ab dem Frühjahr 2019 bis Januar 2021 geriet der Beklagte mit rund 2.600 € in Zahlungsrückstand. Ab Februar 2021 reduzierte sich der Mietrückstand durch kontinuierliche Überzahlungen des Beklagten, betrug jedoch im Februar 2022 weiterhin mehr als zwei Monatsmieten. Mit Schreiben vom 10. Februar 2022 erklärte die Klägerin die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen des Zahlungsrückstands. In der qualifiziert elektronisch signierten Klageschrift vom 9. März 2022 hat die Klägerin erneut die außerordentliche fristlose Kündigung wegen des Zahlungsrückstands erklärt. Eine weitere außerordentliche fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung ist mit dem qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatz vom 13. Mai 2022 erfolgt. Beide als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsätze sind durch das Gericht ausgedruckt und dem - erstinstanzlich noch nicht anwaltlich vertretenen - Beklagten zugestellt worden.
Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 10. Februar 2022 sei unwirksam, weil sie zu diesem Zeitpunkt überraschend und damit rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Die beiden Kündigungserklärungen in der Klageschrift vom 9. März 2022 und im Schriftsatz vom 13. Mai 2022 seien formunwirksam. Nach § 568 Abs. 1 BGB bedürfe die Kündigung des Mietverhältnisses der schriftlichen Form. Sei durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben, müsse die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Solle die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden - was bei der Kündigung eines Mietverhältnisses mangels abweichender gesetzlicher Regelung zulässig sei (§ 126 Abs. 3 BGB) -, müsse der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 126a Abs. 1 BGB). Vorliegend habe die Klägerin die Kündigungserklärungen vom 9. März 2022 und vom 13. Mai 2022 in die entsprechenden Schriftsätze aufgenommen, diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und die so signierten Schriftsätze auf dem gemäß § 130d ZPO vorgeschriebenen Weg bei Gericht eingereicht. Es genüge jedoch nicht, dass die Erklärung formgerecht abgegeben worden sei; darüber hinaus müsse dem Erklärungsempfänger die formgerechte Urkunde zugehen. Der Empfänger habe ein schutzwürdiges Interesse, Gewissheit und sichere Beweisunterlagen darüber zu erlangen, dass die ihm zugegangene Erklärung formgerecht und damit wirksam abgegeben worden sei. Im vorliegenden Fall seien die in den Schriftsätzen vom 9. März 2022 und vom 13. Mai 2022 enthaltenen Kündigungserklärungen dem seinerzeit anwaltlich nicht vertretenen Beklagten nicht elektronisch, sondern nach Ausdruck auf dem Postweg übermittelt worden und damit weder in Schriftform noch in sie ersetzender elektronischer Form zugegangen. Durch den mit dem Ausdruck verbundenen Medienbruch sei die elektronische Signatur zwangsläufig verloren gegangen.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung, soweit sie aufgrund des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung (Kündigungserklärungen in der Klageschrift vom 9. März 2022 und im Schriftsatz vom 13. Mai 2022) eröffnet ist, stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die beiden Kündigungserklärungen in der als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift vom 9. März 2022 und im ebenfalls elektronisch übermittelten Schriftsatz vom 13. Mai 2022 gemäß § 125 Satz 1 BGB unwirksam sind, weil sie das Schriftformerfordernis gemäß § 568 Abs. 1 BGB mangels Zugangs einer formgerechten Willenserklärung beim Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht erfüllt haben. Die mit dem 17. Juli 2024 in Kraft getretene Norm des § 130e ZPO fingiert in Satz 1 für die genannten Willenserklärungen, sofern der Schriftsatz als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, den formwirksamen Zugang. Nach dem Willen des Gesetzgebers schließt diese Fiktion jene der formgerechten Abgabe der Willenserklärung ein. Die Formfiktion gilt nach § 130e Satz 2 ZPO auch dann, wenn die Ersetzung der schriftlichen Form durch die elektronische Form ausgeschlossen ist. Die Vorschrift des § 130e ZPO ist auch auf bestimmende Schriftsätze anwendbar. Eine Anwendung dieser Regelung auf den vorliegend bereits vor deren Inkrafttreten erfolgten Eingang der elektronischen Klageschrift vom 9. März 2022 und des elektronischen Schriftsatzes vom 13. Mai 2022 bei Gericht sowie die Weiterleitung dieser Schriftsätze durch Ausdruck und Zustellung an den Beklagten in Papierform kommt jedoch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts nicht in Betracht. Unter Heranziehung dieser verfassungsrechtlich verankerten Grundsätze kann der Vorschrift des § 130e ZPO keine Rückwirkung dergestalt zukommen, dass sie auf die bereits vor ihrem Inkrafttreten erfolgte Abgabe und den Zugang einer in einem prozessualen Schriftsatz enthaltenen Willenserklärung Anwendung findet. Denn die Norm regelt, obgleich wegen ihrer Anknüpfung an einen prozessualen Schriftsatz in der Zivilprozessordnung enthalten, die das materielle Recht betreffenden Fragen der Abgabe und des Zugangs form- und empfangsbedürftiger Willenserklärungen. Ob eine form- und empfangsbedürftige Kündigungserklärung wirksam abgegeben und zugegangen ist, muss sich jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nach dem in diesem Zeitpunkt geltenden Recht beurteilen. Insofern richtet sich die Beurteilung des vorliegenden Falles nach der vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO geltenden Rechtslage. Ob - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist - die gemäß § 568 Abs. 1 BGB für die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses erforderliche Schriftform, welche nach § 126 Abs. 1 BGB eine Unterzeichnung der Urkunde mittels eigenhändiger Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens voraussetzt, gemäß § 126 Abs. 3 BGB in dem hier vorliegenden Fall durch die elektronische Form im Sinn von § 126a Abs. 1 BGB ersetzt werden konnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn es fehlt jedenfalls der erforderliche formgerechte Zugang der in den qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Schriftsätzen enthaltenen Kündigungserklärungen beim Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. § 568 Abs. 1 BGB schließt - anders als beispielsweise die Formvorschriften der §§ 623, 766 Satz 2, § 780 Satz 2 und § 781 Satz 2 BGB - für die Kündigung eines Mietverhältnisses die elektronische Form nicht aus. Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob sich der Regelungsgehalt des § 126 Abs. 3 BGB darin erschöpft, die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form für den Fall zu ermöglichen, in dem eine abweichende gesetzliche Regelung fehlt, oder ob die Möglichkeit der Ersetzung der für die Wirksamkeit einer Willenserklärung angeordneten Schriftform durch die elektronische Form gemäß § 126 Abs. 3 BGB bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen zudem voraussetzt, dass der Empfänger der Willenserklärung hiermit einverstanden ist (Nachweise in Rn. 29). Die Frage bedarf allerdings vorliegend auch keiner Entscheidung. Denn unabhängig von einem eventuell erforderlichen Einverständnis des Beklagten mit der Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form, zu dessen Vorliegen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, sind die in den elektronischen Schriftsätzen vom 9. März 2022 und 13. Mai 2022 enthaltenen Kündigungserklärungen dem Beklagten nicht formgerecht zugegangen.
Zur Wahrung einer für eine empfangsbedürftige Willenserklärung vorgeschriebenen Form ist nicht ausreichend, dass diese nach den jeweiligen Formvorschriften abgegeben wurde. Sie muss vielmehr, um wirksam zu werden, dem Erklärungsgegner auch in der vorgeschriebenen Form gemäß § 130 BGB zugehen. Dieses Zugangserfordernis gilt auch für den Fall einer empfangsbedürftigen Willenserklärung in elektronischer Form. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Möglichkeit der Wahrung von gesetzlichen Formvorschriften durch ein elektronisches Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur zwar auf besondere Regelungen über den Zugang bewusst verzichtet, ist aber davon ausgegangen, dass auch auf in elektronischen Dokumenten abgegebene Willenserklärungen § 130 BGB Anwendung findet (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 20). Dies erklärt sich durch das gesetzgeberische Ziel einer Funktionsäquivalenz zwischen der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB und der elektronischen Form des § 126a Abs. 1 BGB. Danach muss die elektronische Form so ausgestaltet sein, dass sie die mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen regelmäßig sicherstellt, wenn auch eine völlige Gleichheit hinsichtlich aller Funktionen wegen der tatsächlichen Unterschiede zwischen den beiden Formen nicht erreichbar ist (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 15). Zu den mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen, welche die elektronische Form in vergleichbarer Weise sicherstellen soll, gehört - neben der Identitätsfunktion (Erkennbarkeit des Erklärenden und Möglichkeit der Identifizierung durch dessen unverwechselbare Unterschrift) und der Echtheitsfunktion (Gewährleistung der inhaltlichen Urheberschaft des Unterzeichners durch die räumliche Verbindung der Unterschrift mit dem Dokument) - auch die damit in Zusammenhang stehende Verifikationsfunktion, nach der es dem Empfänger des Dokuments möglich sein soll, zu überprüfen, ob die Unterschrift echt ist (BT-Drucks. 14/4987, S. 16 f.). Diese Funktion kann nur erfüllt werden, wenn das Dokument selbst dem Empfänger für eine Überprüfung zur Verfügung steht. Insofern ist es für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung gemäß § 126a Abs. 1 BGB - vergleichbar dem Zugang einer papiergebundenen Willenserklärung - erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.
Zwar wird in der Instanzrechtsprechung und dem Schrifttum teilweise vertreten (Nachweise in Rn. 36), die Legitimationswirkung der Signatur des Absenders gelte nur gegenüber dem Gericht, nicht aber auch im Verhältnis zu der anderen Partei, welcher der Schriftsatz durch das Gericht übermittelt werde. Diese Ansicht ist für die elektronische Weiterleitung qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsätze durch das Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur jedoch nicht zutreffend. Anders als die in § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 ZPO vorgesehene Einreichung eines elektronischen Dokuments über einen sicheren Übermittlungsweg, die an das Verhältnis von Absender und erstem (unmittelbaren) Empfänger anknüpft, ist eine qualifizierte elektronische Signatur in dem Sinne verkehrsfähig, dass ihre Validierung nicht nur für den ersten Empfänger möglich ist, sondern auch für Dritte, denen das elektronische Dokument mitsamt der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch weitergeleitet wird. Daher kann ein wirksam qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsatz grundsätzlich unter Aufrechterhaltung der gültigen und prüfbaren elektronischen Signatur elektronisch vom Gericht an den gegnerischen Prozessbevollmächtigten oder - im Fall des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO - auch an den Gegner persönlich übermittelt werden.
Die - hier vorliegende - Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments (§ 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vermag hingegen einen formgerechten Zugang der in ihm enthaltenen Willenserklärung (hier: der Kündigungserklärung) iSv. § 126a Abs. 1 BGB beim Erklärungsgegner auch dann nicht zu bewirken, wenn dem Ausdruck ein Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO beigefügt ist. Gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, sofern die Akten in Papierform geführt werden, von einem elektronischen Dokument ein Ausdruck für die Akten zu fertigen. Nach § 298 Abs. 3 ZPO muss dieser Ausdruck im Falle eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen und nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereichten elektronischen Dokuments einen (Transfer-)Vermerk über das Ergebnis der Integritätsprüfung des Dokuments (Nr. 1), den Inhaber der Signatur (Nr. 2) und den Zeitpunkt der Signatur (Nr. 3) enthalten. Die Integritätsprüfung (§ 298 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) erfolgt dabei durch einen - automatisierten - Abgleich der sogenannten Hash-Werte zum Zeitpunkt des Signierens und zum Zeitpunkt des Ausdrucks für die Akten. Durch diesen Abgleich wird überprüft, ob die übermittelten Daten in der Zwischenzeit verändert oder gar verfälscht wurden. Die Angabe, wer das Dokument signiert hat (§ 298 Abs. 3 Nr. 2 ZPO; Authentizitätsprüfung), ermöglicht zusammen mit der Mitteilung, wann das Dokument signiert worden ist, die Überprüfung, ob die Signatur gültig war.
Für eine materiell-rechtliche Bedeutung des einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügten Transfervermerks im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen des Zugangs einer Willenserklärung in elektronischer Form im Sinn von § 126a Abs. 1 BGB findet sich weder im Wortlaut des § 298 ZPO noch in den Gesetzesmaterialien ein Anhaltspunkt. Zwar wird von § 298 ZPO über seinen unmittelbaren Wortlaut (§ 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO: "Ausdruck für die Akten") hinaus auch der Ausdruck eines elektronischen Dokuments zum Zweck der Zustellung an einen auf elektronischem Weg nicht erreichbaren Prozessbeteiligten erfasst. Beide Konstellationen betreffen dennoch lediglich die zivilprozessuale Gleichsetzung eines elektronischen Dokuments mit einem Ausdruck desselben. Insbesondere die Regelungen in § 298 Abs. 2 und 3 ZPO sprechen dagegen, dass der Gesetzgeber dem einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügten Transfervermerk eine Bedeutung im Hinblick auf die materiell-rechtliche elektronische Form beigemessen hat. Denn gemäß § 298 Abs. 3 ZPO ist bei einem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur eingereichten elektronischen Dokument ein Transfervermerk nur dann zu fertigen, wenn das elektronische Dokument nicht über einen sicheren Übermittlungsweg iSv. § 130a Abs. 4 ZPO eingereicht wird. Wenn also ein qualifiziert elektronisch signiertes Dokument über einen solchen sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird, muss nach der Regelung von § 298 ZPO der Ausdruck den Umstand, dass eine qualifizierte elektronische Signatur vorlag und damit auch die Anforderungen an die materiell-rechtliche elektronische Form (§ 126a Abs. 1 BGB) erfüllt sein können, nicht erkennen lassen; nach § 298 Abs. 2 ZPO genügt es vielmehr, die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg aktenkundig zu machen. Der Zweck des Gesetzes besteht demnach ersichtlich allein darin, die Erfüllung der Voraussetzungen einer prozessrechtlich wirksamen Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht iSd. § 130a ZPO zu dokumentieren. Auch nach der vom Gesetzgeber beabsichtigten Funktionsäquivalenz zwischen Schriftform und elektronischer Form liegt ein formwirksamer Zugang einer mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Willenserklärung nicht vor, wenn lediglich ein Ausdruck des Dokuments und der zugehörige Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO in den Machtbereich des Empfängers gelangen. Zwar lässt ein einem Ausdruck eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Dokuments beigefügter und auf dieses Dokument bezogener Transfervermerk iSd. § 298 Abs. 3 ZPO die Identität des Erklärenden und die Echtheit des elektronischen Dokuments erkennen, indem er darüber Auskunft gibt, wer Inhaber der Signatur ist, deren mathematisch-logischer Verbindung zum elektronischen Text die inhaltliche Urheberschaft des Signierenden sicherstellt. Dabei gewährleistet die Integritätsprüfung, dass das elektronische Dokument auch nicht nachträglich verändert wurde. Allerdings ermöglicht der einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügte Transfervermerk, der lediglich das Ergebnis einer entsprechenden Prüfung durch das Gericht dokumentiert, es dem Empfänger nicht, die Echtheit der Signatur auch seinerseits zu überprüfen. Deshalb ist die mit der Formvorschrift zu erfüllende Verifikationsfunktion der qualifizierten elektronischen Signatur in einem solchen Fall nicht gewahrt.
Demzufolge ist es hinzunehmen, dass bis zu dem am 17. Juli 2024 erfolgten Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch zivilprozessualen - und wegen § 130d ZPO zwingend elektronischen - Schriftsatz eines Rechtsanwalts gegenüber einer anwaltlich nicht vertretenen Naturalpartei, die keine Zustimmung im Sinne des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO erteilt hat, nicht formwirksam erklärt werden kann. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kündigungsmöglichkeiten ist damit nicht verbunden, da die Kündigung in der genannten Konstellation auch während eines Räumungsprozesses ohne Weiteres außergerichtlich unter Wahrung der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB erfolgen und der diesbezügliche Vortrag sodann durch elektronischen Schriftsatz in den Prozess eingeführt werden kann.
C. Kontext der Entscheidung
Mit einer weiteren Entscheidung vom selben Tag hat der Senat die Konstellation zu beurteilen gehabt, dass in einem elektronischem Schriftsatz ebenfalls die außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückstands erklärt worden war, wobei der Schriftsatz durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin namentlich gekennzeichnet sowie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten durch das Amtsgericht elektronisch übermittelt worden war (BGH, Urteil vom 27. November 2024 – VIII ZR 155/23). Das Berufungsgericht hatte die Schriftform als nicht gewahrt angesehen. Die Weiterleitung durch das Gericht an den Kündigungsempfänger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten reiche für den erforderlichen Zugang des qualifiziert elektronisch signierten Dokuments selbst dann nicht aus, wenn der Schriftsatz seitens des Gerichts per beA zugestellt werde, weil die Legitimationswirkung der Absendersignatur nur gegenüber dem Gericht und nicht - wie gesetzlich gefordert - gegenüber dem Empfänger des Schriftstücks bestehe (LG Bonn, Urteil vom 29. Juni 2023 – 6 S 97/22 –, Rn. 17). Dem tritt der Senat entgegen: Anders als die in § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 ZPO vorgesehene Einreichung eines elektronischen Dokuments über einen sicheren Übermittlungsweg, die an das Verhältnis von Absender und erstem (unmittelbaren) Empfänger anknüpft, ist eine qualifizierte elektronische Signatur in dem Sinne verkehrsfähig, dass ihre Validierung (Art. 32, 33 eIDAS-VO) nicht nur für den ersten Empfänger möglich ist, sondern auch für Dritte, denen das elektronische Dokument mitsamt der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch weitergeleitet wird. Daher kann ein wirksam qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsatz grundsätzlich unter Aufrechterhaltung der gültigen und prüfbaren elektronischen Signatur elektronisch vom Gericht an den gegnerischen Prozessbevollmächtigten oder - im Fall des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO - auch an den Gegner persönlich übermittelt werden (BGH, Urteil vom 27. November 2024 – VIII ZR 155/23 –, Rn. 32).
D. Auswirkungen für die Praxis
Mit dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am 17. Juli 2024 ist eines der praktischen Probleme gelöst worden, die sich in Folge des obligatorischen elektronischen Rechtsverkehrs gestellt haben. Weiter einer Lösung bedarf die Frage, wie Schriftstücke zu behandeln sind, die in einem Anwaltsprozess in der mündlichen Verhandlung dem Gericht überreicht werden (dazu zuletzt: Übergabe in Papierform genügt nicht, Anwaltsgerichtshof München, Urteil vom 13. November 2024 – BayAGH I - 5 - 9/23 –, Rn. 48, unter Bezug auf BGH, Beschluss vom 28. März 2024 – AnwZ (Brfg) 3/24 –, Rn. 4: Einreichung per Boten). Unbefriedigend in der forensischen Praxis ist schließlich die Beteiligung von Sachverständigen an Prozessen, die weiterhin Gutachten in Papierform zu den Gerichtsakten reichen. Die Auffassung des OLG Hamm, nach dem öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige gem. § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO verpflichtet sind, ein elektronisches Postfach zu eröffnen, das für die elektronische Zustellung von elektronischen Dokumenten durch das Gericht auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO geeignet ist, ist leider – soweit ersichtlich - in der Praxis ohne Folgen geblieben (OLG Hamm, Beschluss vom 1. Juli 2024 – I-22 U 15/24).
Kostenentscheidung gem. § 494a ZPO
1. Eine Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nicht statthaft, wenn die Hauptsacheklage zwar nicht innerhalb der gemäß § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist, aber noch vor Erlass der Kostenentscheidung rechtshängig geworden ist.
2. Die Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage während des Beschwerdeverfahrens über die Kostenentscheidung gem. § 494a Abs. 2 ZPO ist zu berücksichtigen. Die Kostenentscheidung ist dann auf die Beschwerde hin aufzuheben und der Kostenantrag zurückzuweisen. Es kommt in dieser Konstellation in Betracht, dass der Beschwerdeführer gem. § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
3. Für die Rückwirkung einer Zustellung gem. § 167 ZPO muss der Kläger innerhalb einer Frist von jedenfalls nicht deutlich mehr als zwei Wochen den angeforderten Vorschuss zahlen. Diese Frist wird nicht dadurch verlängert, dass der Kläger auf eine Zahlung seiner Rechtsschutzversicherung wartet.
OLG Hamm, Beschluss vom 5. Dezember 2024 – 22 W 12/23
A. Problemstellung
Das OLG Hamm hatte die Frage zu klären, ob im selbständigen Beweisverfahren eine auf Antrag des Antragsgegners ergangene Kostenentscheidung gem. § 494a Abs. 2 ZPO aufzuheben ist, wenn die Hauptsacheklage zwar nicht innerhalb der gemäß § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist, sondern erst während des Beschwerdeverfahrens über die Kostenentscheidung rechtshängig geworden ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In einem selbständigen Beweisverfahren hat das Gericht mit Beschluss vom 13.01.2023 den Antragstellern auf Antrag der Antragsgegner Frist zur Klageerhebung binnen vier Wochen ab Zustellung gesetzt. Der Beschluss wurde den Antragstellern am 20.01.2023 zugestellt. Am 17.02.2023 haben die Antragsteller das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht. Eine Zustellung der Klage erfolgte zunächst nicht, weil der Vorschuss nicht gezahlt wurde. Mit Beschluss vom 24. Februar 2023 hat das Landgericht den Antragstellern die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens auferlegt. Die Antragsteller erstreben mit der Beschwerde die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und - konkludent - die Zurückweisung des Kostenantrags der Antragsgegner. Mit Beschluss vom 20.04.2023 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Am 03.05.2023 wurde die Klage in der Hauptsache zugestellt.
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Nachdem zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung eine rechtshängige Hauptsacheklage vorliegt, ist für den Erlass einer Kostenentscheidung kein Raum mehr. Denn nach dem jetzigen Sach- und Streitstand dürfte - im Unterschied zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung und der Abhilfeentscheidung - der angefochtene Kostenbeschluss nicht mehr ergehen:
Die Entscheidung des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss erging zum damaligen Zeitpunkt rechtmäßig. Den insoweit nach § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlichen Antrag auf Erlass einer Kostengrundentscheidung haben die Beschwerdegegner gestellt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kommt es für die Anordnung nach § 494a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO nicht auf die bloße Anhängigkeit durch Einreichung der Klageschrift an. Vielmehr ist mit dem Begriff der "Klageerhebung" die Zustellung der Klageschrift, die die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet, gemeint. Die Zustellung ist - unstreitig - erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses erfolgt. Es kommt vorliegend auch keine Rückwirkung einer zu bewirkenden Zustellung gemäß § 167 ZPO in Betracht. Danach wirkt die Zustellung der Klageschrift auf den Zeitpunkt der Einreichung zurück, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Das erfordert, dass die Partei alles Zumutbare veranlasst, damit die Zustellung ohne Verzögerung ausgeführt werden kann. Eine auf Nachlässigkeit der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten zurückzuführende Verzögerung von zwei Wochen ist als geringfügig zu betrachten. Jedenfalls eine Verzögerung von 18 Tagen ist schädlich. Zwar mögen die Beschwerdeführer nicht gehalten gewesen sein, mit der Einreichung der Klage auch zugleich - etwa per elektronischer Kostenmarke - einen Kostenvorschuss einzuzahlen. Sie durften vielmehr die Aufforderung des Gerichts zur Anforderung dieses Vorschusses abwarten, jedenfalls, wenn es wie hier um einen kurzen Zeitraum geht. Allerdings hätten die Beschwerdeführer nach Erhalt der Kostenrechnung - nach deren Vortrag am 17.03.2023 - den Kostenvorschuss zeitnah, d.h. innerhalb eines Zeitraums einzahlen müssen, der jedenfalls nicht deutlich über zwei Wochen liegt. Dies war nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller nicht der Fall. Vielmehr ist der Vorschuss erst nach mehr als zweieinhalb Wochen eingezahlt worden und war zum Zeitpunkt des Erlasses des landgerichtlichen Nichtabhilfebeschlusses am 20.04.2023 - unstreitig - noch nicht eingegangen. Eine Überschreitung der Einzahlungsfrist von zwei Wochen um vier Tage mithin insgesamt von 18 Tagen ist nicht mehr als "geringfügig" im genannten Sinne anzusehen, zumal die gesetzte Frist zur Klageerhebung von vier Wochen nach dem 20.01.2023 und damit weit vor dem Einzahlungszeitpunkt abgelaufen war. Der Verweis der Beschwerdeführer darauf, dass sie eine Zahlung ihrer Rechtsschutzversicherung abgewartet hätten, vermag sie insoweit nicht zu entlasten. Denn die Einschaltung des Rechtsschutzversicherers berührt grundsätzlich die an den Kläger zu stellenden Anforderungen nicht, alles ihm Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage zu tun. Sonst träte eine nicht zu rechtfertigende Besserstellung der rechtsschutzversicherten Partei ein.
Mittlerweile ist die Klage aber rechtshängig. Ausgehend von dem allgemeinen Grundsatz des Beschwerdeverfahrens, dass nach den § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO das Beschwerdegericht regelmäßig nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung entscheidet und neu entstandene Tatsachen oder neuer Vortrag anders als bei § 531 Abs. 2 ZPO ohne weiteres zu berücksichtigen sind, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat folgt nicht der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass trotz einer späteren Klageerhebung der Beschluss nach § 494 a Abs. 2 S. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufgehoben werden kann (Nachweise Rn. 20). Es gibt keinen Anlass von dem Grundsatz der Berücksichtigung von neuen Tatsachen in einem Beschwerdeverfahren gegen einen Kostenbeschluss gem. § 494 a Abs. 2 S. 1 ZPO abzuweichen. Vielmehr folgt aus dem Zweck der Vorschrift des § 494 a ZPO, dass eine Abänderung der Kostenentscheidung im Beschwerdewege zuzulassen ist, wenn die Hauptsacheklage erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens rechtshängig wird. Zweck des § 494 a ZPO ist es, dem Verfahrensgegner in dem selbstständigen Beweisverfahren die Möglichkeit zu geben, eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten zu erwirken, wenn der Antragsteller, etwa nach einem für ihn nachteiligen Ausgang des selbstständigen Beweisverfahrens, kein Hauptsacheverfahren anstrengt. Nachdem die Antragsteller das Hauptsacheverfahren rechtshängig gemacht haben, haben die Antragsgegner kein rechtliches Interesse mehr an dem Erlass eines isolierten Kostenbeschlusses. Denn über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens wird im Hauptsacheverfahren entschieden werden, weil sie Kosten dieses Verfahrens darstellen. Die Antragsteller können das Hauptsacheverfahren auch nicht beenden, ohne dass die Antragsgegner für eine Kostengrundentscheidung Sorge tragen können, etwa bei einer Klagerücknahme durch einen Kostenantrag gem. § 269 Abs. 4 ZPO. Ein anderes Verständnis von § 494 a Abs. 2 ZPO führte dazu, dass der Richter, der über die Hauptsache zu entscheiden hat, selbst bei einer entgegenstehenden materiellen Rechtslage an eine im selbstständigen Beweisverfahren ergangene bestandskräftige Entscheidung gebunden wäre, die an die bloße Fristüberschreitung anknüpft. Dieses Ergebnis widerspräche dem gesetzgeberischen Zweck des § 494a ZPO, weil maßgebend für die isolierte Kostenentscheidung nicht die gesetzte Frist, sondern das Unterlassen der Klageerhebung ist, welches den Antragsgegner ohne die Anordnung des § 494a Abs. 2 ZPO gravierend benachteiligte.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 Abs. 2 ZPO. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass bei Erlass der angefochtenen Entscheidung und des Nichtabhilfebeschlusses die Beschwerde noch unbegründet war und diese erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens begründet geworden ist.
C. Kontext der Entscheidung
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe ist eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO dann berechtigt, wenn zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung über den Antrag im selbständigen Beweisverfahren zwischen den Parteien die Hauptsacheklage noch nicht rechtshängig ist. Eine Klageerhebung nach Erlass der Kostengrundentscheidung soll daran nichts mehr ändern. § 494a Abs. 2 ZPO knüpfe die Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens entscheidend daran an, ob der Antragsteller der Anordnung zur Klageerhebung bis zur erstmaligen Entscheidung über die Kosten nachgekommen ist. § 494a Abs. 2 ZPO spreche unter diesen Voraussetzungen eine für das Gericht bindende Rechtsfolge aus, die keinem Ermessen unterliegt. Mit der Beschwerde könne lediglich überprüft werden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 494a Abs. 2 ZPO zum Zeitpunkt der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts vorgelegen haben (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. März 2008 – 19 W 4/08 –, Rn. 8). Dem hat sich – ohne eigene Begründung – das OLG Koblenz angeschlossen. Wird die Klage erst nach einem gemäß § 494 a Abs. 2 S. 1 ZPO ergangenen Kostenbeschluss erhoben, könne dieser Beschluss, selbst im Beschwerdeverfahren, nicht mehr aufgehoben werden (OLG Koblenz, Beschluss vom 27. Februar 2015 – 3 W 99/15 –, Rn. 8). Dieser – den Prüfungsmaßstab des § 571 Abs. 1 ZPO contra legem einschränkenden - Auffassung ist bereits ein anderer Zivilsenat des OLG Hamm zu Recht entgegengetreten. Wenn aufgrund der - noch vor endgültiger Entscheidung über den Kostenantrag gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO - eingetretenen Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage sichergestellt sei, dass in diesem Hauptsacheverfahren eine Entscheidung auch über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ergeht, entfällt seiner Auffassung nach das rechtliche Interesse des Prozessgegners an einer isolierten Kostenentscheidung in dem selbständigen Beweisverfahren (OLG Hamm, Beschluss vom 18. April 2024 – I-24 W 5/24 –, Rn. 16). Zu Recht weist das OLG Köln darauf hin, dass die vom OLG Karlsruhe vertretene Auffassung dem allgemeinen Grundsatz des Rechtsmittelrechts widerspricht, wonach das Beschwerdegericht regelmäßig nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung entscheidet. Es bestehe auch keine Veranlassung, in der in Rede stehenden Fallgestaltung von diesem Grundsatz abzuweichen: Nicht nur lasse der Wortlaut des § 494a Abs. 2 ZPO es ohne weiteres zu, die angeordnete Klageerhebung im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zu prüfen. Sinn und Zweck der Regelung sprächen maßgeblich hierfür. Denn die isolierte Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren knüpfe an das Unterlassen der Klageerhebung, nicht aber an die Einhaltung der für diese bestimmten Frist an; eine an die bloße Fristversäumung geknüpfte Erstattungspflicht ohne Berücksichtigung der materiellen Rechtslage sei nicht mehr gerechtfertigt, wenn das Hauptsacheverfahren rechtshängig ist und dort über die Kosten unter Berücksichtigung des materiellen Rechts entschieden wird (OLG Köln, Beschluss vom 4. Januar 2022 – I-11 W 50/21 –, Rn. 12). Folgt man der überzeugenden Argumentation der OLG Hamm und Köln, stellt sich auch ein Folgeproblem nicht. Denn es ist ungeklärt, in welchem Verhältnis ein – nach verfristeter Klageerhebung – ergangener Beschluss nach § 494a Abs. 2 ZPO zu einer entgegenstehenden Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren steht.
D. Auswirkungen für die Praxis
„Die Regelung des § 494a ZPO ist nicht wirklich durchdacht sowie ziemlich unvollständig und hat sich in der Praxis als weitestgehend unzureichend erwiesen.“ (Herget MDR 2016, 943). Dieser Befund ist nach wie vor gültig, wie der besprochene Beschluss zeigt. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (OLG Hamm, Beschluss vom 5. Dezember 2024 – I-22 W 12/23 –, Rn. 27). Erfreulicher Weise ist die Rechtsbeschwerde auch eingelegt worden, so eine Klärung durch den BGH in absehbarer Zeit zu rechnen ist (BGH X ARZ 579/24). Auch wenn damit ein Teilaspekt des selbständigen Beweisverfahrens dem Streit entzogen werden dürfte, ändert sich nichts daran, dass sich das selbständige Beweisverfahren in der Praxis nicht bewährt hat. Die vom Gesetzgeber angestrebte schnelle Klärung von Beweisfragen und die anschließende gütliche Einigung der Beteiligten, tritt im Regelfall nicht ein, zumal wenn die Verfahren – wie in Bausachen der Regelfall – durch Streitverkündungen und die anschließende Beteiligung von Streithelfern – häufig die Subunternehmer des Antragsgegners – aufgebläht werden.
KG: Anwendungsbereich von § 650f BGB
1. § 650 f BGB findet auf einen typengemischten Vertrag Anwendung, wenn er jedenfalls seinem Schwerpunkt nach ein Bauvertrag ist. Für diese Einordnung kommt es nicht auf die quantitative Bewertung der einzelnen Leistungen, sondern eine qualitative Gesamtbeurteilung an.
2. Richtet sich in einem Vertrag mit Elementen von Kauf- und Werkvertrag die Vergütung des Leistungserbringers – insbesondere ihre Fälligkeit – nach dem Werkvertragsrecht, so spricht dies dafür, auch den Sicherungsanspruch des Bauunternehmers aus § 650f auf den Vertrag anzuwenden.
KG Berlin, Beschluss vom 29. Oktober 2024 – 21 U 52/24
A. Problemstellung
Nach welchen Kriterien zu entscheiden ist, ob § 650f BGB auf einen typengemischten Vertrag Anwendung findet, hatte das Kammergericht zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten über die rechtliche Einordnung eines als „Werkvertrag über Bauleistungen als Pauschalvertrag“ bezeichneten Vertrags verbunden mit der Frage, ob die Vergütungsansprüche der Klägerin über § 650f BGB sicherbar sind. Die Parteien schlossen am 28.04.2021 einen Vertrag über die Elektroinstallation in einem Hochhaus-Neubau mit einem Pauschalfestpreis von 1.950.000,00 € netto. Das zugrundeliegende Leistungsverzeichnis umfasste auch Elektrobauteile, u.a. Beleuchtungsanlagen mit einem Nettopreis von 700.257,35 €, wovon auf 255 Stehlampen ein Betrag von 506.530,- € netto entfiel, sowie Niederspannungsinstallations-Geräte mit einem Preis von 404.567,43 € netto.
Das Landgericht hat der Klage auf Erbringung der Bauhandwerkersicherheit nach § 650 f BGB stattgegeben. Der Vertrag sei bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung als Werkvertrag einzustufen, weil der Schwerpunkt auf der Herstellung einer funktionsfähigen Elektroinstallation nebst Beleuchtungsanlage und nicht auf dem bloßen Erwerb von Beleuchtungsmitteln und Elektrobauteilen liege. Dieser Werkvertrag sei zudem als Bauvertrag iSv. § 650a Abs. 1 Satz 1 BGB einzuordnen, weil die Elektroinstallationsarbeiten zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Neubaus erforderlich und von wesentlicher Bedeutung seien. Die Klägerin könne deshalb für die nicht gezahlte Vergütung Sicherheit nach § 650f BGB verlangen. Die von der Beklagten im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung vorgenommenen Abzüge seien unberechtigt. Der Beklagten stehe kein Anspruch auf Zahlung einer Umlage wegen Baustellenkoordination in Höhe von 1 % der Nettoabrechnungssumme zu. Die in Ziff. IV.3. enthaltene Regelung verstoße als von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und sei unwirksam.
Das Kammergericht weist die Berufung – nach vorhergehendem Hinweis – durch Beschluss zurück. § 650f BGB findet auf den Vertrag insgesamt Anwendung. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt der Beklagten, wonach der Vertrag als typengemischter Vertrag anzusehen ist. Sofern in einem Vertrag unterschiedliche Leistungen vereinbart sind, ist die Frage, welche Rechtsnormen auf die aufgrund selbständiger Verpflichtungen erbrachten Leistungen anzuwenden sind, nach den Grundsätzen für gemischte oder zusammengesetzte Verträge zu beurteilen. Haben die Vertragsparteien keine ausdrückliche Abrede darüber getroffen, welche Rechtsvorschriften auf die einzelnen Teile ihrer vertraglichen Abreden anzuwenden sind, ist bei der Beurteilung maßgeblich auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, auf die Interessenlage der Vertragsparteien sowie auf Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarungen abzustellen Die Würdigung dieser Aspekte führt dazu, dass auf den gesamten Vertrag Werkvertragsrecht anzuwenden ist. Die Vereinbarungen der Vertragsparteien sind hier nicht so zu verstehen, dass es sich bei der Verpflichtung, die Elektroinstallation im Neubau für die gesamte Einheit funktionsfähig und vollständig zu erstellen, und der Verpflichtung zur Lieferung von Leuchtmitteln um abgrenzbare und selbstständig zu behandelnde Vertragsteile handelt. Aus dem Vertrag lässt sich gerade nicht herleiten, dass die Klägerin unabhängig von ihrer Werkleistung eine weitere selbstständige Hauptleistung übernahm. Vielmehr war die Lieferung von Material und Leuchtmitteln lediglich die Voraussetzung dafür, dass die Klägerin ihren werkvertraglichen Pflichten nachkommen konnte, die in der funktionsfähigen Neuerrichtung der Elektroinstallation in einem Neubau vom Erdgeschoss bis zum 4. OG bestand. Um zu bestimmen, welche der beiden Leistungen - Neuerrichtung der Elektroinstallation einerseits und die Lieferung von Leuchtmitteln andererseits - entscheidend für die Vertragsnatur ist, kommt es nicht auf eine quantitative Bewertung der unterschiedlichen Vertragsbestandteile an (soweit sie anhand der Preisvereinbarung überhaupt möglich ist), sondern auf eine qualitative Beurteilung. Bei dieser hat die Erreichung des funktionalen Werkerfolgs den Vorrang. Denn die Klägerin verpflichtete sich zur Erstellung der Elektroinstallation nicht unabhängig von der Lieferung der Leuchtmittel. Vielmehr war die Neuerrichtung der Elektroinstallation so auszurichten, dass die Einbindung der zu liefernden Leuchtmittel in der ganzen Einheit funktionstüchtig gewährleistet war. Der Schwerpunkt der Leistung liegt deshalb in der Herstellung eines funktionstüchtigen Werks.
Die Interessen der Klägerin als Auftragnehmerin sind nicht gewahrt, wenn kaufvertragliche Elemente aus dem einheitlichen Vertrag herausgelöst und insoweit die Anwendung werkvertraglicher Regelungen versagt werden. Hierdurch würden die Interessen der beklagten Auftraggeberin einseitig in nicht angemessener Weise privilegiert. Denn nach den Vereinbarungen der Parteien ist die gesamte Zahlung dem Werkvertragsrecht und der VOB/B unterstellt, so dass eine Zahlung – auch für die kaufvertraglichen Bestandteile des Vertrags – erst mit der Abnahme bzw. der Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung fällig wird. Eine Teilabnahme haben die Parteien gerade nicht vereinbart. Im Gegensatz dazu sehen die Regelungen des Kaufvertragsrechts gemäß § 433 Abs. 1 und 2 BGB eine Zahlungspflicht Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung sowie die Möglichkeit eines Eigentumsvorbehalts gemäß § 449 BGB vor. Es ist nach dem Vertrag nicht ersichtlich, dass die Parteien für irgendeinen Leistungsteil abweichende Zahlungsmodalitäten zu den im Übrigen geltenden Regelungen vereinbaren wollten. Es entspricht nach den vertraglichen Regelungen ganz offenbar nicht dem Interesse des Auftragnehmers, auf die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts und den Schutz des § 650f BGB hinsichtlich eines wertmäßig beträchtlichen Teils des Pauschalpreises zu verzichten. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessenlagen wird auch durch die vereinbarte Vorauszahlung in Höhe von 10 % der Nettoauftragssumme und die Möglichkeit von Abschlagszahlungen kein angemessener Ausgleich zugunsten des Auftragnehmers hergestellt, weil diese Zahlungen im Gegensatz zu einer Kaufpreiszahlung lediglich vorläufig sind. Das Interesse des Auftraggebers, für die Vergütung der kaufvertraglichen Elemente des Vertrags keine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB leisten zu müssen, ist nicht schutzwürdig, wenn es sich wie hier um einen einheitlichen Pauschalfestpreis handelt, bei dem die Personalkosten im Zuge der Herstellung des Werks in den Einheitspreisen enthalten sind. Beide Teile des Vertrages sind schon aus kalkulatorischen Gründen untrennbar. Das Gesamtgepräge des Vertrags stellt ein einheitliches Ganzes dar und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Lieferung und der Erwerb der Stehlampen für die Herbeiführung des Werkerfolgs im Übrigen nicht erforderlich gewesen sei, trifft dies nicht zu. Denn die Parteien haben gerade vereinbart, dass die Leistungspflicht der Klägerin in der Elektroinstallation unter Einbindung dieser Leuchtmittel bestand. Das von der Klägerin geschuldete funktionstüchtige Elektroinstallationssystem war auf die Integration dieser Bestandteile ausgerichtet.
Die Beklagte ist nicht berechtigt, Abzüge wegen der Umlage für die Baustellenkoordination vorzunehmen, weil Ziff. IV.3 des Vertrags gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt. Die Umlageregelung stellt eine AGB iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Die Darlegungs- und Beweislast, dass die vertraglichen Regelungen zwischen den Parteien inhaltlich und der Höhe nach individuell verhandelt wurden, trägt die Beklagte als Verwenderin. Aushandeln gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB erfordert mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter besonderen Umständen kann eine Vertragsklausel auch dann als Ergebnis eines Aushandelns gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt. Dass die Höhe der Pauschale für eine Kostenbeteiligung an der Beseitigung von Bauschutt durch eine handschriftliche Ergänzung des vorgedruckten Textes festgelegt wurde, nimmt der Klausel nicht ihren Charakter als AGB. Zwar können nachträgliche Änderungen im Vertragstext ein Indiz für eine Individualvereinbarung sein. Vorliegend sind in Ziff. 11.2-4 auch handschriftliche Streichungen und Änderungen eingetragen. Die in Rede stehende Umlage für Baustellenkoordination ist aber gerade nicht handschriftlich verändert. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Beklagte diese Regelung vollumfänglich zur Disposition gestellt und mit der Klägerin ausverhandelt hat. Dies erscheint zwar möglich, weil die benachbarten Regelungen abgeändert wurden. Hierauf lässt sich aber nicht zwingend schließen. Den handschriftlichen Änderungen an anderer Stelle kann ebenso gut die indizielle Bedeutung zukommen, dass die unveränderten Textpassagen zwischen den Parteien gar nicht angesprochen wurden. Die Regelung ist als AGB auch inhaltlich gemäß §§ 307 ff. BGB überprüfbar. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nur Bestimmungen in AGB, die keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten, von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Das gilt insbesondere für vertragliche Vereinbarungen betreffend Leistung und Gegenleistung, die von den Vertragsparteien nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden können. Allerdings führt die bloße Einstellung einer Klausel in ein Regelwerk, das Preise für Einzelleistungen bei der Vertragsabwicklung festlegt, noch nicht dazu, dass die einzelne Klausel als unselbständiger Bestandteil einer "Gesamtpreisabsprache" jeder Kontrolle entzogen ist. Der klare Wortlaut des Gesetzes (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) verlangt auch dann eine Prüfung, ob die Klausel lediglich deklaratorische Wirkung hat oder ob sie Rechtsvorschriften ergänzt, indem sie etwa ein Entgelt festlegt, obwohl eine Leistung für den Vertragspartner nicht erbracht wird. Der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition des Verwenders von AGB. Daher ist ohne Rücksicht auf die Preisstruktur insgesamt und die Beschaffenheit der sonstigen Einzelpreise zu überprüfen, ob der streitigen Klausel eine echte (Gegen-)Leistung zugrunde liegt oder ob es sich um eine kontrollfähige (Preisneben-)Abrede handelt, die zwar (mittelbare) Auswirkungen auf Preis und Leistung hat, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegt die Klausel der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Die Regelung der Kostenbeteiligung in Ziffer IV.3. des Verhandlungsprotokolls hält einer Inhaltskontrolle nicht stand, vielmehr ist eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin anzunehmen. Denn die Regelung weicht von den wesentlichen Grundgedanken aus § 634 BGB bzw. § 13 Abs. 5 VOB/B ab und belastet die Klägerin mit einem Pauschalabzug unabhängig von ihrem Verursachungsbeitrag.
C. Kontext der Entscheidung
Verpflichtet sich ein Unternehmer zur Lieferung und Montage einer Sache, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses als Werkvertrag oder als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung darauf an, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten. Liegt der Schwerpunkt dagegen auf der Montage- und Bauleistung, etwa auf Einbau und Einpassung einer Sache in die Räumlichkeit, und dem damit verbundenen individuellen Erfolg, liegt ein Werkvertrag vor (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 19/18 –, Rn. 19). Entscheidend ist, ob der Schwerpunkt der geschuldeten Leistung auf der Verschaffung von Eigentum und Besitz oder der Erzielung eines Erfolgs liegt. Das Gesetz mildert diese Problematik insofern ab (Grundwald in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, vor § 433 Rn. 21), als nach § 650 Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen Vertrag, der zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen verpflichtet (Werklieferungsvertrag), Kaufrecht zur Anwendung kommt. Soweit nicht vertretbare Sachen (§ 91 BGB) geschuldet sind, verweist § 650 Abs.1 Satz 3 BGB teilweise wieder auf Werkvertragsrecht. Bei einem Vertrag, dessen Gegenstand Standardware ist, die von dem Fachgroßhändler für den Baubedarf listenmäßig angeboten wird und der keine Herstellungspflicht zum Inhalt hat, handelt es sich aus der maßgeblichen Sicht des Bestellers um einen Kaufvertrag und nicht um einen Werklieferungsvertrag (BGH, Urteil vom 2. April 2014 – VIII ZR 46/13).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Frage, welche Kriterien für die Beurteilung des Wertverhältnisses zwischen den geschuldeten Sachen und dem Wert der Montage maßgeblich sind, ist in Literatur und Rechtsprechung weitgehend ungeklärt. Dieselbe Unsicherheit besteht bei dem für die geschuldete Leistung erforderlichen Anteil der Planungsleistung (Thode, jurisPR-PrivBauR 2/2019 Anm. 4 mwN.). Wollen die Vertragspartner angesichts der Unsicherheit, ob Kauf- oder Werkvertragsrecht anzuwenden ist, Klarheit schaffen, können sie dies durch vertragliche Gestaltung tun. Die bloße Bezeichnung des Vertragstyps etwa als Werkvertrag reicht sicherlich nicht aus. Die Parteien müssen die charakteristischen Elemente eines Werkvertrages ausdrücklich zum Vertragsbestandteil machen, wie etwa Mitwirkungspflichten des Bestellers, Verfahren zur Änderung der ursprünglich vereinbarten vertraglichen Leistung, Prüf- und Abnahmeverfahren als Voraussetzung für die Zahlungspflicht, Qualifikation und zum Austausch von Mitarbeitern oder Einsatz von Subunternehmern etc. Die Wahl des Vertragstyps Werkvertrag darf für den Vertragspartner keine unangemessene Benachteiligung darstellen (Geisler, jurisPR-BGHZivilR 16/2018 Anm. 1).
BGH: Kein Rücktritt vom Rücktritt
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war.
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2024 – IX ZR 28/23
A. Problemstellung
Unter welchen Voraussetzungen das rechtliche Gehör einer Partei verletzt ist, weil das Gericht deren Vortrag in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich berücksichtigt hat, hatte der IX. Zivilsenat in einem Anwaltshaftungsprozess zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Juni 2013 ein Haus unter Gewährleistungsausschluss zu einem Kaufpreis von 230.000 €. Am 16. Januar 2014 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit der Beratung und Vertretung gegenüber dem Verkäufer wegen Gewährleistungsansprüchen. Mit Schreiben vom 1. Juli 2014 erklärte die Beklagte namens der Klägerin gegenüber dem Verkäufer wegen 17 arglistig verschwiegener Mängel, u.a. wegen eindringender Feuchtigkeit, "Anfechtung und Rücktritt vom Vertrag". In einem sodann eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren stellte der Sachverständige Feuchtigkeitsschäden fest und schätzte den Aufwand für die erforderliche Erneuerung der Ringdrainage, der Abdichtung der Bodenplatte und der Sanierung der Klinkerfensterbänke auf 27.013 € brutto. Nicht Gegenstand des Sachverständigengutachtens war die weitere Behauptung der Klägerin, die Heizungsanlage funktioniere kaum oder gar nicht, was dem Verkäufer als langjährigem Nutzer des Kaufobjekts bekannt gewesen sei. Der Kostenaufwand für eine Reparatur betrage 11.219,82 €.
Bei anschließenden Vergleichsverhandlungen zeigte sich der Verkäufer allein zu einer Rückabwicklung bereit, da ein Rücktritt vom Rücktritt nicht möglich sei. Die Klägerin behauptet, sie habe eine Rückabwicklung des Vertrags nicht gewollt. Ihr Ziel sei gewesen, das Haus zu behalten und die Kosten für eine Beseitigung der Mängel zu erlangen. Infolge der Erklärung der Beklagten vom 1. Juli 2014 könne sie diese vom Verkäufer nicht mehr verlangen. Sie begehrt die Zahlung von 27.013 € nebst Zinsen sowie u.a. die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden. Die Klage blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Beklagte Beratungspflichten verletzt habe; es fehle jedenfalls an einem Schaden der Klägerin. Selbst wenn das Objekt mangelhaft gewesen sein sollte, stehe den geltend gemachten Gewährleistungsrechten auf Nachbesserung und (kleinen) Schadensersatz der vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass der Verkäufer Mängel arglistig verschwiegen habe. Das Berufungsgericht hat für seine Überzeugungsbildung Beweis zu den Angaben des Verkäufers im Rahmen der Besichtigung des Verkaufsobjekts im Vorfeld des Kaufs durch Einvernahme des Verkäufers und eines weiteren bei der Besichtigung anwesenden Zeugen erhoben und die Klägerin informatorisch angehört. Es würdigt eingehend die Aspekte Feuchtigkeit im Keller, Verwendung von ungeeigneten Drainagerohren, die von Bauplänen abweichende Bauausführung, Ausblühungen an den Fensterbänken, Anschlüsse im Bad und Erfordernis einer Hebebühne. Zusammenfassend kommt es zum Ergebnis, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin umfassend Gelegenheit gehabt habe, sich über das Objekt - auch unter Hinzuziehung sachverständiger Hilfe - zu informieren, und dass der Verkäufer ihre Fragen nach seinem Kenntnisstand beantwortet habe. Falsche Angaben in Kenntnis ihrer Unwahrheit hätten sich nicht nachweisen lassen. Anhaltspunkte für ein bewusstes Verschweigen hätten sich nicht ergeben, zumal auch die Klägerin bestätigt habe, dass über bestimmte Aspekte (Wasserschaden wegen der Heizung, Abdichtung, Ausbaufähigkeit des Bades) gesprochen worden sei.
Das angegriffene Urteil verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, soweit der Feststellungsantrag abgewiesen wurde. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dabei ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor. Das Berufungsgericht befasst sich in seinen Entscheidungsgründen nicht mit dem Aspekt der mangelnden Funktionstauglichkeit der Heizung. Dieser Aspekt stellte - neben der Frage der ordnungsgemäßen Abdichtung der erworbenen Immobilie - bereits erstinstanzlich einen zentralen Angriffspunkt der Klägerin dar. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihn ausdrücklich aufrechterhalten. Auch seinem Gewicht nach ist der Mangel von hervorgehobener Bedeutung, da die veranschlagten Mängelbeseitigungskosten 11.219,92 € betragen. Die Beweisaufnahme und -würdigung befasst sich mit der Heizung jedoch ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, dass ihre Leckage eine mögliche Ursache der im Keller befindlichen Feuchtigkeit bildete. Nicht nachgegangen ist das Berufungsgericht der unter Beweis gestellten Behauptung, die Heizung schließe einen ordnungsgemäßen Heizbetrieb in den Wintermonaten aus, weil sie entweder gar nicht oder unter voller Leistung laufe und eine Regulierung kaum oder gar nicht möglich sei, dies könne dem Verkäufer während dessen jahrelanger Eigennutzung der Immobilie nicht entgangen sein. Auch in der Würdigung der Aussage des Verkäufers findet sich keine Auseinandersetzung mit Funktionsmängeln der Heizung, während sich das Berufungsgericht mit den Angaben des Verkäufers zu den sonstigen behaupteten Mängeln detailliert auseinandersetzt.
Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin ihre Beratungspflichten verletzt hat. Revisionsrechtlich ist daher zu unterstellen, dass die Beklagte "Anfechtung und Rücktritt" erklärte, ohne dass die Klägerin hinreichend über die Rechtsfolgen der Gestaltungserklärung unterrichtet worden war, ferner, dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung gegen eine Ausübung der Gestaltungsrechte entschieden hätte. Hat die Beklagte wegen arglistig verschwiegener Mängel wirksam Anfechtung oder Rücktritt erklärt, kann die Klägerin vom Verkäufer nicht mehr die Kosten für eine Mängelbeseitigung verlangen. Unterstellt, der Vorwurf arglistiger Täuschung greift durch, war die Klägerin berechtigt, den Vertrag anzufechten (§ 123 Abs. 1 BGB) oder den Rücktritt zu erklären (§ 437 Nr. 2, § 434 BGB), ohne dass es insoweit einer Nachfrist bedurfte; ein arglistig verschwiegener, die Funktion der Heizung beeinträchtigender Mangel ist, auch wenn die Mängelbeseitigungskosten nicht 5% des Kaufpreises erreichen, erheblich. Unabhängig davon, ob die Erklärung als Anfechtung oder Rücktritt auszulegen ist, hat sich die Klägerin mit der Erklärung von Anfechtung beziehungsweise Rücktritt unwiderruflich gegen ein Festhalten am Kaufvertrag entschieden. Nachbesserung und Schadensersatz, der auf Erstattung der notwendigen Kosten für eine Beseitigung der Mängel gerichtet ist, kann sie daher vom Verkäufer nicht mehr verlangen. Im Falle der Anfechtung ergibt sich dies daraus, dass durch sie das angefochtene Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 142 Abs. 1 BGB). Im Falle des Rücktritts wird das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 Abs. 1 BGB umgewandelt. Das schließt den Fortbestand von (Nach-)Erfüllungsansprüchen und damit auch den Anspruch auf kleinen Schadensersatz aus.
Die Klägerin kann die Kosten der Mängelbeseitigung auch nicht aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 280 Abs. 1, § 311 Abs. 1 BGB) oder Delikt (§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB) beanspruchen. Dieser Anspruch ist auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet, somit auf Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag. Zwar gestattet die Rechtsprechung dem Käufer, sich so stellen zu lassen, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertag zu einem günstigeren Preis abzuschließen, will der Käufer an dem Vertrag festhalten. Dann kann er den Betrag als Schaden ansetzen, um den er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Verkäufers den Gegenstand zu teuer erworben hat. Vorliegend hat sich die Klägerin jedoch mit der Abgabe der Gestaltungserklärung unwiderruflich gegen ein Festhalten am Vertrag entschieden.
Im Wege des Schadensersatzes ist die Klägerin so zu stellen, wie sie ohne Pflichtverletzung der Klägerin stünde. Ohne Pflichtverletzung hätte sie gegen den Verkäufer Ansprüche auf Nachbesserung oder entsprechenden Schadensersatz geltend machen können. Tatsächlich kann sie solche Ansprüche nicht geltend machen. Für den Verlust der Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Mängelbeseitigung gegen den Verkäufer haftet die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB. Jedenfalls nach derzeitiger Sachlage nicht in die Schadensberechnung einzustellen ist, ob und in welcher Höhe der Klägerin infolge der Erklärung Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB oder § 346 Abs. 1 BGB gegen den Verkäufer zustehen. Zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrags ist es infolge der Anfechtungs- und Rücktrittserklärung der Klägerin, deren Berechtigung der Verkäufer bestreitet, nicht gekommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Rückabwicklung noch erfolgen wird. Auf von der Beklagten pflichtwidrig begründete, von der Klägerin nicht gewollte Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufvertrages muss sich die Klägerin bei der Berechnung ihres Schadens nicht verweisen lassen.
C. Kontext der Entscheidung
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht seine Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen. Es darf ferner keine Erkenntnisse verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht muss aber den Parteien nicht mitteilen, wie es den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird. Es reicht in der Regel aus, wenn die Sach- und Rechtslage erörtert und den Beteiligten dadurch aufgezeigt wird, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung voraussichtlich von Bedeutung sein werden. Eine Gehörsverletzung kann jedoch vorliegen, wenn die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen konnten, auf welches Vorbringen es für die Entscheidung des Gerichts ankommen kann und wird (BGH, Beschluss vom 28. November 2012 – X ZB 6/11 –, Rn. 9 – 10 mwN.).
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Senat stellt ausdrücklich fest, dass ein arglistig verschwiegener, die Funktion der Heizung beeinträchtigender Mangel, auch wenn die Mängelbeseitigungskosten nicht 5% des Kaufpreises erreichen, erheblich ist (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2024 – IX ZR 28/23 –, Rn. 16). Die Vorschrift des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB enthält eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung des § 323 Abs. 1 BGB, die dem Gläubiger bei einer Pflichtverletzung des Schuldners generell ein Rücktrittsrecht einräumt. Diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis liegt eine Abwägung der Interessen des Gläubigers und des Schuldners zugrunde. Während der Gesetzgeber bei einer mangelhaften Leistung grundsätzlich dem Rückabwicklungsinteresse des Gläubigers den Vorrang einräumt, soll dies ausnahmsweise bei einer unerheblichen Pflichtverletzung nicht gelten, weil das Interesse des Gläubigers an einer Rückabwicklung bei nur geringfügigen Vertragsstörungen in der Regel gering ist, wohingegen der Schuldner oft erheblich belastet wird. Daher überwiegt in diesen Fällen ausnahmsweise das Interesse des Schuldners am Bestand des Vertrags. Bei typisierender Betrachtung scheidet ein überwiegendes Interesse des Schuldners jedoch aus, wenn dieser arglistig gehandelt hat. Wird der Abschluss eines Vertrags durch arglistiges Verhalten einer Partei herbeigeführt, so verdient deren Vertrauen in den Bestand des Rechtsgeschäfts keinen Schutz. Vielmehr bleibt es in diesen Fällen bei dem allgemeinen Vorrang des Gläubigerinteresses an einer Rückabwicklung des Vertrags, ohne dass es hierzu einer weiteren Abwägung bedürfte (BGH, Urteil vom 24. März 2006 – V ZR 173/05 –, Rn. 13 mwN.).
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