BGH: Rückübertragung Grundstück

11.12.2025
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1. Der Kondiktionsanspruch des Verkäufers ist bei einer Nichtigkeit allein des Kaufvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB auf Rückübertragung des Eigentums gerichtet, während bei einer Nichtigkeit auch des Erfüllungsgeschäfts nach § 138 Abs. 2 BGB Grundbuchberichtigung verlangt werden kann.
2. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass der Verkehrswert eines Miteigentumsanteils dessen rechnerischem Anteil an dem Verkehrswert des gesamten Grundstücks entspricht; das gilt auch bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages. Derjenige, der sich auf die Nichtigkeit eines Kaufvertrages über einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB beruft, kann sich daher darauf beschränken, Angaben zum Verkehrswert des Grundstücks zu machen; einer gesonderten Darlegung des Werts des Miteigentumsanteils bedarf es nicht.
BGH, Urteil vom 7. November 2025 – V ZR 155/24

A. Problemstellung
Liegen des Voraussetzungen eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts gem. § 138 Abs. 1 BGB vor, ist grundsätzlich nur das Verpflichtungsgeschäft nichtig; das Verfügungsgeschäft ist nur dann nichtig, wenn es seinerseits sittenwidrig ist. Das ist der Fall, wenn das dingliche Geschäft selbst sittenwidrige Zwecke verfolgt oder der Sittenverstoß gerade in der Zuwendung bzw. der Änderung der dinglichen Rechtslage liegt (Schmidt-Räntsch in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 138 Rn. 27 mwN.). Welche Auswirkungen das auf den Anspruch des Verkäufers hat, musste der V. Zivilsenat entscheiden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin war neben ihrem Ehemann zu 1/2 Miteigentümerin eines Grundstücks. Nach Trennung von ihrem Ehemann verkaufte siean jeden der Beklagten einen Miteigentumsanteil von jeweils 2/10, sodass ihr selbst ein Anteil von 1/10 verblieb. Als Gegenleistung verpflichteten sich die Beklagten, die Klägerin von dem im Innenverhältnis zu ihrem Ehemann auf sie entfallenden hälftigen Anteil an einer Darlehensverbindlichkeit freizustellen. Die Gesamtverbindlichkeit valutierte am 12. Dezember 2020 noch mit 98.273,25 €. Die jeweils gegenüber der Bank fälligen Raten wurden von dem Ehemann der Klägerin bedient. Im Mai 2020 wurden die Beklagten als Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen. Auf ihren Antrag ordnete das Amtsgericht im Dezember 2021 die Zwangsversteigerung des Grundstücks zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an. Am 18. Juli 2022 zahlten die Beklagten nach Aufforderung durch die Klägerin an deren Ehemann 10.054,79 € (Kreditraten November 2019 bis Juni 2022).
Die Klägerin hat mit ihrer Klage, die sie auf die Behauptung stützt, der Vertrag sei wegen eines krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, in erster Instanz verlangt, die Beklagten zu verurteilen, die Miteigentumsanteile Zug um Zug gegen Zahlung von 10.054,79 € an sie zurück zu übertragen; hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Berichtigung des Grundbuchs dahin zu bewilligen, dass sie wieder Inhaberin der auf die Beklagten gebuchten Miteigentumsanteile sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin über die bisherigen Anträge hinaus hilfsweise beantragt, die Zwangsversteigerung für unzulässig zu erklären. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist im Teilungsversteigerungsverfahren der Zuschlag des Grundstücks an einen Dritten erfolgt. Daraufhin hat die Klägerin zunächst hilfsweise - bedingt auf die Rechtskraft des Zuschlags - die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten beantragt und nach einem Hinweis des Kammergerichts auf die Unzulässigkeit dieses Antrags den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen. Zuletzt hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückgewiesen. Eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch den rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss könne nicht festgestellt werden. Der mit der Klage geltend gemachte bereicherungsrechtliche Rückübertragungsanspruch habe nicht bestanden, weil die Beklagten die streitgegenständlichen Miteigentumsanteile aufgrund wirksamer Auflassung erhalten hätten und somit nicht ohne Rechtsgrund. Die Auflassung sei nicht aufgrund eines krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ein etwaiges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sei schon deshalb ohne Belang, weil die Auflassung als wertneutrales abstraktes Verfügungsgeschäft von der etwaigen Unsittlichkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht erfasst werde. Die Klägerin lege nicht dar, dass die Unsittlichkeit hier gerade im Vollzug der Leistung liege. Soweit sie behaupte, ihre Leistung sei mindestens 90 % höher als die Gegenleistung der Beklagten, sei dies daher unerheblich.
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Die Begründung für die Zurückweisung der Berufung ist für den Senat schwer nachzuvollziehen, weil der angefochtene Beschluss keine gedanklich geordnete Prüfung des Klageantrags enthält, sondern aus einer aneinanderreihenden Wiederholung verschiedener zuvor erteilter Hinweise besteht. Soweit sich daraus eine Begründung entnehmen lässt, trägt sie die Abweisung der Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag nicht. Richtig ist im Ausgangspunkt, dass die von der Klägerin begehrte Feststellung voraussetzt, dass die Klage mit dem Antrag auf Rückübertragung der Miteigentumsanteile bis zu dem während des Berufungsverfahrens erfolgten Zuschlag in dem Teilungsversteigerungsverfahren zulässig und begründet war. Allerdings kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die auf Auflassung der Miteigentumsanteile gerichtete Klage mit dem Eigentumsverlust der Beklagten durch den Zuschlag im Teilungsversteigerungsverfahren (§ 90 Abs. 1 ZVG) unbegründet geworden ist. Denn eine zur Unbegründetheit der Klage führende subjektive Unmöglichkeit der Leistung iSv. § 275 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 BGB (Unvermögen) tritt nicht schon durch die Veräußerung des Grundstücks und den damit verbundenen Verlust der Verfügungsbefugnis ein. Unvermögen liegt vielmehr nur und erst dann vor, wenn feststeht, dass der Schuldner die Verfügungsmacht nicht mehr erlangen kann. Das Berufungsgericht hat dies zwar möglicherweise nicht bedacht; jedenfalls hat es keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Beklagten nicht in der Lage wären, sich das an den Ersteher zugeschlagene Eigentum an dem Grundstück zu beschaffen, um der Klägerin sodann insgesamt 4/10 Miteigentumsanteile aufzulassen. Es nimmt aber an, dass eine Leistungspflicht der Beklagten zur Rückübertragung der Miteigentumsanteile wegen des Zuschlags „aufgrund rechtlicher Leistungshindernisse“ gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. Dies ist somit jedenfalls für das Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen. Dann ist die hierauf gerichtete Klage mit dem Zuschlag unbegründet geworden und kommt es für die Begründetheit des Feststellungsantrags darauf an, ob sie bis zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet war.
Noch zutreffend geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass dies der Fall ist, wenn der Klägerin gegen die Beklagten ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückübertragung der insgesamt 4/10 Miteigentumsanteile zustand. Von Rechtsirrtum beeinflusst ist aber die Annahme, ein solcher Anspruch komme selbst dann nicht in Betracht, wenn ein „krasses Missverhältnis“ zwischen der in dem Kaufvertrag vereinbarten Leistung und Gegenleistung vorgelegen haben sollte, weil eine etwaige Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 138 Abs. 1 BGB nicht auch die Auflassung erfasse. Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu. Von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann bei Grundstücksgeschäften ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, was der Fall ist, wenn der Wert einer der beiden Leistungen mindestens 90 % über dem Wert der anderen liegt. Nach diesem Maßstab wäre der Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft sittenwidrig und nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Denn für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass ein „krasses“, also ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt. Damit ist eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten bei Vertragsschluss zu vermuten.
Mit der Nichtigkeit des Kaufvertrages ist der Rechtsgrund für die Leistung der Klägerin, die in der Verfügung über die insgesamt 4/10 Miteigentumsanteile an dem Grundstück liegt, entfallen. Die Annahme des Berufungsgerichts, Rechtsgrund für den Eigentumserwerb der Beklagten sei die Auflassung, die als wertneutrales abstraktes Verfügungsgeschäft von der etwaigen Unsittlichkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht erfasst werde, ist unzutreffend. Richtig ist zwar, dass sich bei einem wucherähnlichen sittenwidrigen Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit, anders als im Falle des Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB, nur auf das Grundgeschäft bezieht, während die abstrakten Erfüllungsleistungen wirksam bleiben. Ist ein Grundstückskaufvertrag als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, bleibt somit der durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch bewirkte Eigentumserwerb des Käufers hiervon unberührt. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die Auflassung sei Rechtsgrund iSv. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB für den Eigentumserwerb, hier der Beklagten. Rechtsgrund (causa) für den Eigentumserwerb ist vielmehr der Kaufvertrag als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft. Die Auflassung als dingliche Verfügung über das Grundeigentum (§§ 873, 925 BGB) ist lediglich Teil des Erfüllungsgeschäfts. Gerade weil die abstrakten sachenrechtlichen Erfüllungsgeschäfte im Regelfall - von Ausnahmen wie etwa § 138 Abs. 2 BGB abgesehen - von der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts nicht erfasst werden, ist der Kondiktionsanspruch in einem solchen Fall auf Rückgängigmachung des Rechtserwerbs gerichtet. Der Anspruch des Verkäufers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückübertragung des Grundeigentums wegen Nichtigkeit des Kaufvertrages setzt somit gerade voraus, dass der in das Grundbuch eingetragene Käufer wirksam Eigentum erworben hat; darin besteht die „Leistung“ im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, nicht aber der rechtliche Grund für diese. Wird der Käufer in das Grundbuch eingetragen, ohne materiell-rechtlich Eigentum zu erwerben, kann er lediglich eine Buchposition herausgeben; der Verkäufer kann also nach § 894 BGB die Bewilligung der Grundbuchberichtigung verlangen. Deshalb ist der Kondiktionsanspruch des Verkäufers bei einer Nichtigkeit allein des Kaufvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB auf Rückübertragung des Eigentums gerichtet, während bei einer Nichtigkeit auch des Erfüllungsgeschäfts nach § 138 Abs. 2 BGB Grundbuchberichtigung verlangt werden kann. Ist der Kaufvertrag der Parteien als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, so haben die Beklagten der Klägerin die aufgrund ihrer Leistung erlangten Miteigentumsanteile nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB durch Rückübertragung (Auflassung und Bewilligung der Eintragung der Eigentumsänderung) herauszugeben und war die Klage mit dem hierauf gerichteten Hauptantrag jedenfalls bis zu dem in dem Teilungsversteigerungsverfahren erfolgten Zuschlag des Grundstücks an einen Dritten begründet.
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die Klage kann insbesondere nicht mit der von dem Landgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden, ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung lasse sich nicht feststellen, weil die Klägerin nicht hinreichend substantiiert zu dem Verkehrswert der von ihr veräußerten Miteigentumsanteile vorgetragen habe. Die Klägerin hat - durch ein Privatgutachten und das in dem Teilungsversteigerungsverfahren eingeholte Verkehrswertgutachten untermauert - vorgetragen, der Wert des Grundstücks habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 8. November 2019 ca. 690.000 € betragen, bezogen auf 4/10 Miteigentumsanteile folglich 276.000 €. Dem habe als Gegenleistung der Beklagten lediglich die Freistellung von der im Innenverhältnis zur Hälfte auf die Klägerin entfallenden Darlehensverbindlichkeit in Höhe von 109.674,47 €, somit 54.837,24 € gegenübergestanden. Das Landgericht hat diesen Vortrag als „unplausibel“ und unschlüssig angesehen, weil auf der Hand liege, dass der Verkehrswert von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück, das von einem anderen Miteigentümer, der daran 5/10 Anteile halte, allein bewohnt werde, nicht einfach durch eine quotale Aufteilung des für das Gesamtgrundstück ermittelten Wertes berechnet werden könne. Mit dieser Begründung werden die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag zu einem besonders groben Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Wert der Miteigentumsanteile überspannt. Sachvortrag ist schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ohne Bedeutung. In Fallgestaltungen, in denen ein erfolgversprechender Parteivortrag fachspezifische Fragen betrifft und besondere Sachkunde erfordert, dürfen an den klagebegründenden Sachvortrag der Partei nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Kommt es auf den Verkehrswert einer Sache an, ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die darlegungspflichtige Partei einen bestimmten Wert behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis stellt. Unbeachtlich ist eine solche Behauptung nur dann, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein” aufgestellt worden ist; bei der Annahme eines solch rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ist allerdings Zurückhaltung geboten. Nach diesem Maßstab ist der Vortrag der Klägerin zu dem Wert der veräußerten Miteigentumsanteile als ausreichend anzusehen. Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Verkehrswert eines Miteigentumsanteils dessen rechnerischem Anteil an dem Verkehrswert des gesamten Grundstücks entspricht; das gilt auch bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages. Dies folgt daraus, dass der Ersteher (Miteigentümer) entweder nach §§ 749, 752 Satz 1 BGB die Realteilung des Grundstücks verlangen und sein dadurch entstehendes, in seinem Alleineigentum befindliches Grundstück veräußern, oder aber nach §§ 749, 753 Abs. 1 Satz 1 BGB die Zwangsversteigerung und Teilung des Erlöses (Teilungsversteigerung, §§ 180 ff. ZVG) verlangen kann, bei der das Gesamtgrundstück versteigert wird und die Miteigentümer einen ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil entsprechenden Teil des Erlöses erhalten. Aber selbst wenn es im Einzelfall anders liegen sollte und von dem rechnerischen Wert der Anteile ein Abschlag vorgenommen werden müsste, wäre es nicht Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Partei, hierzu nähere Angaben zu machen, bei denen es sich für einen Laien regelmäßig um reine Mutmaßungen handeln müsste. Derjenige, der sich auf die Nichtigkeit eines Kaufvertrages über einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB beruft, kann sich darauf beschränken, Angaben zum Verkehrswert des Grundstücks zu machen; einer gesonderten Darlegung des Werts des Miteigentumsanteils bedarf es nicht. Sollte dem Gericht insoweit nicht ohnehin, etwa auf der Grundlage eines - wie hier - in einem Teilungs- bzw. Zwangsversteigerungsverfahren eingeholten Gutachtens eine Schätzung nach § 287 ZPO möglich sein, wäre im Wege der Beweisaufnahme zu klären, ob und ggf. in welcher Höhe ein solcher Abschlag vorzunehmen ist.

C. Kontext der Entscheidung
Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich, es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt; dem steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt. Danach können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so kann dies den Schluss auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes rechtfertigen. Von einem solchermaßen groben Missverhältnis, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung zulässt, ist bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Die hieran anknüpfende Schlussfolgerung leitet sich aus dem Erfahrungssatz her, dass in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not - oder nicht ohne einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand - zugestanden werden und auch der Begünstigte diese Erfahrung teilt (BGH, Urt. v. 19.01.2001 – V ZR 437/99 –, Rn. 10 – 12 mwN.).

D. Auswirkungen für die Praxis
Der Klägerin bleibt es im Grundsatz möglich, in dem neuen Berufungsverfahren - wie im Revisionsverfahren angekündigt - zu dem Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zurückzukehren, worauf der Senat ausdrücklich hinweist ((BGH, Urt. v. 7.11.2025 – V ZR 155/24 –, Rn. 25). Die von ihr abgegebene Erledigungserklärung hat, weil sie einseitig geblieben ist, nicht die Rechtshängigkeit des für erledigt erklärten Anspruchs beseitigt; dieser ist vielmehr weiterhin verfahrensrechtlich die Hauptsache geblieben (BGH, Urt. v. 29.10.2009 - I ZR 191/07, Rn. 47 mwN.). Dass der Feststellungsantrag an eine außerprozessuale Bedingung, nämlich den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses geknüpft und damit möglicherweise, wie das Berufungsgericht gemeint hat, unzulässig war, steht dem nicht entgegen. Denn der Zuschlagsbeschluss war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon vor der Zurückweisung der Berufung rechtskräftig geworden. Zwar wird eine in unzulässiger Weise unter eine außerprozessuale Bedingung gestellte Klage nicht dadurch zulässig, dass die Bedingung später eintritt (BGH, Urt. v. 6.12.2006 - XII ZR 190/06 Rn. 9). Die Klägerin wäre aber nicht gehindert, den Feststellungsantrag nunmehr unbedingt zu stellen, worauf sie das Berufungsgericht bei sachgerechter Verfahrensleitung bereits im ersten Berufungsverfahren hätte hinweisen müssen.

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