BGH: beA-Signaturerfordernis beim Einzelanwalt

16.7.2025
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Auch bei einem Einzelanwalt ist bei Übersendung eines Schriftsatzes auf einem sicheren Übermittlungsweg eine einfache Signatur notwendig.
BGH, Beschluss vom 9. April 2025 – XII ZB 599/23

Das Problem:
Der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, einer Einzelanwältin, ist das Urteil des Landgerichts am 4. August 2023 zugestellt worden. Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 4. September 2023 ist für die Beklagte auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach Berufung eingelegt und durch Schriftsatz vom 22. September 2023 begründet worden. Beide Schriftsätze enden mit der Bezeichnung „Rechtsanwältin“, ohne dass sich darüber ein Name oder eine Unterschrift befindet. In den Transfervermerken findet sich in dem Feld „Qualifiziert elektronisch signiert“ die Angabe „nein“. Das OLG hat aufgrund der Formunwirksamkeit von Einlegung und Begründung der Berufung die Berufung verworfen und den von der Beklagten gestellten Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Berufungseinlegungsfrist zurückgewiesen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 4. Dezember 2023 – 9 U 141/23 –, MDR 2024, 462).

Die Entscheidung des Gerichts:
Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen, weil die maßgeblichen Rechtsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt sind . Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufungseinlegung nicht formgerecht erfolgt ist, weil es an der nach § 130 a Abs. 3 Satz 1 ZPO erforderlichen einfachen Signatur fehlt. Die einfache Signatur besteht aus der Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein. Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur soll sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt. Dem genügen die von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten eingereichten Schriftsätze nicht. Die Anfügung der Bezeichnung „Rechtsanwältin“ stellt keine Signatur dar. Damit sind die zwingenden Formerfordernisse nicht erfüllt.
Das Erfordernis der einfachen Signatur kann auch nicht deshalb als entbehrlich angesehen werden, weil die mit ihm verbundenen Zwecke auf anderem Weg erfüllt wären. Zwar spricht die gewählte Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130 a Abs. 4 ZPO für die Identifizierbarkeit des Urhebers. Dennoch bietet der Briefbogen einer Anwaltskanzlei keine Gewähr für eine vollständige Aufzählung der in einer Kanzlei tätigen Rechtsanwälte und ist daher kein rechtssicherer Bezugspunkt für die Zuordnung der Verantwortlichkeit für einen Schriftsatz zu einem bestimmten Berufsträger. Der Briefbogen hat lediglich die gesetzlichen Mindestangaben nach § 10 BORA zu enthalten, so dass etwa angestellte Rechtsanwälte nicht aufgelistet werden müssen. Dass im Briefbogen der Kanzlei nur ein Rechtsanwalt genannt ist, schließt daher nicht aus, dass ein dort nicht aufgeführter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat. Im Übrigen erschöpft sich darin aber der Zweck des Formerfordernisses nicht. Vielmehr wird durch die (einfache) Signatur zudem sichergestellt, dass der Absender die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt Bei fehlender (einfacher) Signatur ist daher ähnlich wie bei fehlender Unterschrift nach dem früheren Unterschriftserfordernis nicht ausgeschlossen, dass es sich bei dem übersandten Dokument lediglich um einen bloßen - etwa versehentlich übersandten - Entwurf handelt.
Eine Wiedereinsetzung in die Berufungseinlegungsfrist kommt wegen des der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschuldens ihrer Rechtsanwältin nicht in Betracht.

Konsequenzen für die Praxis:
Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 – VIII ZB 41/22 –MDR 2023, 383). Dazu gehört auch die Ausprägung, die gesetzliche Vorschriften durch die Rechtsprechung, insbesondere die höchstrichterliche, erfahren haben. Die betroffene Rechtsanwältin hat gleich zweimal verfahrensrechtliches Grundwissen unbeachtet gelassen: Die bei Übermittlung von Schriftsätzen auf dem sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 2. Alt. ZPO notwendige einfache Signatur besteht aus der Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein (BGH, Beschluss vom 9. April 2025 – XII ZB 599/23 –, juris). Nicht genügend ist das Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe. Das gilt auch für Einzelanwälte, da nicht auszuschließen ist, dass ein – auf dem Briefkopf nicht erscheinender – angestellter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat (BGH, Beschluss vom 7. September 2022 – XII ZB 215/22 –, MDR 2022, 1362; Schwenker MDR 2022, 1527).

Beraterhinweis:
Durch die Regelungen des § 130a Abs. 3 und 4 ZPO soll sichergestellt werden, dass die Identität des Signierenden von einem Dritten geprüft und bestätigt wurde. Bei der Übermittlung mittels beA geschieht die Überprüfung der Identität des Absenders anlässlich der Prüfung des Zulassungsantrags durch die Rechtsanwaltskammern und der nachfolgenden Zuteilung eines beA an den Rechtsanwalt. Der sichere Übermittlungsweg über das beA gewährleistet die Identität des Absenders deshalb nur dann, wenn die verantwortende Person, also der Rechtsanwalt als Inhaber des beA, den Versand selbst vornimmt. Ein vom Büropersonal über das beA eines Rechtsanwalts übermittelte Dokument eines bestimmenden Schriftsatzes ist nicht wirksam eingereicht und kann somit nicht fristwahrend wirken (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. April 2025 – I 24 U 64/25, AnwBl Online 2025, 103). Der Inhaber des beA kann das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV) nicht auf andere Personen übertragen. Denn bei einer solchen Versendung wäre nicht sichergestellt, dass es sich bei dem übermittelten Dokument nicht nur um einen unautorisierten Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Verantwortenden dem Gericht zugeleitet worden ist (BGH, Beschluss vom 30. März 2022 – XII ZB 311/21 –, MDR 2022, 784; Dörr MDR 2022, 940).

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