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BGH: Abtretung "zur Mitberechtigung"
Ein Urteil, dessen Tenor in sich selbst unauflösbar widersprüchlich ist, ist insgesamt aufzuheben und zwar auch insoweit, als es zugunsten der Partei ergangen ist, die Revision eingelegt hat.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2024 – VII ZR 98/22
A. Problemstellung
Der VII. Zivilsenat hatte sich mit den Auswirkungen eines Berufungsurteils zu befassen, dessen Tenor in sich selbst unauflösbar widersprüchlich ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerinnen nehmen den Beklagten zu 1 aus Architektenvertrag wegen Planungs- und Überwachungsfehlern und die Beklagte zu 2, einen Dachdeckerbetrieb, wegen Ausführungsfehlern aus abgetretenem Recht in Anspruch. Die Klägerin zu 1 bildete auf einem ihr gehörenden Hausgrundstück Wohneigentum, dessen Anteile sie unter Übernahme der Pflicht zu Baumaßnahmen an die jetzigen Wohnungseigentümer verkaufte. Die Klägerin zu 2 verpflichtete sich zu diesen Baumaßnahmen gegenüber der Klägerin zu 1 als Generalunternehmerin und parallel gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern. Eine aus den beiden Klägerinnen bestehende ARGE beauftragte den Beklagten zu 1 mit Architektenleistungen. Die Klägerin zu 2 beauftragte die D. KG mit Dachdeckerarbeiten, welche hiermit im Jahre 2009 die Beklagte zu 2 beauftragte. Auf dem Flachdach des Bauvorhabens wurde ein Wintergarten errichtet, die Beklagte zu 2 schloss diesen an die Dachfläche an. Im Jahr 2011 zeigten sich Wasserschäden. Die Klägerinnen behaupten, im März 2011 sei Wasser in das zweite Obergeschoss in dem Bereich eingedrungen, der unter einer von der Beklagten zu 2 abgedichteten Dachterrasse lag. Am 17. Oktober 2012 trat die D. KG die ihr aus dem Bauvertrag über Dachdeckerarbeiten gegen die Beklagte zu 2 zustehenden Gewährleistungsansprüche bezüglich der Abdichtungsarbeiten an die Klägerin zu 1 ab. Die WEG leitete ein selbständiges Beweisverfahren gegen die hiesigen Klägerinnen ein. Ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens beruhte der Wasserschaden auf Planungsfehlern des Beklagten zu 1 und Ausführungsfehlern der Beklagten zu 2. Die Instandsetzungskosten sollten mindestens 175.575 € netto zuzüglich der Kosten der Architektenleistung betragen.
Nachdem die Beklagten den Aufforderungen zur Mangelbeseitigung beziehungsweise Vorschusszahlung nicht nachkamen, haben die Klägerinnen Klage auf Kostenvorschuss mit dem Antrag erhoben, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubigerinnen 175.575 € nebst Zinsen zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 29. März 2017 haben die Klägerinnen unter Hinweis darauf, dass die mängelbedingten Schäden zwischenzeitlich beseitigt, aber noch nicht vollständig abgerechnet worden seien, einen Klageerweiterungsantrag angekündigt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubigerinnen 971.368,85 € nebst Zinsen zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihnen sämtliche weiteren Schäden, die im Zusammenhang mit den Mängeln bezogen auf die Klageerweiterung entstehen, zu ersetzen. Mit Endurteil nach Lage der Akten vom 30. März 2017 hat das Landgericht die Beklagten bei Klageabweisung im Übrigen verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin zu 1 einen Betrag von 141.750 € zuzüglich Zinsen, den Beklagten zu 1 darüber hinaus, diesen Betrag an die Klägerin zu 2 als Gesamtgläubigerin mit der Klägerin zu 1 zu zahlen. Das Urteil ist auf die Berufung der Beklagten als nach § 301 ZPO unzulässiges Teilurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen worden.
Nach der Zurückverweisung haben die Klägerinnen ihre Anträge mehrfach, den Zahlungsantrag der Höhe nach auf zuletzt 971.368,85 € und um die Forderung erweitert, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die WEG einen Betrag von 98.771 € nebst Zinsen zu zahlen. Durch Urteil vom 29. Januar 2020 hat das Landgericht unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1 141.750 € nebst Zinsen, den Beklagten zu 1 darüber hinaus, diesen Betrag an die Klägerin zu 2 als Gesamtgläubigerin mit der Klägerin zu 1 zu zahlen. Es hat ferner ausgesprochen, dass die Beklagtenseite den Betrag von 141.750 € nebst Zinsen nur einmal zu zahlen habe. Das Landgericht hat festgestellt, der Wintergarten sei nicht fachgerecht angeschlossen und abgedichtet worden, was auf einen Planungsfehler zurückzuführen sei. Zudem seien die Flachdachanschlüsse mangelhaft hergestellt und eine Dachentwässerung nicht gegeben, hierdurch sei Wasser eingedrungen. Der Klägerin zu 1 seien Schäden in Höhe von 141.750 € entstanden, für die die Beklagten gesamtschuldnerisch aufzukommen hätten. Im Übrigen werde ihre Klage abgewiesen, die darüber hinaus geltend gemachten Schäden seien unsubstantiiert und Ansprüche hierauf gegenüber der Beklagten zu 2 zudem verjährt. Die Klägerin zu 2 habe keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2. Gegen dieses Urteil haben sich alle Parteien mit der Berufung gewandt. Die Klägerinnen haben die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner erstrebt, an die Klägerin zu 1 weitere 829.618,85 € nebst Zinsen zu zahlen, darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten zu 2 zur Zahlung von weiteren 829.618,85 € nebst Zinsen an die Klägerin zu 2 als Gesamtgläubigerin mit der Klägerin zu 1, wobei der Betrag von 829.618,85 € nebst Zinsen von den Beklagten nur einmal zu zahlen sei (Berufungsantrag zu 1). Darüber hinaus haben die Klägerinnen die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz sämtlicher weiterer Schäden verlangt (Berufungsantrag zu 2) sowie die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner, an die WEG einen Betrag von 98.771,18 € nebst Zinsen zu zahlen (Berufungsantrag zu 3). Hilfsweise haben sie die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht begehrt. Die Beklagten haben mit ihren Berufungen jeweils erstrebt, dass die gegen sie gerichteten Klagen abgewiesen werden; der Beklagte zu 1 hat ebenfalls einen Zurückverweisungsantrag gestellt.
Das Berufungsgericht hat am 12. April 2022 folgendes Urteil verkündet: "Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Januar 2020 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Hannover wird hinsichtlich des Berufungsantrages zu 2. als unzulässig verworfen. Hinsichtlich des Berufungsantrages zu 3. wird die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Die Berufungen des Beklagten zu 1) - hinsichtlich des Hauptantrages - und der Beklagten zu 2) werden zurückgewiesen. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil einschließlich des Verfahrens auf die Berufungen der Klägerinnen und des Beklagten zu 1) aufgehoben und die Sache für das Betragsverfahren an das Landgericht zur weiteren Beweisaufnahme, Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung bleibt dem Landgericht vorbehalten." Die Berufungen der Klägerinnen und beider Beklagten hätten insoweit Erfolg, als sie unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führen würden. Dies gelte jedoch nur, soweit die Berufungen der Klägerinnen nicht bereits unzulässig oder unbegründet und die der Beklagten zu 1 und 2 nicht unbegründet seien. Die Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 seien unbegründet, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung dem Grunde nach wendeten. Einer Haftung der Beklagten zu 2 stehe kein überwiegendes oder vollständig anspruchsminderndes Mitverschulden infolge den Klägerinnen zuzurechnender Planungsfehler entgegen. Die fehlerhafte Planung der Anschlüsse an den Wintergarten und der Regenentwässerung seien für Handwerker erkennbar gewesen. Die Beklagte zu 2 habe keinen Bedenkenhinweis erteilt, sie könne sich deshalb nicht auf ein ihre Haftung ausschließendes Mitverschulden berufen. Zu Unrecht habe das Landgericht die Ansprüche der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zu 2 für verjährt gehalten. Im Übrigen verweise der Senat die Sache unter Aufhebung gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurück. Die Berufung der Klägerinnen sei begründet, weil das Landgericht gehörsverletzend die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche als nicht hinreichend substantiiert angesehen habe. Zudem hätten die Klägerinnen nicht mehr Schadensersatz in Höhe fiktiver Mangelbeseitigungskosten begehrt, sondern die tatsächlichen Kosten der Schadensbeseitigung geltend gemacht. Hierdurch sei auch das Recht der Beklagten auf hinreichende Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen in verfahrensfehlerhafter Weise verletzt worden, denn die Beklagten seien zur Zahlung eines Betrags verurteilt worden, von dem nicht sicher sei, dass er für die tatsächlich erfolgte Beseitigung der streitbefangenen Mängel überhaupt angefallen sei. Die Verfahrensfehler würden eine Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechtfertigen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 2 hat der Senat die Revision zugelassen, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat. Die Revision der Beklagten zu 2, die die Aufhebung des Berufungsurteils, die Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und die Abweisung der gegen sie gerichteten Klagen erstrebt, ist begründet. Das Berufungsurteil leidet an Verfahrensmängeln, die im Umfang der Anfechtung zu seiner Aufhebung führen. Dem Urteil lässt sich die verfahrensrechtliche Bedeutung der Entscheidung, ihre Tragweite und Bindungswirkung nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen, zugleich aber das Urteil einschließlich des Verfahrens aufgehoben und für das Betragsverfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Diese Urteilsformel ist in sich widersprüchlich. Die Zurückweisung der Berufung der Beklagten besagt, dass die durch das Landgericht ausgesprochene gesamtschuldnerische Verurteilung zur Zahlung von 141.750 € nebst Zinsen an die Klägerin zu 1 Bestand haben soll. Dies widerspricht der einschränkungslos ausgesprochenen Aufhebung des Urteils des Landgerichts. Lässt sich der Urteilsformel nicht mit genügender Bestimmtheit entnehmen, was das Gericht entschieden hat, sind zur Ermittlung des Entscheidungsinhalts Tatbestand und Entscheidungsgründe heranzuziehen. Der Widerspruch lässt sich auch unter Heranziehung der Entscheidungsgründe nicht durch Auslegung beseitigen. Denkbar ist, dass die Aufhebung nur teilweise, bezogen auf die klageerweiternd geltend gemachten und vom Landgericht als unschlüssig behandelten Mangelbeseitigungskosten ausgesprochen werden sollte und nur der Zusatz "im übrigen" fehlt. Einer beschränkten Aufhebung steht aber entgegen, dass der vom Berufungsgericht angeführte Aufhebungsgrund den gesamten Anspruch betrifft. Das Berufungsgericht hat zudem keine Ausführungen dazu gemacht, ob die erstinstanzlich ausgesprochene Verurteilung in Höhe von 141.750 € nebst Zinsen als erstrangiger Teilbetrag des Schadensersatzanspruchs Bestand haben kann und soll. Der Widerspruch lässt sich nicht dadurch auflösen, anzunehmen, dass die Zurückweisung der Berufungen der Beklagten lediglich "im Übrigen" erfolgen sollte, weil das Berufungsgericht zugleich ein Zwischenurteil über den Grund nach § 304 ZPO erlassen wollte. Für die Absicht, ein Grundurteil zu erlassen, streiten die im Tenor benutzte Formulierung "Betragsverfahren", der zu § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO getroffene Obersatz und die auf Aspekte der Haftung der Beklagten dem Grunde nach beschränkten Ausführungen. Dagegen spricht aber, dass das Berufungsgericht sein Urteil weder so überschrieben noch im Tenor eine Grundentscheidung entsprechend § 304 ZPO formuliert hat. Zudem hätte, selbst wenn das Berufungsgericht ein Grundurteil hat erlassen wollen, es die Berufung nicht zurückweisen, sondern lediglich zum Ausdruck bringen dürfen, dass die auf Zahlung gerichtete Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Weil als Zwischenurteil die Vorabentscheidung über den Grund lediglich einen Teil des Streitstoffs erledigt, wird der geltend gemachte Anspruch weder ganz noch zum Teil aberkannt oder zuerkannt. Aus diesem Grund darf in der Berufungsinstanz ein Grundurteil auch nicht in der Weise ergehen, dass das Berufungsgericht die Berufung teilweise zurückweist, soweit sie sich gegen den Grund des Anspruchs richtet.
Die Widersprüchlichkeit kann auch nicht in der Weise beseitigt werden, insoweit das Urteil unter Richtigstellung des Tenors als Grundurteil zu verstehen und zu behandeln. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils sind dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und des Weiteren nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht. An diesen Voraussetzungen fehlt es, weil das Berufungsgericht sich explizit nur mit dem jeweiligen Berufungsvorbringen der Beklagten beschäftigt hat, aber nicht erkennen lässt, dass es sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs geprüft und für gegeben erachtet hat. Es hat auch nicht festgestellt, ob ein Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht und zudem den bei einem Grundurteil zu berücksichtigenden Besonderheiten des Mitverschuldenseinwands nicht Rechnung getragen. Ein Urteil, dessen Tenor in sich widersprüchlich ist, ist im Umfang seiner Anfechtung (§ 557 Abs. 1 ZPO) insgesamt aufzuheben, und zwar auch insoweit, als es zugunsten des Revisionsführers ergangen ist.
Das Berufungsurteil ist mit einem weiteren Verfahrensmangel behaftet. Hinsichtlich des Prozessrechtsverhältnisses der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 unterliegt das Urteil auch deshalb der Aufhebung, weil die Entscheidung insoweit überhaupt nicht mit Gründen versehen ist und auf dieser Verfahrensrechtsverletzung die Entscheidung beruht. Das Landgericht hat Ansprüche der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 verneint, weil zwischen beiden Parteien keine vertragliche Beziehung bestanden und sich die vorgelegte Abtretungserklärung nur auf eine vermeintliche Abtretung von werkvertraglichen Ansprüchen an die Klägerin zu 1 bezogen habe. Ohne hierauf im Berufungsurteil an irgendeiner Stelle einzugehen, hat das Berufungsgericht auf die Berufung der Klägerinnen das Urteil des Landgerichts auch insoweit aufgehoben. Es erläutert nicht im Ansatz, warum es von der Aktivlegitimation der Klägerin zu 2 ausgeht.
Das Berufungsurteil kann im angegriffenen Umfang darum keinen Bestand haben und ist einschließlich des Verfahrens aufzuheben. Die Berufung der Klägerinnen ist, soweit sie sich gegen die Klageabweisung der geltend gemachten Ansprüche der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 richtet, unzulässig und darum zu verwerfen. Das Landgericht hat die Klage der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen. Die Klägerinnen haben die Aufhebung dieser klageabweisenden Entscheidung beantragt, sind jedoch in der Berufungsbegründung hierauf mit keinem Wort eingegangen. Weder ist ausgeführt noch ergibt sich konkludent aus der Berufungsbegründung, warum die Klägerinnen anders als das Landgericht der Auffassung sind, dass die Klägerin zu 2 eigene Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 haben soll. Die Verwerfung der insoweit unzulässigen Berufung hat zur Folge, dass es bei der erstinstanzlich ausgesprochenen Abweisung der Klage der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 verbleibt.
Die Klage der Klägerin zu 1, mit der sie aus abgetretenem Recht Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu 2 verfolgt, ist unbegründet. Deshalb ist auf die Berufung der Beklagten zu 2 das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zu 2 abzuweisen. Der Klägerin zu 1 fehlt entgegen der Auffassung des Landgerichts, die das Berufungsgericht offenbar teilt, ohne dies zu begründen, die Sachbefugnis. Die Klägerin zu 1 ist nicht aktivlegitimiert, denn sie ist durch die Abtretungsvereinbarung vom 17. Oktober 2012 nicht Gläubigerin der Gewährleistungsansprüche geworden, die der D. KG aus dem mit der Beklagten zu 2 geschlossenen Werkvertrag über Dachdeckerarbeiten zustanden. Der Rechtswirksamkeit der in der Vereinbarung genannten Abtretung (§ 398 BGB) steht entgegen, dass die Abtretung zur Mitberechtigung erfolgte. In der Vereinbarung heißt es ausdrücklich, dass die D. KG der Klägerin zu 1 die ihr gegen die Beklagte zu 2 zustehenden Gewährleistungsansprüche "zur Mitberechtigung" abtritt. Der Zusatz "zur Mitberechtigung" steht dem durch Abtretungsvertrag herbeizuführenden Gläubigerwechsel entgegen. § 398 Satz 2 BGB bestimmt, dass mit dem Abschluss des Abtretungsvertrags der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt. Die Rechtsfolge in Gestalt des Wechsels der Rechtszuständigkeit tritt ein, wenn die Forderung aus dem Vermögen des bisherigen Gläubigers (Zedent) ausscheidet und in das Vermögen des neuen Gläubigers (Zessionar) übergeht. Das setzt voraus, dass der Zedent seine Rechtsstellung vollständig auf den Zessionar überträgt. An dieser für die Abtretung als abstraktes Verfügungsgeschäft notwendigen Übertragung des Vollrechts fehlt es, weil die D. KG sich ihrer Rechtsposition nicht vollständig entäußert hat. Der Zusatz "zur Mitberechtigung" bedeutet, dass die Zedentin sich Rechte an der zedierten Forderung vorbehält. Die gemäß § 398 Satz 1 BGB beabsichtigte Wirkung einer Abtretung, nämlich der Gläubigerwechsel, konnte so nicht eintreten, denn eine Abtretung unter Beibehaltung der Rechtsinhaberschaft ist nicht möglich. Die Klägerin zu 1 hat durch den Abschluss der Vereinbarung vom 17. Oktober 2012 keine Rechtsposition erlangt, die sie berechtigen würde, Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu 2 geltend zu machen. Insbesondere hat sie dadurch keine Berechtigung erlangt, die Gewährleistungsansprüche als Gesamtgläubigerin (§ 428 Satz 1 BGB) oder als Mitgläubigerin (§ 432 Abs. 1 BGB) mit der D. KG geltend zu machen. Es kann dahinstehen, ob die Vereinbarung der Abtretung der Forderung zur Mitberechtigung überhaupt so ausgelegt werden kann, dass damit der Klägerin zu 1 eine Rechtsposition übertragen werden sollte, die sie neben der D. KG berechtigt hätte, die ganze Leistung zu fordern, denn eine Gesamtgläubigerschaft ist schon mangels Zustimmung des Schuldners nicht wirksam begründet worden. Eine Gläubigermehrheit an einer bestehenden Forderung kann durch Vertrag gemäß §§ 305, 428 BGB vereinbart werden, an dem der Schuldner mitzuwirken hat. Eine zweiseitige Vereinbarung auf Gläubigerseite, mit der der ursprüngliche Gläubiger mit einem Dritten vereinbart, dass dieser neben ihm befugt sein soll, die Leistung aus eigenem Recht zu fordern, reicht hierzu nicht aus. Die Vereinbarung einer Gesamtgläubigerschaft an einer bestehenden Forderung ist ein Vertrag zu Lasten des Schuldners, weil sich seine Rechtsposition dadurch potenziell verschlechtert, auch wenn er die Erfüllung der Forderung weiterhin nur einmal schuldet. Der Schuldner sieht sich dadurch zwei oder mehreren Gläubigern gegenüber, die ihn unabhängig voneinander mit Klagen und Vollstreckungsmaßnahmen überziehen können. Zur Rechtswirksamkeit der Umwandlung einer Einzelforderung in eine Gesamtforderung bedarf es deshalb der Zustimmung des Schuldners. An der Zustimmung der Schuldnerin fehlt es, die Vereinbarung vom 17. Oktober 2012 ist ohne Mitwirkung der Beklagten zu 2 geschlossen worden. Andere Anspruchsgrundlagen, nach denen die Klägerin zu 1 von der Beklagten zu 2 Schadensersatz verlangen könnte, sind nicht ersichtlich, weshalb die Klage abzuweisen ist.
C. Kontext der Entscheidung
Es handelt sich um eine typische Einzelfallentscheidung. Die zu Grunde liegende Konstellation kommt selten vor, was sich daran zeigt, dass die vom Senat herangezogene Grundsatzentscheidung des BGH bereits aus dem Jahre 1952 stammt (BGH, Urteil vom 6. März 1952 – IV ZR 80/51 –, BGHZ 5, 240). Im Übrigen hat sich der VII. Zivilsenat selbst auch gezwungen gesehen, den Tenor seiner Entscheidung zu ergänzen, weil er (ebenfalls) die Zurückweisung der Berufung „im Übrigen“ vergessen hatte (BGH, Beschluss vom 20. November 2024 – VII ZR 98/22). Wichtig ist die Feststellung des Senates, dass das Verbot der reformatio in peius nicht gilt, wenn der Tenor des angefochtenen Urteils „in sich selbst unauflösbar widersprüchlich ist“ (Rn. 27). Dies erscheint auch folgerichtig, weil der den Rechtsmittelführer begünstigende Teil des Urteilsausspruchs ebenfalls perplex ist und daher keine Grundlage für die Zwangsvollstreckung darstellen kann. Trotzdem hätte man sich eine nähere Begründung gewünscht. Soweit der Senat ein Urteil des IX. Zivilsenates anführt, dessen Ausführungen wörtlich wiederholt werden (BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – IX ZR 293/99 –, Rn. 9), führt dies nicht weiter. Beide Senate können sich lediglich auf das Urteil des IV. Zivilsenates (BGH, Urteil vom 6. März 1952 – IV ZR 80/51 –, BGHZ 5, 240) berufen. In diesem heißt es: „Wegen des hiernach festzustellenden unlösbaren Widerspruchs im Urteilstenor oder wegen der Unbestimmtheit des Tenors, die auch im Wege der Auslegung nicht behoben werden können, ist das Urteil von vornherein unwirksam. Diese Unwirksamkeit ist im Rechtsmittelverfahren, auch ohne dass sie von einer Partei gerügt wird, von Amts wegen zu beachten. Sie muss dazu führen, das angefochtene Urteil, soweit es an diesem Fehler leidet, aufzuheben.“ Aus der von Amts wegen zu berücksichtigenden Gesamtunwirksamkeit des Urteils ergibt sich folgerichtig, dass auch der den Rechtsmittelführer begünstigende Teil des Urteils von der Aufhebung erfasst sein muss.
D. Auswirkungen für die Praxis
Von größerer praktischer Bedeutung sind die Ausführungen des Senats zur Abtretung zur „Mitberechtigung“. Das Wesen der Abtretung besteht im vollständigen Übergang des Rechts vom Zedenten auf den Zessionar. Die Wirkung der Abtretung, dass an die Stelle des bisherigen stets der neue Gläubiger tritt, kann nicht eingeschränkt werden. Die Abtretung ist ein dinglicher Vertrag. Für dingliche Verträge, die im BGB abschließend geregelt sind, gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht (BGH, Urteil vom 5. März 1975 – VIII ZR 97/73 –, Rn. 32). Die Begründung einer Gesamtgläubigerschaft durch Vertrag begegnet dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn sie zugleich mit dem forderungsbegründenden Rechtsgeschäft, also unter Einbeziehung des Schuldners vollzogen wird. Bestehen bereits schuldrechtliche Beziehungen, aufgrund deren der Gläubiger vom Schuldner eine bestimmte Leistung zu fordern berechtigt ist, so kann mit Zustimmung des Schuldners auch nachträglich vereinbart werden, dass neben dem schon vorhandenen Gläubiger ein weiterer ebenfalls berechtigt sein soll, diese Leistung zu fordern. Die Forderung des hinzutretenden weiteren Gläubigers entsteht aufgrund dieser Vereinbarung und durch sie gemäß §§ 305, 428 BGB. Mit einer Abtretung hat dieses forderungsbegründende Rechtsgeschäft nichts zu tun (BGH, Urteil vom 5. März 1975 – VIII ZR 97/73 –, Rn. 36). Eine Alleingläubigerschaft kann sich nur mit Zustimmung des Schuldners über eine Gesamtgläubigerabrede in eine Gesamtgläubigerschaft verwandeln (BGH, Urteil vom 7. Juni 2005 – XI ZR 311/04 –, Rn. 22). Im Übrigen regelt die Vorschrift des § 428 BGB nicht das Verhältnis der Gläubiger untereinander, sondern nur das Außenverhältnis zum Schuldner (BGH, Urteil vom 6. März 2020 – V ZR 329/18 –, Rn. 10).
BGH: Zum Zustellungsnachweis
1. Den Nachweis über den Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung erbringt der Rechtsmittelführer durch die Übermittlung des vom Ausgangsgericht mit der Zustellung als strukturierter Datensatz zur Verfügung gestellten bzw. angeforderten elektronischen Empfangsbekenntnisses.
2. Ist die Gerichtsakte bei Eingang des Empfangsbekenntnisses bereits für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens an das Gericht des höheren Rechtszuges abgegeben, liegt es in der Organisationsverantwortung der Gerichte, für eine Zuordnung des elektronischen Empfangsbekenntnisses zu dem zugestellten Dokument zu sorgen.
BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2024 – XII ZB 255/24
A. Problemstellung
Mit den Folgen der unterbliebenen Zuordnung eines (verspätet abgegebenen) anwaltlichen Empfangsbekenntnisses zu der bereits an das Rechtsmittelgericht abgegebenen Gerichtsakte hatte sich der XII. Zivilsenat in einer Unterhaltssache zu befassen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Durch Beschluss vom 10. Januar 2024 hat das Familiengericht den Antragsgegner dazu verpflichtet, rückständigen und laufenden Kindesunterhalt zu zahlen. Es hat die Zustellung an den Antragsgegner unter Anforderung eines von seiner Verfahrensbevollmächtigten in Form eines strukturierten Datensatzes zu erteilenden elektronischen Empfangsbekenntnisses veranlasst, welches diese zunächst nicht - auch nicht nach mehrfacher Erinnerung durch das Familiengericht - zurückgesandt hat. Gegen den Beschluss hat der Antragsgegner am 20. Februar 2024 Beschwerde beim Familiengericht eingelegt und am 20. März 2024 beim OLG beantragt, die Frist zur Begründung um einen Monat zu verlängern. Das OLG hat die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners mit Verfügung vom 11. April 2024 unter Fristsetzung bis zum 26. April 2024 aufgefordert, das Empfangsbekenntnis zu den Akten zu reichen, und darauf hingewiesen, dass wegen des fehlenden Empfangsbekenntnisses nicht geprüft werden könne, ob die Beschwerdeeinlegung und der Verlängerungsantrag fristgerecht eingereicht worden seien. Am 12. April 2024 hat die Verfahrensbevollmächtigte das elektronische Empfangsbekenntnis, das als Zustelldatum den 22. Januar 2024 ausweist, an das Familiengericht in der Form des strukturierten Datensatzes übermittelt und die eingelegte Beschwerde am 22. April 2024 beim OLG begründet. Ohne über das Fristverlängerungsgesuch zu entscheiden, hat das OLG die Beschwerde verworfen.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen von § 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG, weil der Antragsgegner nicht den Nachweis der Rechtzeitigkeit des Eingangs seines Rechtsmittels und seines Fristverlängerungsantrages geführt habe. Insoweit trage er die Feststellungslast für aus seinem Erfahrungsbereich stammende Umstände. Er habe trotz des Hinweises vom 11. April 2024 nicht dargetan, wann ihm der angefochtene Beschluss schriftlich bekanntgegeben worden sei, so dass eine Berechnung der gesetzlichen Fristen nicht habe erfolgen können. Vor allem habe seine Verfahrensbevollmächtigte trotz mehrfacher Aufforderung nicht das von ihr zu erteilende Empfangsbekenntnis zur Verfahrensakte gereicht. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten (§ 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zudem zur Begründung seiner Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Die Begründung ist innerhalb von zwei Monaten ab schriftlicher Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses, beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG). Diese Frist kann auf Antrag des Beschwerdeführers unter den in § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen von dem Vorsitzenden des Beschwerdegerichts verlängert werden. Eine Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung kommt aber nicht mehr in Betracht, wenn das Verlängerungsgesuch erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen ist. Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist (§ 68 Abs. 2 Satz 1 FamFG).
Diesen Maßstäben genügt die angefochtene Entscheidung nicht. Ausgehend von der mit dem Empfangsbekenntnis nachgewiesenen Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 22. Januar 2024 hat der Antragsgegner mit seiner am 20. Februar 2024 eingelegten Beschwerde und dem am 20. März 2024 gestellten Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist die genannten Fristen gewahrt. Mit der elektronischen Übersendung des Empfangsbekenntnisses an das Familiengericht hat die Verfahrensbevollmächtigte (deutlich) vor der Entscheidung des OLG alles von ihr zu Verlangende getan. Nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist für die Übermittlung des elektronischen Empfangsbekenntnisses zwingend der vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellte bzw. angeforderte strukturierte Datensatz zu verwenden. Durch die Verwendung des vom Gericht vorgegebenen strukturierten Datensatzes soll das rücklaufende Empfangsbekenntnis dem zugestellten Dokument automatisch zugeordnet werden können. Die Zuordnung selbst liegt in der Verantwortung des Gerichts. Ist die Gerichtsakte bereits für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens an das Gericht des höheren Rechtszuges abgegeben worden, bleibt es in der gerichtlichen Organisationsverantwortung, für eine Zuordnung des elektronischen Empfangsbekenntnisses zu dem zugestellten Dokument zu sorgen. Ist dies nicht automatisiert gewährleistet, gehört es zu den Aufgaben des Gerichts der Ausgangsinstanz, das Empfangsbekenntnis ohne Zeitverzögerung an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten, um so die nach dem Gesetz vorausgesetzte Zuordnung herzustellen. Parallel dazu besteht eine Verpflichtung des Beschwerdegerichts, keine auf das Fehlen des Empfangsbekenntnisses gestützte Entscheidung zu treffen, ohne sich zuvor bei dem Ausgangsgericht nach einem möglichen, gesetzlich allein dort vorgesehenen Eingang zu erkundigen. Da der Zustellungsnachweis gemäß § 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO ausschließlich mit dem vom Ausgangsgericht angeforderten strukturierten Datensatz vorgesehen ist, hatte die Verfahrensbevollmächtigte mit dessen Übersendung zugleich das von ihrer Seite Erforderliche erfüllt. Indem das Empfangsbekenntnis bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht berücksichtigt worden ist, sind der Anspruch des Antragsgegners auf Zugang zur Rechtsmittelinstanz in unzumutbarer Weise erschwert und sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden.
C. Kontext der Entscheidung
Nach § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO wird die elektronische Zustellung an Rechtsanwälte durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen, das an das Gericht zu übermitteln ist. Für die Übermittlung ist der vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellte strukturierte Datensatz zu verwenden (§ 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Dadurch soll dem Adressaten ermöglicht werden, durch „einfaches Anklicken“ den Zugang zu bestätigen (Schultzky in: Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 173 Rn. 13). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll das Gericht den in Form eines elektronischen Dokuments (§ 130a ZPO) zurücklaufenden Datensatz sofort dem zugestellten Dokument zuordnen können (BTDrs 17/13948, 34). Ist die Gerichtsakte bereits an das Rechtsmittelgericht abgegeben, stößt die Zuordnung des Empfangsbekenntnisses auf Schwierigkeiten. Dies kann nicht zu Lasten der betroffenen Prozesspartei gehen, welche Selbstverständlichkeit der BGH ausdrücklich festhält: Es bleibt es in der gerichtlichen Organisationsverantwortung, für eine Zuordnung des elektronischen Empfangsbekenntnisses zu dem zugestellten Dokument zu sorgen. „Ist dies nicht automatisiert gewährleistet, gehört es zu den Aufgaben des Gerichts der Ausgangsinstanz, das Empfangsbekenntnis ohne Zeitverzögerung an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten, um so die nach dem Gesetz vorausgesetzte Zuordnung herzustellen.“ (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2024 – XII ZB 255/24 –, Rn. 13). Die Probleme wären im entschiedenen Fall aber nicht entstanden, wenn die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners das elektronische Empfangsbekenntnis unter Angabe des 22. Januar 2024 als Zustelldatum nicht erst am 12. April 2024 abgegeben hätte (Rn. 3). Nach § 14 BORA haben Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ordnungsgemäße Zustellungen von Gerichten entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen unverzüglich zu erteilen. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine berufsrechtliche Pflicht, so dass ein Verstoß keine prozessualen Auswirkungen hat. Im entschiedenen Fall wäre das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht notwendig gewesen, wenn das Empfangsbekenntnis unverzüglich abgegeben worden wäre. Dann hätte sich die Gerichtsakte noch beim Ausgangsgericht befunden und eine Zuordnung des eeB wäre ohne weiteres möglich gewesen. Ein Anspruch des Antragsgegners gegen seine Verfahrensbevollmächtigte auf Freistellung von den Gerichts- und Anwaltskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist daher nicht ohne Aussicht auf Erfolg.
D. Auswirkungen für die Praxis
Wegen Versäumung der Begründungsfrist darf eine Beschwerde erst verworfen werden, wenn der Vorsitzende des Beschwerdegerichts über den Verlängerungsantrag entschieden hat. Auf Antrag des Beschwerdeführers kann die Frist zur Beschwerdebegründung u.a. dann um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung das Verfahren durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder der Beschwerdeführer erhebliche Gründe darlegt (§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG iVm § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Diese Entscheidung kann auch noch nach einer Aufhebung eines auf anderen Gründen beruhenden Verwerfungsbeschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens durch das Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden. Ausgehend hiervon steht hier einer Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung entgegen, dass der Vorsitzende des Beschwerdegerichts bisher nicht über den - mit erheblicher Arbeitsüberlastung seiner Verfahrensbevollmächtigten begründeten Fristverlängerungsantrag des Antragsgegners entschieden hat (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2024 – XII ZB 255/24 –, Rn. 17, mwN.).
BGH: Keine Partei-Ermittlungspflicht
Eine Partei verstößt gegen ihre Prozessförderungspflicht, wenn sie Vorbringen aus prozesstaktischen Erwägungen zurückhält. Eine Verpflichtung, tatsächliche Umstände, die der Partei nicht bekannt sind, erst zu ermitteln, ist daraus jedoch grundsätzlich nicht abzuleiten.
BGH, Beschluss vom 19. November 2024 – VI ZR 35/23
A. Problemstellung
Der VI. Zivilsenat hatte in einem Arzthaftungsprozess u.a. zu entscheiden, ob eine Partei verpflichtet ist, tatsächliche Umstände, die ihr nicht bekannt sind, zu ermitteln.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin begehrt Schadensersatz nach einem Facelifting. Nach mehreren Beratungsterminen fand am 24. März 2019 zwischen den Parteien ein Aufklärungsgespräch streitigen Inhalts statt. Am 25. März 2019 nahm der Beklagte bei der Klägerin ein Facelifting nach der von ihm propagierten "X"-Methode vor. Die Klägerin, die sich bereits mehrere Jahre zuvor einer Schönheitsoperation im Gesicht unterzogen hatte, zahlte hierfür 20.000 €. Sie macht geltend, der Eingriff des Beklagten sei fehlgeschlagen, die Mundwinkel hingen nun nach unten, die Proportionen des Gesichts stimmten nicht mehr. Das bei dem Eingriff eingespritzte Fett habe sich verlagert. Über dem linken Auge befinde sich ein deutlicher Hautüberschuss, im Schläfenbereich befänden sich erkennbare Narben. Sie hätte auch darüber aufgeklärt werden müssen, dass kein Anlass für die Operation bestanden habe. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, dessen mündlicher Erläuterung und Anhörung der Parteien abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin weiter geltend gemacht, es sei übersehen worden, dass es sich bei der vom Beklagten angewandten Methode um eine Neulandmethode handele, die dazu führe, dass eine Revision nicht möglich oder sehr erschwert sei, wie sie erst nach der Anhörung des Sachverständigen erfahren habe. Der Eingriff sei allein schon deshalb behandlungsfehlerhaft gewesen. Es sei auch aufklärungspflichtig gewesen, dass eine Revision nun nicht mehr möglich sei und ein langfristiges Ergebnis mit der Methode nicht habe erzielt werden können. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung insbesondere ausgeführt, der Eingriff sei nicht schon wegen der verwendeten Methode von vornherein behandlungsfehlerhaft. Soweit die Klägerin vortrage, dass durch die Methode Revisionsmöglichkeiten gemindert oder ausgeschlossen würden, begründe dies keinen Behandlungsfehler, allenfalls könne es sich um einen aufklärungspflichtigen Umstand handeln. Die Aufklärung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Behauptung der Klägerin, dass Revisionen nicht möglich seien, habe die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Soweit die Klägerin den Sachverständigen hierzu noch ergänzend hätte befragen wollen, hätte sie eine Schriftsatzfrist zur Anhörung beantragen müssen. Soweit es sich um neuen Vortrag in der Berufungsinstanz handle, lägen die Voraussetzungen für eine Zulassung des neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht vor. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung, dass sie am 25. März 2022 und am 14. Juni 2022 von den Ärzten Dr. A. und Dr. M. erfahren habe, dass und weshalb die vom Beklagten angewandte Methode dem Patienten die Möglichkeit eines weiteren Facelifts oder eines Revisionseingriffs nehme, und wozu sie diese als Zeugen benannt und eine ergänzenden Anhörung des Sachverständigen beantragt habe, als gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unzulässig behandelt und ihr vorgehalten hat, sie hätte eine Schriftsatzfrist zur Anhörung des Sachverständigen beantragen müssen. Sie rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Aufklärung durch den Beklagten mit der Begründung nicht beanstandet hat, die Beweisaufnahme habe die Behauptung, dass Revisionen nicht möglich seien, nicht bestätigt.
Art. 103 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn der Tatrichter Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet hat. Das ist hier der Fall. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung des dargestellten Sachvortrags der Klägerin nach § 531 Abs. 2 ZPO lagen offenkundig nicht vor. Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffsmittel zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Der Klägerin kann Nachlässigkeit in diesem Sinne nicht vorgeworfen werden. Dass die Methode des Beklagten weitere Facelifts oder Revisionseingriffe verhindere und darüber aufzuklären gewesen wäre, ist zugunsten der Klägerin zu unterstellen, da das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen getroffen hat. Die Klägerin hat den oben dargestellten Vortrag bereits in der Berufungsbegründung gehalten und unter Beweisantritt vorgebracht, dass sie diese Informationen erst nach der Verkündung des landgerichtlichen Urteils erhalten habe. Wenn die Klägerin die Kenntnis dieser Umstände erst nach Abschluss des Verfahrens in erster Instanz, also auch erst nach der Anhörung des Sachverständigen, erlangt hat, kann ihr nicht angelastet werden, diesen dazu nicht befragt oder nicht ein Schriftsatzrecht beantragt und hierzu erst im Berufungsverfahren vorgetragen zu haben. Der Klägerin ist auch nicht vorzuwerfen, dass sie sich nicht um eine frühere Kenntnis dieser Umstände bemüht hat. Nachlässigkeit iSv. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO liegt nur dann vor, wenn die Partei gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat. Die Parteien sind aufgrund dieser Pflicht zu konzentrierter Verfahrensführung gehalten. Insbesondere dürfen sie Vorbringen grundsätzlich nicht aus prozesstaktischen Erwägungen zurückhalten. Eine Verpflichtung, tatsächliche Umstände, die der Partei nicht bekannt sind, erst zu ermitteln, ist daraus jedoch grundsätzlich nicht abzuleiten. Der Patient ist auch nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Danach konnte der Klägerin auch nicht angelastet werden, sich nicht schon während des landgerichtlichen Verfahrens hinsichtlich weiterer Bedenken gegen die angewandte Methode bei Fachleuten informiert zu haben.
Die Entscheidung erweist sich auch nicht als im Ergebnis richtig, weil - wie das Berufungsgericht ausgeführt hat - die Beweisaufnahme die Behauptung, dass Revisionen nicht möglich seien, nicht bestätigt hätte. Diese nicht begründete Beurteilung beruht nämlich wiederum auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin, die unter Beweisantritt in der Berufungsbegründung vorgetragen hatte, dass dem Patienten durch diese Methode eine etwaige Revisionsmöglichkeit genommen werde. Das Berufungsgericht ist aber zu dieser Behauptung in eine Beweisaufnahme nicht eingetreten. Dass sich der Sachverständige zu diesem konkreten, von der Klägerin erstmals in der Berufungsbegründung angesprochenen Umstand bereits in seinem schriftlichen Gutachten oder bei seiner Anhörung vor dem Landgericht verhalten hätte, legt das Berufungsgericht nicht dar. Die Gehörsverstöße sind entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vortrages und gegebenenfalls nach Anhörung des Sachverständigen und Vernehmung der Zeugen zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre.
C. Kontext der Entscheidung
Nach ständiger Rechtsprechung aller Zivilsenate des BGH verpflichtet das Gebot rechtlichen Gehörs das Gericht dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht. Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn der Tatrichter Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet (BGH, Beschluss vom 12. November 2024 – VI ZR 361/23, mwN.). So erlaubt § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Nachlässig handelt eine Partei, wenn sie die tatsächlichen Umstände nicht vorbringt, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt sind oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätten bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie im ersten Rechtszug imstande ist (Wulf in: BeckOK ZPO, 54. Edition (Stand: 01.09.2024) § 531 Rn. 19, mwN.). Zwar reicht für eine Nachlässigkeit auch einfache Fahrlässigkeit aus; allerdings dürfen an die Informations- und Substantiierungslast der Partei keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Grundsätzlich müssen der Partei die Umstände bekannt sein. Es besteht keine Verpflichtung, unbekannte tatsächliche Umstände zu ermitteln. Insbesondere in Artzhaftungsverfahren muss sich eine Partei kein medizinisches Fachwissen aneignen. Der Grundsatz, dass in einem Arzthaftungsprozess an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, gilt auch für Einwendungen gegen ein gerichtliches Gutachten. Die Partei ist nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendungen gegen das Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu formulieren. Sie ist durchaus berechtigt, ihre Einwendungen zunächst ohne solche Hilfe vorzubringen (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 – VI ZR 199/03 –, Rn. 27, mwN.).
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Senat hält ausdrücklich fest, dass der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht entgegensteht, nachdem die Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss auf den ungeklärten Gesichtspunkt der Geeignetheit der angewandten Methode und die aus ihrer Sicht erforderliche ergänzende Anhörung des Sachverständigen ausdrücklich hingewiesen hat (BGH, Beschluss vom 19. November 2024 – VI ZR 35/23 –, Rn. 13). Nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität muss ein Beteiligter die nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschluss vom 26. September 2017 – VI ZR 81/17 –, Rn. 8, mwN.). Eine auf die Verletzung des Grundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gestützte Rechtsbeschwerde ist daher unzulässig, wenn es der Beschwerdeführer im Rahmen des vorinstanzlichen Rechtsmittels versäumt hat, eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2024 – VI ZB 30/22 –, mwN.).
BGH: Zur Haftung bei Autowaschanlagenschäden
Das Risiko, dass eine Autowaschanlage (hier: Portalwaschanlage) für ein marktgängiges Fahrzeug mit einer serienmäßigen Ausstattung (hier: Heckspoiler) konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers. Daher hat sich der Schädiger - über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus - nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern er muss auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft.
BGH, Urteil vom 21. November 2024 – VII ZR 39/24
- Problemstellung
Mit der Haftung des Betreibers einer Portalwaschanlage für die Beschädigung eines mit einem serienmäßigen Heckspoiler ausgestatteten Fahrzeugs hatte sich der VII. Zivilsenat zu befassen.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sog. Portalwaschanlage. In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das auszugsweise wie folgt lautet:
"Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen
Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: (…).
Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz."
Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift:
"Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!".
Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw der Marke Land Rover, das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattet ist, in die Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der Heckspoiler - ein am hinteren Ende des Fahrzeugdachs, horizontal über der nach unten abfallenden Heckscheibe, bündig in der Karosserie sitzendes Bauteil - abgerissen, wodurch Schäden am Heck des Fahrzeugs entstanden. Wegen dieses Vorfalls verlangt der Kläger von der Beklagten u.a. Schadensersatz insgesamt 3.219,31 €.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch zu. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gemäß §§ 631, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB scheide aus, weil der Beklagten keine schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht aus dem Vertrag über die Fahrzeugreinigung anzulasten sei. Soweit kein Garantievertrag vorliege, hafte der Betreiber einer Autowaschanlage für Fahrzeugschäden während des Waschvorgangs nur bei Vorliegen einer von ihm zu vertretenden objektiven Pflichtverletzung, hinsichtlich derer den Geschädigten grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast treffe. In der Beweisaufnahme habe eine Schadensverursachung infolge nicht ordnungsgemäßer Befestigung des Heckspoilers ebenso wenig festgestellt werden können wie eine im Bereich der Waschanlage liegende Fehlfunktion oder sonstige Schadensursache. Die Gefahr, dass ein Außenteil konstruktionsbedingt für den automatischen Waschvorgang ungeeignet sei, stelle ein Risiko aus der Verantwortungssphäre des Autofahrers dar. Eine Pflichtverletzung der Beklagten resultiere nicht daraus, dass das klägerische Fahrzeug nach den Ausführungen des Sachverständigen mit der Waschanlage konstruktionsbedingt nicht kompatibel gewesen sei. Es bestehe keine vertragliche Pflicht des Betreibers einer Waschanlage, eine Anlage zur Verfügung zu stellen, die für sämtliche auf dem Markt befindlichen - gegebenenfalls auch serienmäßig ab Werk hergestellten - "Fahrzeugsondergestaltungen" geeignet sei. Bei besonders hervorstehenden Außenteilen wie dem Heckspoiler an dem Fahrzeug des Klägers bestehe generell und auch für den Benutzer erkennbar die Gefahr, dass diese in automatischen Waschanlagen, die nicht individuell auf jeden Fahrzeugtyp eingestellt seien, beschädigt werden könnten, wenn sie nicht ausreichend befestigt oder aufgrund ihrer Konstruktion für den Waschvorgang ungeeignet beziehungsweise an einer ungeeigneten Stelle angebracht seien. Ebenso wenig habe eine Hinweispflicht der Beklagten auf ein etwaiges Risiko der Beschädigung des Heckspoilers bestanden. Insbesondere unter Berücksichtigung der Vielzahl zugelassener Fahrzeuge mit verschiedenen Serienausstattungen stehe eine solche Pflicht außer Verhältnis zu dem damit verbundenen Aufwand für den Waschanlagenbetreiber. Aus den dargestellten Gründen fehle es schließlich auch an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (LG Münster, Urteil vom 14. Februar 2024 – 1 S 4/23).
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass es sich bei dem Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs um einen Werkvertrag handelt und sich aus einem solchen Vertrag als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Anlagenbetreibers ergibt, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Ferner ist davon auszugehen, dass Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich Vertragspflichten sind und die auf den Werkvertrag bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers nicht weiter geht als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten verneint. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach derjenige, der eine Gefahrenlage - etwa durch den Betrieb einer Waschanlage - schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der Betreiber einer Waschanlage hat dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge seiner Kunden nicht beschädigt werden. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher genügt es, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Betreiber von Waschanlagen - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier die Kunden - vor Schäden zu bewahren, und die dem Verkehrssicherungspflichtigen den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht.
Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass der Betreiber einer Waschanlage im Grundsatz nur bei Vorliegen einer von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung für Fahrzeugschäden während des Waschvorgangs haftet. Ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien kann nicht davon ausgegangen werden, dass er dem Kunden verschuldensunabhängig garantieren will, dass sein Fahrzeug nicht beschädigt wird. Eine schuldhafte Pflichtverletzung durch die Beklagte ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - widerleglich - zu vermuten, weil die Schadensursache allein aus ihrem Obhuts- und Gefahrenbereich herrührt. Grundsätzlich trägt der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Diese Grundsätze finden auch bei der Verletzung einer Schutzpflicht Anwendung, so dass es - ohne Vorliegen besonderer Umstände - nicht genügt, dass der Gläubiger lediglich nachweist, dass ihm im Zusammenhang mit der Durchführung eines Vertrags ein Schaden entstanden ist. In Abweichung von dieser regelmäßigen Beweislastverteilung ist anerkannt, dass sich der Schädiger - über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus - nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten hat, sondern er auch darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts liegt die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die auf dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen beruhen, kam es zu der Schädigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, kommt daneben keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursache für diesen Schaden in Betracht. Das Fahrzeug des Klägers war vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden. Der Kläger, dem mit seinem marktgängigen, serienmäßig ausgestatteten und in ordnungsgemäßem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage eröffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmäßig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadensanfällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch das Risiko einer Beschädigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruktionsbedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.
Das Berufungsurteil kann hiernach keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Dem Kläger steht gemäß § 631, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs zu. Die Beklagte hat die - infolge der Zuordnung der Schadensursache allein zu ihrem Obhuts- und Gefahrenbereich - gegen sie streitende Vermutung der Pflichtverletzung nicht widerlegt und den ihr gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Nachweis fehlenden Verschuldens nicht geführt. Sie hätte darlegen und beweisen müssen, dass sie die konstruktionsbedingte Inkompatibilität weder kannte noch kennen musste oder sie alles Erforderliche und Zumutbare unternommen hat, um das Einfahren eines Fahrzeugs in ihre Waschanlage zu verhindern, für das diese Anlage konstruktionsbedingt nicht geeignet ist. Diesen Anforderungen wird das Beklagtenvorbringen nicht gerecht. Der Vortrag der Beklagten, ihr sei die Gefahr der Schädigung des serienmäßig angebrachten Heckspoilers nicht bekannt gewesen, weil sich ein solcher Vorfall bislang in der Waschanlage nicht ereignet habe, sie habe diese Gefahr auch nicht kennen müssen und hierfür keine konkreten Anhaltspunkte gehabt, eine hypothetische Erkundigung hätte zudem an dem konkreten Schadensereignis nichts geändert, genügt zu ihrer Entlastung nicht. Es fehlt schon an der Darlegung, ob sich die Beklagte darüber informiert hat, für welche Fahrzeuge ihre Anlage konstruktionsbedingt ungeeignet ist und daher ein erhöhtes Schadensrisiko besteht. Ebenso wenig ist dargetan, dass sie keine Informationen bekommen hätte, auf deren Grundlage die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs vermieden worden wäre.
Die Beklagte hat sich ferner nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet. Das in der Waschanlage angebrachte, mit "Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen" überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur "nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.)" erwähnt. Nicht nur fällt der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serienausstattung gehört (und ordnungsgemäß befestigt war), sondern die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Kunden das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können. Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift "Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!" einen ausreichenden Hinweis dar. Angesichts des darüber befindlichen Schildes mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht zur Serienausstattung gehörende Teile wird für den Kunden schon nicht hinreichend klar, dass - gegebenenfalls - von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmäßigem Heckspoiler erfasst sein soll.
- Kontext der Entscheidung
Der X. Zivilsenat hat schon bald nach der Schuldrechtsreform AGB-Klauseln des Betreibers einer Autowaschanlage über Haftungsbeschränkung auf grobes Verschulden für unwirksam erklärt: Wenn der Betreiber einer Autowaschanlage seine Haftung für durch leichte Fahrlässigkeit herbeigeführte Beschädigungen des Fahrzeugs ausschließt, so liegt darin, auch wenn die Freizeichnung gegenständlich auf die besonders gefährdeten, außen an der Karosserie angebrachten Zubehörteile wie Scheibenwischer, Spiegel und Antennen beschränkt ist, eine unangemessene Benachteiligung der Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 30. November 2004 – X ZR 133/03 –, Rn. 26). Ein vom Betreiber einer Autowaschanlage vorgenommener allgemeiner Haftungsausschluss für durch einfache Fahrlässigkeit herbeigeführte Beschädigungen des Fahrzeugs erscheint unangemessen, auch wenn er gegenständlich auf Außenteile beschränkt ist. Denn ein solcher Haftungsausschluss widerspricht dem berechtigten Vertrauen des Kunden darauf, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen wird, und seiner korrespondierenden Erwartung, dass er Schadensersatz erhalten wird, sollte doch einmal ein Schaden auftreten und dieser vom Waschanlagenbetreiber verschuldet sein. Dabei erwartet der Kunde Schadensersatz immer dann, wenn der Betreiber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, also auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Diese Erwartung ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, der für die Beurteilung der Angemessenheit einer Haftungsbeschränkung wichtig ist. Die Frage, ob und in welchem Maße die Verwirklichung des Risikos besser durch den Kunden oder besser durch den Verwender durch zumutbares eigenes Handeln verhindert werden kann, ist zu Lasten des Anlagenbetreibers zu beantworten, da nur er Schadensprävention betreiben kann, z.B. durch ständige Wartung, Kontrolle und Überwachung der Anlage und durch sorgfältige Auswahl des Bedienungspersonals, während der Kunde sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Der Betreiber hat es auch in der Hand, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadensanfällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch sein Risiko zu verringern (BGH, Urteil vom 30. November 2004 – X ZR 133/03 –, Rn. 28). Zudem erfordert der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer, dass von dem Betreiber einer Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage - zwar selten, aber vorhersehbar - nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 251/17 –, Rn. 25).
- Auswirkungen für die Praxis
Bei Beschädigungen von Fahrzeugen Dritter durch ein in der Waschanlage befindliches Fahrzeug kommt häufig ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG gegen Fahrer und Versicherer des schädigenden Fahrzeuges in Betracht. Verfügt nämlich eine Waschstraße über eine Transporteinrichtung, die aus einem umlaufenden Kunststoffförderband besteht, bei dem ein Ausscheren des Fahrzeugs ausgeschlossen ist, so ist davon auszugehen, dass das Ausscheren des Fahrzeugs beim Transport mit dem Kunststoffförderband ausschließlich vom Fahrzeug ausgeht. Seit der Einführung von Fahrassistenzsystemen kommt es gehäuft zu einer Blockierung der Hinterräder. Grund ist immer, dass die Funktion der Parkbremse vor dem Transport nicht deaktiviert worden ist und während des Transports zum Blockieren der Hinterräder führt. Daher ist das in der Waschstraße verunfallte Fahrzeug nicht ausschließbar aufgrund blockierter Hinterräder quasi im Begriff des Ausscherens gewesen. Wird eine Betriebseinrichtung (wie Bremse, Lenkung) eines Kfz in einer Waschanlage genutzt und kommt es infolge dessen zu einem Unfall in der Waschstraße, ist dieser dem Betrieb des Kfz zuzurechnen. Der dadurch entstandene Schaden kann gemäß § 249 Abs. 2 BGB fiktiv abgerechnet werden (OLG Celle, Urteil vom 20. November 2019 – 14 U 172/18 –, mwN.).
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