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Bemessung der Vergütung nach § 650f Abs. 5 S. 2 BGB
1. Kündigt der Unternehmer den Bauvertrag, nachdem er dem Besteller erfolglos eine Frist zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung gesetzt hat, steht ihm eine Vergütung für erbrachte Leistungen nur insoweit zu, als er die Leistung tatsächlich erfüllt, also mangelfrei erbracht hat.
2. Zum Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel beschränken (zunächst) den Umfang des dem Unternehmer für die erbrachten Leistungen zustehenden Vergütungsanspruchs. Er hat insoweit die Wahl, entweder die Mängel zu beseitigen und die volle Vergütung zu erlangen, oder, sich ohne Mängelbeseitigung auf eine gekürzte Vergütung zu beschränken.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. November 2023 – I-5 U 33/23
- Problemstellung
§ 650f Abs. 5 Satz 2 BGB (früher: § 648a Abs. 5 BGB) bestimmt, dass der Unternehmer nach Kündigung wegen nicht gestellter Sicherheit berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt. Wie zum Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel bei der Bemessung der Vergütung zu berücksichtigen sind, hatte das OLG Düsseldorf zu entscheiden.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Restwerklohn nach Kündigung für die Herstellung eines Wärmedämmverbundsystems an dem Mehrfamilienhaus des Beklagten in Gesamthöhe von 7.668,28 Euro. Nachdem der Beklagte eine ausstehende Sicherheit nicht geleistet hatte, setzte die Klägerin im September 2016 ihren Anspruch auf Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 Euro gerichtlich durch. Mit Schreiben vom 23.03.2017 kündigte die Klägerin sodann wegen der ausstehenden Sicherheitsleistung den Vertrag hinsichtlich etwaiger Restleistungen. Zugleich wies sie darauf hin, dass die Kündigung nicht die von dem Beklagten erhobenen Mängelrügen betreffe und auch nicht solche, welche während des Laufes der Gewährleistungsfrist noch auftreten könnten. Zugleich setzte die Klägerin dem Beklagten erneut eine Frist zur Stellung einer Sicherheit in Höhe von nunmehr 8.435,11 Euro. Nachdem der Beklagte diese nicht erbrachte, kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 20.04.2017 den Vertrag sodann auch hinsichtlich etwaiger Mängel- und Gewährleistungsansprüche. Sie ist der Ansicht gewesen, ihr stehe die volle Vergütung auch insoweit zu, als Mängel bestünden und sie letztlich nach ihrer zweiten, auf die Mängelbeseitigung bezogenen Kündigung keine Mängelbeseitigung mehr habe erbringen müssen und erbracht habe. Hierzu hat sie bestritten, aufgrund der nicht durchgeführten Arbeiten zur Mängelbeseitigung etwas erspart zu haben. Auch habe sie hierdurch keine Füllaufträge generieren können oder in ihren Auftragsbüchern bereits befindliche Aufträge vorziehen können. Vielmehr hätte sie die Mängelbeseitigung durch nicht ausgelastetes Personal durchführen lassen können. Bis auf Materialkosten in Höhe von insgesamt 430,00 Euro, die zudem auch nicht berechtigte Mängelrügen des Beklagten umfasst hätten, wäre die Mangelbeseitigung für sie kostenneutral gewesen. Der Beklagte hat in erster Instanz die Berechtigung der Klageforderung als solcher bestritten. Zudem hat er bestehende Mängel geltend gemacht und ist insoweit der Ansicht gewesen, dass jedenfalls die zur Mängelbeseitigung aufzuwendenden Kosten von einem eventuell ausstehenden Werklohn in Abzug zu bringen seien.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 6.198,28 Euro stattgegeben und sie wegen eines weiteren Betrages von 1.470,00 Euro abgewiesen. Die Klägerin müsse sich von dem ihr grundsätzlich gemäß § 648a Abs. 5 BGB a. F. vollständig zustehenden Werklohn in Höhe von 7.668,28 Euro wegen bestehender Mängel 1.470,00 Euro in Abzug bringen lassen. Sie habe den Vertrag nach Ablauf der zur Sicherheitsleistung gesetzten Frist gemäß § 648a Abs. 5 BGB a. F. wirksam gekündigt. Soweit sie eigentlich Leistungen zur Mängelbeseitigung geschuldet habe, seien diese nach der zweiten Kündigung nicht mehr zu erbringen gewesen; dies müsse sich die Klägerin gemäß § 648a Abs. 5 S. 2 a. F. BGB anrechnen lassen. Der Abzug bestehe, wenn eine Mängelbeseitigung möglich sei und nicht wegen unverhältnismäßig hoher Kosten verweigert werden könne, in Höhe des Aufwands, der für die Beseitigung des Mangels anfalle, ansonsten in Höhe des mangelbedingten Minderwerts des Werkes. Daher sei es nicht maßgeblich, ob die Klägerin etwaige anderweitige Füllaufträge akquiriert habe. Vielmehr müsse sich die Klägerin 1.470,00 Euro an objektiven Mangelbeseitigungskosten und als mangelbedingten Minderwert anrechnen lassen.
In der Berufungsinstanz beschränkt sich der Streit darauf, was im Rahmen einer Kündigung nach § 648a Abs. 5 BGB (jetzt: § 650f Abs. 5 BGB n. F.) bei bestehenden Mängeln nach erneutem erfolglosem Sicherheitsverlangen und hierauf gestützter weiterer Kündigung in Bezug auf zunächst bestehende Mängelrechte in Abzug zu bringen ist. Insoweit ist die Klägerin der Ansicht, es sei fehlerhaft, Abzüge in Höhe des mangelbedingten Minderwertes zu berücksichtigen. Berücksichtigungsfähig seien lediglich solche in Höhe der ersparten Aufwendungen sowie des anderweitigen (böswillig unterlassenen) Erwerbs. Diese Einschätzung teilt der Senat nicht. Der für bereits erbrachte Leistungen begründete Vergütungsanspruch bleibt bei Kündigung des Unternehmers nach § 648a Abs. 5 BGB durch im Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel beschränkt. Im Ergebnis gilt danach in Bezug auf die Vergütung des Unternehmers, dass zum Kündigungszeitpunkt vorhandene Mängel den Umfang seines ihm für die erbrachten Leistungen zustehenden Vergütungsanspruchs (zunächst) beschränken. Der Unternehmer hat insoweit die Wahl, entweder die Mängel zu beseitigen und die volle Vergütung zu erlangen oder sich aber ohne Mängelbeseitigung auf eine gekürzte Vergütung zu beschränken. Der Unternehmer kann auf diese Weise auch insoweit eine endgültige Abrechnung herbeiführen, als er seine Leistung mangelhaft erbracht hat. Umstritten ist, ob auch die Kürzung der Vergütung für die entfallene Mängelbeseitigung ihrerseits nach dem System des § 648a Abs. 5 S. 2 BGB - respektive § 650f Abs. 5 S. 2 BGB - zu ermitteln ist. Begründet wird diese Ansicht insbesondere damit, dass hinsichtlich der Mängelrechte eine weitere Kündigung erfolgt und dementsprechend die Regelungen insoweit ein weiteres Mal zur Anwendung zu kommen hätten (Nachweise Rn. 28). Nach anderer Ansicht erfolgt eine Berechnung wie im Abrechnungsverhältnis. Diese Ansicht wird damit begründet, dass dem Unternehmer nach einer Vertragskündigung gemäß § 648a Abs. 5 BGB hinsichtlich des Teils der bereits erbrachten Werkleistungen lediglich insoweit eine Vergütung zustehen kann, soweit er die Leistung tatsächlich erfüllt - also mangelfrei erbracht - hat. Im Ergebnis bedeute das, dass der Vergütungsanspruch um den infolge des Mangels entstandenen Minderwert zu kürzen ist, wenn sich der Unternehmer dazu entscheide, keine Mängelbeseitigung zu erbringen (Nachweise Rn. 29).
Dieser letztgenannten Ansicht schließt der Senat sich an. Die Möglichkeit des Unternehmers, eine endgültige Abrechnung herbeizuführen, hat der BGH zu § 648a BGB entwickelt: "Würde dem Unternehmer der uneingeschränkte Anspruch auf Vergütung eingeräumt, führte das dazu, dass er die volle Vergütung erhielte, obwohl seine Leistung mangelhaft ist. Dieses Ergebnis ist unangemessen. ... Dem Interesse des Unternehmers wird vielmehr in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Systematik ausreichend Rechnung getragen, wenn er sich von seiner Verpflichtung lösen und die geminderte Vergütung verlangen kann. ... Dem Unternehmer muss die Wahl bleiben, ob er den vollen Werklohn durchzusetzen will oder ob er die geminderte Vergütung in Anspruch nimmt. Hat er eine angemessene Nachfrist gesetzt und ist diese fruchtlos abgelaufen, kann er allerdings nur noch die geminderte Vergütung geltend machen." (BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 – VII ZR 183/02 –, Rn. 22). Diese Erwägungen gelten nach der Änderung des § 648a BGB fort. Insoweit kann keine entsprechende Anwendung des § 648a Abs. 5 S. 2 BGB in Betracht kommen, da dieser lediglich die Folgen für den infolge der Kündigung nicht erbrachten Leistungsteil nach Kündigung regelt, während demgegenüber vorliegend die Vergütung für erbrachte - aber mangelhafte - Leistungen in Frage steht. Soweit diese mangelhaft sind, sind sie weniger wert und entsprechend geringer zu vergüten. Entgegen der von der Klägerin angeführten Ansicht kann die Folge des "Wegkündigens" der Mängelansprüche damit weiterhin nicht darin liegen, dass der Unternehmer sich allein die ersparten Aufwendungen sowie (böswillig unterlassenen) anderweitigen Erwerb in Abzug bringen lassen muss. Begründet wird diese Ansicht damit, dass eine solche Rechtsfolge in § 648a Abs. 5 S. 2 BGB und dem Regelungszweck des Forderungssicherungsgesetzes, das den Unternehmer schützen solle, angelegt sei. Hierdurch sei die zu § 648a BGB in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung des BGH überholt. Diese Bewertung teilt der Senat nicht. Zutreffend ist insoweit, dass der vormals in § 648a BGB der damaligen Fassung enthaltene Verweis auf § 643 BGB nicht mehr herangezogen werden kann. Dies ändert indes nichts daran, dass § 648a Abs. 5 S. 2 BGB in der vorliegend maßgeblichen Fassung (wie auch im § 650f Abs. 5 S. 2 BGB in der aktuellen Fassung) Regelungen zu einer vereinbarten Vergütung verhält. Eine solche gibt es für die zunächst geschuldete und durch die zweite Kündigung nicht mehr zu erbringende Nachbesserung nicht. Entgegen der Ansicht, auf die die Klägerin sich stützt, kann daher nicht § 648a Abs. 5 S. 2 BGB einfach ein weiteres Mal angewendet werden mit einer aufgrund seines Wortlautes zwingenden Rechtsfolge. Vielmehr liegt eine Situation von, die rechtlich durch die Regelung des § 648a Abs. 5 S. 2 BGB (und nun § 650f Abs. 5 S. 2 BGB) nicht unmittelbar erfasst ist. Nach Ansicht des Senats kommt eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht. Die Wertung und damit die Regelung des § 648a Abs. 5 S. 2 BGB ist nicht übertragbar auf zur Mängelbeseitigung geschuldete Leistungen, denen gerade keine weitere Vergütungspflicht gegenübersteht. Insbesondere kann der Gesetzesbegründung nicht entnommen werden, dass der Unternehmer für mangelhafte Leistungen dennoch eine nicht oder nur um seine ersparten Aufwendungen und seinen (böswillig unterlassenen) sonstigen Erwerb gekürzte Vergütung erhalten soll. Vielmehr heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 648a Abs. 5 BGB: "Durch die Änderungen des § 648a BGB soll die Bauhandwerkersicherung effektiver ausgestaltet werden. ... § 648a Abs. 5 BGB-E entspricht funktionell dem bisherigen Absatz 5. Die Regelung wird aber technisch neu gestaltet. Der bisherige Absatz 5 nimmt auf die §§ 643 und 645 BGB Bezug, die sich für den Unternehmer vor allem in der Situation nach der Abnahme als nicht praktisch erweisen. Der Unternehmer ist nach bisherigem Recht gezwungen, dem Besteller eine Frist zur Stellung der Sicherheit zu bestimmen. Wurde die Sicherheit nicht fristgerecht erbracht, galt der Vertrag nach § 643 Satz 2 BGB als aufgehoben. Das ist für den Unternehmer vor allem dann ungünstig, wenn er seine Werkleistung erbracht hat und der Besteller Mängel einwendet. Deshalb soll der Unternehmer die Wahl erhalten, ob er die Sicherheit trotz Fristablaufs weiterhin verlangt oder vom Vertrag zurücktritt. Im Falle des Rücktritts soll ihm ein dem § 649 BGB entsprechender Anspruch zustehen, der dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung unter Anrechnung des Ersparten bzw. des durch anderweitigen Einsatz böswillig nicht Erzielten zuspricht. Diese Kündigungsfolgen im Gegensatz zu denen des § 643 BGB, der die Vergütung auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen beschränkt, sind angemessen." (Bundestagsdrucksache 17/511). Aus dieser Gesetzesbegründung wird deutlich, dass eine Neuregelung zum Schutz des Unternehmers angestrebt wurde, indem die bis dahin bestehende Beschränkung der Vergütung auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen ersetzt werden sollte. Dass darüber hinaus zugleich eine Änderung der vom BGH entwickelten Art der Berechnung der Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen herbeigeführt werden sollte, ist dagegen der Begründung nicht zu entnehmen. Eine solche Änderung erscheint dem Senat auch nicht angezeigt. Vielmehr behalten die wertenden Argumente, die der BGH für seine zur alten Rechtslage entwickelte Rechtsprechung herangezogen hat, ungeachtet der Regelung des § 648a Abs. 5 S. 2 BGB/§ 650f Abs. 5 S. 2 BGB ihre Gültigkeit. Denn diese neue Vergütungsregelung betrifft die vereinbarte Vergütung für eigentlich geschuldete, aber aufgrund der Kündigung entfallene zukünftige Leistungen. Demgegenüber sind hier Mängelbeseitigungsansprüche bezüglich bereits erbrachter Leistungen zu bewerten, denen eben keine eigene Vergütung mehr gegenübersteht. Eine Übertragbarkeit der Regelung auf die vorliegende Interessenlage erschließt sich dem Senat damit nicht. Dies gilt umso mehr, als der von der Klägerin bemühte Sinn und Zweck des Forderungssicherungsgesetzes zwar darin besteht, den Unternehmer zu sichern und vor Forderungsausfall zu schützen. Dies beinhaltet es indes nicht, ihm für mangelhafte Leistungen einen ungekürzten oder allein um seine ersparten Aufwendungen und (böswillig unterlassenen) anderweitigen Erwerb gekürzten Werklohn zuzuerkennen. Die Mängelbeseitigung wäre mit dem Werklohn für die erbrachte Leistung auch abgegolten. Die durch die Gesetzesänderung gewollte Besserstellung des Unternehmers ergibt sich bereits daraus, dass der Unternehmer die Mängel der erbrachten Leistungen beseitigen kann, um für die bis zum Kündigungszeitpunkt erbrachten Werkleistungen den vollständigen Werklohn zu erhalten, ohne gezwungen zu sein, entweder noch weitere - ungesicherte Leistungen - hinsichtlich des gekündigten Teils des Werkvertrages zu erbringen oder aber den hierauf bezogenen Anteil seines Werklohns zu verlieren. Zudem kann der Unternehmer bis zu dem Zeitpunkt, in dem er seine Wahl trifft, jegliche Mängelbeseitigung verweigern, solange der Besteller weiterhin die Sicherheit nicht stellt. Hieraus ergibt sich indes kein Grund, dem Unternehmer für sein Werk als Folge seiner Wahl, die Mängel nicht zu beseitigen, den lediglich um seine ersparten Aufwendungen und seinen (böswillig) unterlassenen anderweitigen Erwerb gekürzten Werklohn zukommen zu lassen. Dies würde verkennen, dass anders als bezüglich des Teils der zukünftigen Leistungen nicht lediglich den Besteller der Vorwurf trifft, die Sicherheit nicht geleistet zu haben. Vielmehr hat zugleich der Unternehmer die Mängel seiner Leistung zu verantworten. Die Rechtsfolgen dennoch an § 648a Abs. 5 S. 2 BGB auszurichten, der allein das fehlende Stellen der Sicherheit durch den Besteller berücksichtigt und die ebenfalls vertragswidrige Leistung des Unternehmers nicht im Blick hat, erschiene nicht angemessen. Nach alledem sieht der Senat keinen Raum für die entsprechende Anwendung des § 648a Abs. 5 S. 2 BGB zur Bemessung der Abzüge für Mängel, gegen deren Beseitigung der Unternehmer sich entscheidet. Vielmehr ist wie auch sonst in Abrechnungsverhältnissen bezüglich bereits erbrachter, aber mangelhaft ausgeführter Leistungen der mängelbedingte Minderwert in Abzug zu bringen. Diesen schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 1.470,00 Euro, die bereits das Landgericht in Abzug gebracht hat. Insoweit legt der Senat zugrunde, dass auch bei der Bemessung des Abzugs die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigten ist, wonach Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf. Indes hat der BGH klargestellt, dass in geeigneten Fällen der mangelbedingte Wertunterschied aus Gründen der Vereinfachung anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten gemäß § 287 ZPO geschätzt werden darf. Ausgeschlossen ist dies, wenn diese Kosten den Wertunterschied nicht mehr annähernd widerspiegeln. Vorliegend erscheint indes die Schätzung in Höhe von 1.470,00 Euro, die sich teilweise aus der Berücksichtigung fiktiver Mängelkosten und teilweise aus mangelbedingtem Minderwert zusammensetzt, auf der Basis der Ausführungen des Gutachters A. angemessen. Insbesondere hat der Gutachter differenzierend bezüglich der jeweiligen Mängel konkret ausgeführt, inwieweit die fiktiven Mängelbeseitigungskosten den Minderwert angemessen widerspiegeln und inwieweit diese demgegenüber den Minderwert übersteigen; insoweit hat bereits die Kammer lediglich einen Abzug für den Minderwert berücksichtigt. Dem schließt sich der Senat an.
- Kontext der Entscheidung
Das OLG Oldenburg ist – mit einem nach dem OLG Düsseldorf ergangenen Urteil - im entscheidenden Punkt anderer Auffassung: „Die Kündigungsvergütung gem. § 650 f Abs. 5 S. 2 BGB bemisst sich an der vereinbarten Vergütung abzüglich infolge der Vertragsaufhebung ersparter Aufwendungen. Deswegen sind von der vereinbarten Vergütung die Aufwendungen abzuziehen, welche sich der Kläger infolge der durch die Kündigung entfallenen Mängelbeseitigung erspart hat. Nur so wird ausreichend berücksichtigt, dass die Beklagte durch ihre Vertragsverletzung in Form der unterbliebenen Sicherheitsleistung das Vertragsverhältnis gestört hat. Soweit also Mängel an Leistungen aus dem Vertrag „Einbauleistungen“ festgestellt werden, hat der Kläger darzulegen, welche Selbstkosten der Mängelbeseitigung insoweit bei ihm angefallen wären. Erfüllt der Kläger diese Erstdarlegungslast, liegt im Falle des Bestreitens die Beweislast bei der Beklagten.“ (OLG Oldenburg, Urteil vom 5. März 2024 – 2 U 115/23 –, Rn. 65 - 66). Das OLG Düsseldorf nimmt eine grundsätzliche Bedeutung der Frage an, ob nach einer auf die Mängelbeseitigung bezogenen weiteren Kündigung des Bestellers wegen nicht geleisteter Sicherheit gemäß § 648a Abs. 5 BGB (§ 650f Abs. 5 BGB n. F.) die Vergütung um den mangelbedingten Minderwert der erbrachten Leistung zu kürzen ist oder lediglich ersparte Aufwendungen sowie (böswillig unterlassener) anderweitiger Erwerb des Unternehmers in Abzug zu bringen sind. Es hat deshalb die Revision zugelassen (BGH - VII ZR 236/23).
- Auswirkungen für die Praxis
Leistet der Besteller die vom Unternehmer geforderte Sicherheit nicht, kann er den Unternehmer nicht zwingen, die Kündigung zu erklären, um die Pattsituation aufzulösen. Er ist auf die eigene Kündigung gemäß § 648 BGB verwiesen. Kündigt keine der Parteien, gilt: Vor der Abnahme kann der Unternehmer nur Abschlagszahlung beanspruchen. Wegen Mängeln kann sich der Besteller auf § 320 BGB berufen. In der Situation nach der Abnahme, in der ebenfalls Sicherheit verlangt werden kann (§ 650f Absatz 1 Satz 3 BGB), kann sich der Besteller wegen Mängeln ebenfalls auf § 320 BGB berufen. Der Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB kann der Unternehmer nicht entgegenhalten, wegen fehlender Sicherheit zur Leistung/Nacherfüllung nicht verpflichtet zu sein. Allerdings reduziert sich der Einbehalt auf die einfachen Mängelbeseitigungskosten. Will der Besteller das Leistungsverweigerungsrecht beseitigen, muss er nach § 650f Abs 5 Satz 1 BGB den Vertrag hinsichtlich der Mängelbeseitigung kündigen und dafür die aus Abs 5 Satz 2 folgenden Abzüge hinnehmen. Der Unternehmer hat somit die Wahl, entweder die Mängel zu beseitigen und die volle Vergütung zu erlangen oder aber ohne Mängelbeseitigung die um die Mängelbeseitigungskosten gekürzte Vergütung.
BGH: Zur formwirksamen Schriftsatzübermittlung per beA
Reicht ein Rechtsanwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einen Schriftsatz, den ein anderer Rechtsanwalt verfasst, aber nicht qualifiziert elektronisch signiert hat, bei Gericht ein, ist dies nicht wirksam.
BGH, Beschluss vom 3. Juli 2024 – XII ZB 538/23
- Problemstellung
Wieder einmal (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23) hatte sich der BGH – diesmal der XII. Zivilsenat – mit den durch § 130a Abs. 3 ZPO gestellten Anforderungen an die formwirksame Übermittlung von Schriftsätzen zu befassen.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Antragsteller hat gegen den Teilbeschluss des Familiengerichts, mit dem sein Antrag auf Erteilung einer Auskunft über Einkünfte und Vermögen zur Geltendmachung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs im Wege der Stufenklage zurückgewiesen worden ist, fristgerecht Beschwerde eingelegt. Nach Ablauf der bis zum 9. August 2023 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist hat das OLG auf die Unzulässigkeit der Beschwerde mangels fristgerechter Begründung hingewiesen. Daraufhin hat der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt und die Beschwerde zugleich begründet. Den Wiedereinsetzungsantrag hat er - unter Beifügung entsprechender eidesstattlicher Versicherungen beider Rechtsanwälte - damit begründet, der Rechtsanwalt, den sein Verfahrensbevollmächtigter unter Hinweis auf den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 9. August 2023 um Übermittlung der Beschwerdebegründung an das OLG per beA gebeten habe, habe die Versendung vergessen. Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsteller die Beschwerde nicht innerhalb der mit dem 9. August 2023 abgelaufenen (verlängerten) Frist eingereicht hat. Ebenfalls im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung hält sich, dass das Beschwerdegericht dem Antragsteller auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist verweigert hat. Denn die Fristversäumung beruht auf einem Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten, die sich der Antragsteller nach dem über § 113 Abs. 1 FamFG anwendbaren § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Gemäß § 233 ZPO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Beteiligter ohne sein Verschulden verhindert war, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten, wobei ein Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten den Beteiligten zuzurechnen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss der Wiedereinsetzungsantrag die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumung beruht. Besteht nach diesen von dem Beteiligten glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit, dass die Fristversäumung vom Beteiligten beziehungsweise seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.
Der Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers und die eidesstattlichen Versicherungen der beiden Rechtsanwälte enthalten keine Schilderung der tatsächlichen Abläufe, die nach den vorstehenden Maßstäben ein fehlendes Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten annehmen ließen. Denn sie lassen nicht erkennen, ob der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers dem von ihm herangezogenen anderen Rechtsanwalt am 9. August 2023 die Beschwerdebegründung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt hat. Nach § 130 a ZPO muss die Beschwerdebegründung als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130 a Abs. 4 ZPO einreichen. Ist der Verfahrensbevollmächtigte, der den Schriftsatz gefertigt und einfach signiert hat, nicht identisch mit der Person, die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender des elektronischen Dokuments ausgewiesen wird, ist das Dokument danach nicht wirksam eingereicht. In diesem Fall kann die als Absender ausgewiesene Person das Dokument nur dann wirksam einreichen, wenn sie es selbst qualifiziert elektronisch signiert und damit ihren unbedingten Willen zum Ausdruck bringt, auch eine entsprechende Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und dessen Inhalt zu verantworten und den Mandanten zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats zu vertreten. Hat der Verfahrensbevollmächtigte dagegen den bestimmenden Schriftsatz mit einer qualifiziert elektronischen Signatur versehen und damit die Verantwortung für dessen Inhalt übernommen, steht es einer wirksamen Einreichung nicht entgegen, wenn bei der Übermittlung eine andere Person als Absender ausgewiesen wird.
Gemessen daran kann vorliegend die Möglichkeit, dass die Fristversäumung vom Antragsteller beziehungsweise seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war, nicht ausgeschlossen werden. Der Verfahrensbevollmächtigte hat lediglich vorgetragen, er habe die Beschwerdebegründung am Vormittag des letzten Tags der Begründungsfrist fertiggestellt. Ob und in welcher Form er die Beschwerdebegründung signiert hat, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Insbesondere lässt sich auch den Akten insoweit nicht entnehmen, dass die auf den 9. August 2023 datierte Beschwerdebegründung, die am 30. August 2023 qualifiziert elektronisch signiert und beim Beschwerdegericht eingereicht worden ist, zuvor schon einmal signiert worden wäre. Bei lediglich einfacher Signatur hätte die bloße Weiterleitung des Schriftsatzes durch den anderen Rechtsanwalt aber mangels Identität von verantwortendem und einreichendem Rechtsanwalt nicht zu einer wirksamen Einreichung der Beschwerdebegründung führen können. Ebenso wenig ist dargelegt, dass der Rechtsanwalt, der die Beschwerdebegründung für den Verfahrensbevollmächtigten übermitteln sollte, diese auch selbst qualifiziert elektronisch signieren sollte.
- Kontext der Entscheidung
Nach § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO können Rechtsanwälte die in 130d ZPO angeordnete Nutzungspflicht bei der Übermittlung elektronischer Dokumente auf zwei Wegen erfüllen können: einmal kann das Dokument mit der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) der verantwortenden Person versehen werden, zum andern reicht die einfache Signatur (= Unterschrift) der verantwortenden Person aus, wenn das Dokument auf einem sicheren Übertragungsweg eingereicht wird. Die qeS hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Signierung eines elektronischen Dokuments entsprechen daher ebenso denen bei der Leistung einer Unterschrift wie sie bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 78/21). Bei der einfachen Signatur ( = Unterschrift) ist die Authentizität des Absenders dadurch sichergestellt, dass die Bundesrechtsanwaltskammer nach § 31a Abs. 3 Satz 1 BRAO für jedes Kammermitglied nach Überprüfung der Zulassung ein elektronisches Postfach führt, zu dem das Mitglied nur mittels Chipkarte und PIN Zugang erhält (Greger in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 130d Rn. 14). Neben diesen beiden „reinen“ Übermittlungsformen ist eine Mischung aus beiden zulässig (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23). In dem diesem Beschluss zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Verfasser des Schriftsatzes nur einfach signiert, d. h. durch maschenschriftliche Einfügung seines Namens mit dem Zusatz „Rechtsanwalt“ unterzeichnet, während die Übermittlung durch einen anderen Sozietätsangehörigen in der Art erfolgt ist, dass dieser die – nicht von ihm stammende – Berufungsbegründung qualifiziert signiert und aus seinem beA an das Berufungsgericht übermittelt hat. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" seinen Partner tätig zu werden, fehlt, lässt sich der Unterzeichnung durch einen anderen Rechtsanwalt gleichwohl entnehmen, dass er an dessen Stelle die Unterschrift leisten und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats auftreten wollte, wie der BGH bereits für eine in Papierform eingereichte Berufungsschrift entschieden hat (BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – XI ZB 16/16). Der dahinterstehende Gedanke, dass es sich für einen Rechtsanwalt im Zweifel von selbst versteht, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig zu werden, gilt genauso für elektronisch übermittelte. Auch insoweit bedarf es daher keines klarstellenden Zusatzes eines Vertretungsverhältnisses, insbesondere nicht der Verwendung des Worts "für" (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23 –, Rn. 13).
- Auswirkungen für die Praxis
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war (BGH, Beschluss vom 1. März 2023 – XII ZB 228/22 –, Rn. 13, mwN.). Auch bei Vorliegen eines bloßen Mitverschuldens der Partei, ihres gesetzlichen Vertreters oder ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung scheidet die Wiedereinsetzung aus (BGH, Beschluss vom 18. April 2000 – XI ZB 1/00 ). Beruht die Fristversäumung hingegen auf dem Verschulden eines Dritten, der weder selbst gesetzlicher Vertreter oder Prozessbevollmächtigter ist, steht das der Wiedereinsetzung nicht entgegen; § 278 BGB ist insoweit auch nicht entsprechend anwendbar (BeckOK ZPO/Wendtland, 53. Ed. 1.7.2024, ZPO § 233 Rn. 9). Im Übrigen würde es im besprochenen Fall dem Antragsteller (und seinem Verfahrensbevollmächtigten in einem sich anschließenden Regressprozess) im Ergebnis nicht helfen, wenn die formwirksame Einreichung der Beschwerdebegründung beabsichtigt gewesen wäre. Das schlichte Vergessen der Einreichung der Beschwerdebegründung wäre als Verschulden seines Unterbevollmächtigten zu werten wäre, das sich der Antragsteller wiederum nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste (BGH, Beschluss vom 3. Juli 2024 – XII ZB 538/23 –, Rn. 13).
BGH: Zum Hinweis nach § 522 II 1 ZPO
Der nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO gebotene Hinweis auf die beabsichtigte Beschlusszurückweisung der Berufung kann im Hinblick auf den Anspruch des Berufungsklägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verfahrensordnungsgemäß erst nach dem Vorliegen der Berufungsgründe einschließlich etwaiger (zulässig) geltend gemachter neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel erteilt werden.
BGH, Beschluss vom 12. Juni 2024 – XII ZR 92/22
(OLG München, 5. September 2022, 32 U 2545/22; LG München II, 26. April 2022, 12 O 592/22)
1. Das Problem:
Die Parteien – der Kläger ist der Bruder der Geschäftsführerin der Beklagten - streiten nach einem Erbfall um die Herausgabe eines Grundstücks. Das Landgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2022 verkündet. Gegen das noch nicht mit Gründen versehene Urteil hat die Beklagte am 28. April 2022 „Berufung und Vollstreckungsschutzantrag“ eingelegt und beantragt, durch Vorabentscheidung das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abzuändern und die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Das OLG hat mit Beschluss vom 27. Mai 2022 die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt und mit einem im schriftlichen Verfahren erlassenen Teilurteil vom 23. Juni 2022 den Antrag auf Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit zurückgewiesen. Ebenfalls am 23. Juni 2022 hat das OLG einen Beschluss mit dem Hinweis auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung als offensichtlich aussichtslos erlassen. Die Beklagte hat die Berufung mit am 24. August 2022 eingegangenen Schriftsatz innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Im Anschluss daran hat das Berufungsgericht am 5. September 2022 seinen Zurückweisungsbeschluss erlassen.
2. Die Entscheidung des Gerichts:
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht mit seiner Verfahrensgestaltung vor dem Erlass des Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Das OLG hat seinen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu einem Zeitpunkt erlassen, als die Berufung noch nicht begründet war. Das in der Berufungsschrift enthaltene Vorbringen der Beklagten im Vollstreckungsschutzantrag vom 28. April 2022 hat zwar in der Sache auch kursorische Angriffe gegen einzelne Punkte enthalten, die in dem noch nicht schriftlich abgesetzten landgerichtlichen Urteil mutmaßlich nicht ausreichend berücksichtigt worden sein könnten, sich im Übrigen aber auf Ausführungen zu den der Beklagten durch die Herausgabevollstreckung drohenden Nachteilen und der Unauskömmlichkeit der festgesetzten Sicherheitsleistung beschränkt. Die Begründung der Berufung hat sich die Beklagte ausdrücklich vorbehalten. Zwar enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung dazu, zu welchem Zeitpunkt der Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu erfolgen hat. Es ist aber evident, dass zumindest die Berufungsgründe einschließlich etwaiger (zulässig) geltend gemachter neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel vorliegen müssen, um dem Berufungsgericht überhaupt die Beurteilung zu ermöglichen, ob dem Rechtsmittel auch eine mündliche Verhandlung offensichtlich nicht zum Erfolg verhelfen kann. Nach diesen Grundsätzen hätte das OLG die Berufung der Beklagten nicht durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisen dürfen, ohne der Beklagten einen (nochmaligen) Hinweis zu erteilen, wonach sich seine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und zur Nichterforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung auch nach Kenntnisnahme von den Berufungsgründen nicht verändert habe.
3. Konsequenzen für die Praxis:
Das Verfahren, in dem das Berufungsgericht zu dem Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO gelangt, ist in der Vorschrift vorgezeichnet. Es findet nach Eingang der Berufungsbegründung und vor Terminierung statt, wobei Terminierung einen anschließend ergehenden Beschluss nicht hindert (Heßler in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 522 Rn. 31). Dass Voraussetzung für das Verfahren nach § 522 ZPO das Vorliegen der Berufungsbegründung ist, ist von der Systematik der Norm her derart offensichtlich, dass die gängigen Kommentare diese Frage nicht problematisieren. Aus der Feststellung, dass neues Vorbringen zu berücksichtigen ist, soweit dieses nach §§ 529, 531 ZPO zulässig ist (Anders/Gehle/Göertz, 82. Aufl. 2024, § 522 Rn. 27), ergibt sich jedoch, dass die Berufungsbegründung erfolgt sein muss. Der in der Instanzrechtsprechung gelegentlich vertretenen Auffassung, der Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO setzte nicht nur das Vorliegen der Berufungsbegründung, sondern auch der Berufungserwiderung voraus (OLG Koblenz, Beschluss vom 20. Februar 2003 – 10 U 883/02 –, juris), hat der BGH eine Absage erteilt. Das Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht voraus, dass eine Berufungserwiderung eingegangen oder dem Berufungsbeklagten ergebnislos eine Frist zur Erwiderung gesetzt worden ist. Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich nichts anderes (BGH, Urteil vom 21. November 2017 – XI ZR 106/16 –, MDR 2018, 223).
4. Beraterhinweis:
Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird auch verletzt, wenn das Gericht eine dem Beteiligten selbst gesetzte Frist zur Äußerung auf seinen Hinweisbeschluss mit seiner Entscheidung nicht abwartet, sondern bereits vor Ablauf der Frist die Berufung zurückweist (BGH, Beschluss vom 19. November 2019 – VI ZR 215/19 –, MDR 2020, 304). Ebenfalls wird der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn die vor Erlass einer Entscheidung vom Gericht gesetzte Frist zur Äußerung objektiv nicht ausreicht, um innerhalb der Frist eine sachlich fundierte Äußerung zum entscheidungserheblichen Sachverhalt und zur Rechtslage zu erbringen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 – VI ZR 287/17 –, MDR 2018, 1014). Stützt ein Berufungsgericht in einem Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO seine Rechtsauffassung auf einen Gesichtspunkt, den der Berufungskläger erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, muss diesem Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Die hierdurch veranlassten neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel dürfen nicht zurückgewiesen werden (BGH, Beschluss vom 01. Oktober 2014 – VII ZR 28/13 –, MDR 2015, 296). Auch im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO darf der durch einen notwendigen Hinweis nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO veranlasste Vortrag einer Partei nicht als verspätet zurückgewiesen werden (BGH, Beschluss vom 24. September 2019 – MDR 2020, 55).
BGH: Zur Arglisthaftung beim Immobilienkauf
Als Wohnung verkaufte Räume im Souterrain eines Altbaus, die bei Gefahrübergang erhebliche Wandfeuchtigkeit aufweisen, sind regelmäßig weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung noch für die gewöhnliche Verwendung zum Wohnen geeignet und infolgedessen mangelhaft.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2024 – V ZR 79/23
- Problemstellung
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Sachvortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (BGH, Urteil vom 26. Januar 2024 – V ZR 162/22 –, Rn. 8, mwN.). Welche Anforderungen an die Substantiierung des klägerischen Vortrags bei behaupteter arglistiger Täuschung bei einem Kaufvertrag über Immobilien daraus folgen, hatte der V. Zivilsenat zu entscheiden.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagten erwarben im Jahr 1999 zwei in dem Souterrain eines Altbaus gelegene Eigentumswohnungen, in deren Außenwände sie eine horizontale Sperre durch chemische Injektion einbringen ließen. Im September 1999 beschlossen die Wohnungseigentümer, dass die nach Durchführung von Sanierungsmaßnahmen entstehenden Feuchtigkeitsschäden in den Wohnungen von den jeweiligen Eigentümern zu tragen seien. Wegen erneut auftretender Feuchtigkeitsprobleme wurden in den Folgejahren immer wieder zusätzliche Sanierungsarbeiten durchgeführt. In einem 2017 von den Beklagten eingeholten Sanierungsangebot einer Fachfirma heißt es, dass sich im Sockelbereich der Wohnungen Feuchtigkeitsschäden zeigten, es keine Verbindung zwischen der Bodenabdichtung und den Wänden gebe und keine Horizontalabdichtung zu erkennen sei. Im selben Jahr boten die Beklagten die Wohnungen in einem Maklerexposé für 745.000 € zum Verkauf an. Darin wurde das Baujahr 1904 mitgeteilt, und die Wohnungen wurden als im Jahr 1999 kernsaniert bezeichnet. Weiter heißt es: „Sanierung Mauerwerksfeuchte: Eine Außenwand weist Feuchtemängel auf. Diese Kosten für die Behebung gehen zu Lasten des jeweiligen Eigentümers dieser Wohnung und nicht zu Lasten der Eigentümergemeinschaft. Die Durchführung dieser Sanierung müsste vom Käufer auf dessen Kosten vorgenommen werden. Diese Kosten sind bereits bei der Preisfindung berücksichtigt.“ Die Kläger besichtigten die Immobilie mehrfach mit einem Architekten. Zu diesem Zeitpunkt war der Oberboden in einem Schlafraum entfernt und im Wohnbereich teilweise geöffnet. Probebohrungen waren sichtbar. An den Außenwänden war der Putz teilweise entfernt und die Erde bis unterhalb der Drainage ausgegraben. Mit Vertrag vom 20. Februar 2018 erwarben die Kläger die Wohnungen sodann zu einem Preis von 675.000 € unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. In dem Vertrag heißt es u.a.: „Der Käufer kauft den Vertragsgegenstand im gegenwärtigen, gebrauchten Zustand. Er hat den Vertragsgegenstand eingehend mit einem Gutachter und einem Architekten besichtigt. Die Beteiligten treffen keine Beschaffenheitsvereinbarung zum Vertragsgegenstand (…). Dem Käufer ist der Feuchtigkeitsschaden an der Außenwand des hinteren großen Zimmers der Wohnung Nr. 1 bekannt. Dem Käufer ist ferner bekannt, dass das Gebäude im Jahre 1904 errichtet wurde und sich in unmittelbarer Rheinnähe befindet und einzelne Räume im Souterrain liegen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in der Zukunft Probleme mit Feuchtigkeit auftreten. Dem Käufer ist bekannt, dass die Eigentümerversammlung vom 22. September 1999 folgenden Beschluss gefasst hat: >Nach Durchführung der in Auftrag gegebenen Sanierungsmaßnahmen entstehende Feuchtigkeitsschäden in den Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2, ausgehend von konstruktiv- und bauartbedingten Mängeln, aufsteigende Feuchtigkeit, gehen zu Lasten der jeweiligen Eigentümer dieser Wohnungen und werden nicht von der Gemeinschaft getragen.<“
Die Kläger verlangen von den Beklagten Ersatz der für den Zeitraum vom 1. September 2018 bis zum 31. Dezember 2019 aufgewendeten Nettokaltmiete und der verbrauchsunabhängigen Nebenkosten für ihre alte Wohnung sowie der verbrauchsabhängigen Nebenkosten für die neuen Wohnungen in Höhe von insgesamt 32.551,08 € nebst Zinsen, weil sie wegen erforderlicher Arbeiten zur Beseitigung der Ursache der Feuchtigkeitsschäden nicht wie geplant am 1. September 2018 hätten einziehen können. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das OLG die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen.
Die Revision der Kläger hat Erfolg. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagten nach § 437 Nummer 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, § 280 Abs. 1 und § 280 Abs. 3 BGB kann nicht verneint werden. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass ein Anspruch auf Schadensersatz nicht auf das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB in der hier noch anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) gestützt werden kann. Für eine Vereinbarung der Parteien über die Freiheit der Wohnungen von Feuchtigkeit oder über das Vorhandensein eines hinreichenden baulichen Schutzes vor dem Eindringen von Feuchtigkeit enthält der Kaufvertrag keine Anhaltspunkte. In ihm ist im Gegenteil eine Beschaffenheitsvereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen. Eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes durch den Verkäufer vor Vertragsschluss, etwa – wie hier – in einem Exposé, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, führt in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF. So ist es auch hier.
Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Souterrainwohnungen entsprächen trotz der erheblichen Wandfeuchtigkeit der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit einer im Jahr 1904 errichteten Liegenschaft. Die im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestehende erhebliche Feuchtigkeit der Wohnungen stellt vielmehr einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB aF dar. Richtig ist zwar, dass in Häusern, die zu einer Zeit errichtet wurden, als Kellerabdichtungen noch nicht üblich waren, nicht jede Feuchtigkeit im Keller einen Sachmangel begründet, sondern es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Im Einzelnen ist von Bedeutung, ob das Haus in einem sanierten Zustand verkauft wurde, wie die Kaufsache genutzt wird, welcher Zustand bei der Besichtigung erkennbar war und wie stark die Feuchtigkeitserscheinungen sind. Der bei Altbauten übliche Standard ist aber dann nicht maßgebend, wenn die Parteien eine abweichende Beschaffenheit vereinbart haben oder wenn die Trockenheit der Räume für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (Nutzung des Kellers als Aufenthaltsraum) erforderlich ist. Vorliegend geht es ohnehin nicht um Kellerräume, sondern um als Wohnungen verkaufte Räumlichkeiten im Souterrain eines Wohngebäudes. Die vertraglich vorausgesetzte Verwendung einer Souterrainwohnung ist das Wohnen, weshalb der Käufer regelmäßig erwarten darf, dass die Wohnung trocken ist, auch wenn sie in einem Altbau gelegen ist. Die vertragsgemäße Verwendung (Wohnen) stimmt mit der üblichen Verwendung überein. Als Wohnung verkaufte Räume im Souterrain eines Altbaus, die bei Gefahrübergang erhebliche Wandfeuchtigkeit aufweisen, sind regelmäßig weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung noch für die gewöhnliche Verwendung zum Wohnen geeignet und infolgedessen mangelhaft.
Die Haftung der Beklagten wegen der Feuchtigkeit der Wohnungen kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht wegen des in dem Kaufvertrag vereinbarten allgemeinen Haftungsausschlusses abgelehnt werden. Hierauf könnten sich die Beklagten gemäß § 444 BGB nicht berufen, wenn sie den Mangel arglistig verschwiegen haben sollten. Das ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unter mehreren Aspekten nicht ausgeschlossen. Arglistig iSv. § 444 BGB handelt bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann zunächst ein arglistiges Verhalten der Beklagten durch eine aktive Täuschung nicht verneint werden. Die Kläger haben vorgetragen, die Beklagten hätten dem von den Klägern beauftragten Architekten mitgeteilt, dass „die anlässlich der Besichtigung der Wohneinheiten sichtbaren Feuchtigkeitsmängel die Ursache eines Mangels seien, welcher zwischenzeitlich seitens der Gemeinschaft behoben worden sei.“ Den dazu von den Klägern angebotenen Zeugenbeweis hat es nicht erhoben. Damit kommt in Betracht, dass die Beklagten zu dem Bestehen, zum Ausmaß und zu der Ursache der Feuchtigkeit falsche Angaben gemacht haben. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht von der Vernehmung des Zeugen abgesehen hat, hält den Angriffen der Revision nicht stand. Soweit das Berufungsgericht meint, die von den Beklagten gegenüber dem Architekten der Kläger abgegebene Erklärung habe nach ihrem objektiven Erklärungswert nur so verstanden werden können, dass 1999 eine Sanierung erfolgt sei, die angesichts der im Jahr 2017 erkennbaren und beschriebenen Schäden erfolglos gewesen sei, stellt dies eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar. Das Berufungsgericht durfte von der Beweisaufnahme nur dann absehen, wenn es den unter Beweis gestellten Vortrag der Kläger, die Beklagten hätten eine erfolgreiche Behebung des Feuchtigkeitsmangels behauptet, zu ihren Gunsten als wahr unterstellt. Das hat es aber nicht getan. Das Berufungsgericht verkehrt die behauptete Äußerung des Zeugen vielmehr in ihr Gegenteil, indem es ihr zu Lasten der Kläger entnimmt, die Beklagten hätten die Kläger über die Erfolglosigkeit der Sanierung aufgeklärt. Bei einer Wahrunterstellung darf die Behauptung der Partei aber nicht nur vordergründig als wahr unterstellt werden, sondern muss so übernommen werden, wie sie aufgestellt wurde. Ebenso wenig kann eine Arglist der Beklagten mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden, die Feuchtigkeit der Wohnungen sei für die Kläger erkennbar gewesen, so dass keine Offenbarungspflicht bestanden habe. Richtig ist allerdings, dass für Mängel, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind, keine Offenbarungspflicht besteht. Der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann Wenn dem Verkäufer offenbarungspflichtige Tatsachen bekannt sind, ist ein arglistiges Verschweigen jedoch auch dann gegeben, wenn der wahre Umfang der aufklärungspflichtigen Tatsache nicht angegeben, sondern bagatellisiert wird. Das kann hier nicht ausgeschlossen werden. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Feuchtigkeitsschäden für die Kläger im Einzelnen nicht ersichtlich gewesen seien. Es meint, dass die Kläger gleichwohl aufgrund der bei der Besichtigung erkennbaren Bauteilöffnungen mit weiteren Feuchtigkeitsschäden hätten rechnen müssen. Auf welcher Grundlage das Berufungsgericht zu dieser Einschätzung kommt, legt es nicht dar. Dass die Feuchtigkeit an den geöffneten Stellen überhaupt erkennbar war, ist schon nicht festgestellt. Zu den Bauteilöffnungen und Probebohrungen haben die Kläger vorgetragen, die Beklagten hätten erklärt, ein vorheriger Kaufinteressent habe die Substanz der Immobilie untersuchen lassen, und die noch sichtbare Öffnung der Außenisolierung habe den potentiellen Käufern die Qualität der Außenabdichtung vor Augen führen sollen. Diese Erklärung ist geeignet, die Bedeutung der Bauteilöffnungen zu bagatellisieren. Auch die in dem Exposé und in dem Kaufvertrag enthaltenen Hinweise machten eine Aufklärung durch die Beklagten nicht entbehrlich. In dem Exposé wird nur der konkrete Feuchtigkeitsschaden an einer Außenwand genannt und die Wohnung als im Jahr 1999 kernsaniert bezeichnet. In dem Kaufvertrag wird lediglich auf den Feuchtigkeitsschaden an einer näher spezifizierten Außenwand hingewiesen. Die selektiven Hinweise waren geeignet, die Erwartung zu wecken, dass die Wohnungen abgesehen von dem konkreten Feuchtigkeitsschaden an einer Wand trocken sind. Der zusätzliche Hinweis in dem Kaufvertrag, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass in der Zukunft Probleme mit Feuchtigkeit auftreten, lässt ebenfalls den Schluss zu, dass jedenfalls in der Gegenwart und damit im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit Ausnahme der ausdrücklich genannten Feuchtigkeit an einer Wand keine Feuchtigkeit vorhanden ist. Er steht zudem im Zusammenhang mit dem Hinweis auf die Lage in Rheinnähe und der dadurch abstrakt bestehenden Gefahr hochwasserbedingter Feuchtigkeit, was zusätzlich geeignet ist, den sichtbaren Feuchtigkeitsschaden zu bagatellisieren.
- Kontext der Entscheidung
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats handelt arglistig im Sinne von § 444 BGB bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH, Urteil vom 25. Januar 2019 – V ZR 38/18 –, Rn. 22, mwN.). Arglist in diesem Sinne setzt nicht voraus, dass der Verkäufer „mit einer moralisch verwerflichen Gesinnung“ handelt (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2024 – V ZR 212/23 –, Rn. 12, mwN.). Das Tatbestandsmerkmal der Arglist in § 444 BGB erfasst nicht nur ein Handeln des Verkäufers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens und Inkaufnehmens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss. Voraussetzung für ein vorsätzliches Verschweigen eines Mangels ist jedoch stets, dass der Verkäufer den konkreten Mangel kennt oder zumindest für möglich hält (BGH, Urteil vom 16. März 2012 – V ZR 18/11 –, Rn. 24, mwN.). Kennt auch der Käufer den Mangel, gilt § 442 Abs. 1 Satz 1, bei grobfahrlässiger Unkenntnis § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB (Grunewald in Erman, 17. Aufl. 2023, § 442 Rn. 10).
- Auswirkungen für die Praxis
Von Bedeutung für die Praxis ist der Hinweis des Senats auf die von den Beklagten eingewandte Verletzung der Schadensminderungspflicht der Kläger gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, weil diese sich nicht schnellstmöglich um die Beseitigung des Feuchtigkeitsschadens gekümmert hätten. Die Beseitigung des Feuchtigkeitsmangels, der seine Ursache in der fehlenden Abdichtung und damit im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums hat, ist Aufgabe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Der gegenteilige Beschluss der Wohnungseigentümer vom 22. September 1999, mit dem die Sanierung künftiger Feuchtigkeitsschäden dauerhaft auf die jeweiligen Sondereigentümer abgewälzt wird, ist mangels Beschlusskompetenz zweifelsfrei nichtig. Die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums ist Aufgabe der GdWE (für die Schäden aus den Jahren 2018 und 2019 noch maßgeblich: § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG aF). Die Kläger waren allerdings gehalten, mittels entsprechender Anträge und ggf. einer Beschlussersetzungsklage auf den gesetzlich geforderten Beschluss der Wohnungseigentümer über die Instandsetzung hinzuwirken (§ 21 Abs. 4 und 8 WEG aF). Der für die notwendigen Entscheidungsprozesse erforderliche Zeitraum ist bei der Prüfung eines Mitverschuldens der Kläger einzubeziehen (BGH, Urteil vom 21. Juni 2024 – V ZR 79/23 –, Rn. 29).
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