BGH: Unwirksame Streitverkündung

16.7.2025
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Die Heilung inhaltlicher Mängel einer Streitverkündungsschrift nach § 73 Satz 1 ZPO durch "rügelose Einlassung" des auf Seiten des Streitverkünders beigetretenen Streitverkündungsempfängers gemäß § 295 Abs. 1 ZPO mit Wirkung für die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB in der auf diesen Beitritt folgenden mündlichen Verhandlung scheidet aus.
BGH, Urteil vom 12. Juni 2025 – VII ZR 14/24

A. Problemstellung
Ob eine wegen unzureichender Angaben unwirksame Streitverkündung trotzdem die Verjährung von Ansprüchen des Streitverkünders gegen den Streitverkündungsempfänger hemmt, wenn dieser dem Rechtsstreit beitritt und die Mängel der Streitverkündungsschrift nicht rügt, hatte der VII. Zivilsenat zu entscheiden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin errichtete als Bauträgerin Eigentumswohnungen und beauftragte dafür den Beklagten mit Parkettverlegearbeiten. Im Dezember 2011 verlegte der Beklagte in einer Eigentumswohnung, wie er es mit deren Erwerber vereinbart hatte, abweichend von dem in der Baubeschreibung vorgesehenen Eichen- oder Buchenparkett, geöltes Bambusparkett. Anschließend berechnete er der Klägerin am 12. Dezember 2011 für die Bodenbelagsarbeiten einen Betrag von 5.231,80 € netto, den diese beglich. Den Mehrpreis für das Bambusparkett rechnete der Beklagte unmittelbar gegenüber dem Erwerber ab. Nachdem der Erwerber die Wohnung im Januar 2012 übernommen hatte, rügte er einen Schwund des Parketts. Im Vorprozess machte die Klägerin gegenüber dem Erwerber den Restkaufpreis aus dem Bauträgervertrag von 66.885 € geltend. Der Erwerber wandte Mängel, insbesondere am Parkett, ein. Die Klägerin verkündete dem hiesigen Beklagten den Streit. In der von ihrem Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Streitverkündungsschrift vom 26. Juni 2015 heißt es im Anschluss an das Rubrum des Vorprozesses ausschließlich: "verkünde ich hiermit Herrn P. M., Firma Bodenbeläge M., den Streit mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit beizutreten. Begründung: Sollte sich im vorliegenden Rechtsstreit herausstellen, dass die Klägerin die Parkettmängel der Firma M. zu verantworten hat, hätte diese einen Regressanspruch gegen die Firma M. Durch die Streitverkündung kann unter Umständen ein weiteres Verfahren vermieden werden." Die Streitverkündungsschrift, der keine Anlagen beigefügt waren, wurde dem Beklagten am 7. Juli 2015 zugestellt, der mit Schriftsatz vom 14. Juli 2015 der Klägerin beitrat. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens schlossen die Klägerin und der Erwerber am 11. Mai 2022 einen Vergleich, in dem sich der Erwerber verpflichtete, an die Klägerin 25.000 € zu zahlen. Ferner erklärten sich die Parteien darüber "einig, dass der Abzugsbetrag von 41.885 € zu der Klageforderung ausschließlich auf den geltend gemachten Parkettmängeln" beruhe.
Diesen Betrag macht die Klägerin mit der am 21. Oktober 2022 zugestellten Klage geltend. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 41.885 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin sei wegen der verjährungshemmenden Wirkung der Streitverkündung, deren Mängel geheilt worden seien, nicht verjährt. Die inhaltlichen Mängel der Streitverkündungsschrift seien gemäß § 295 ZPO dadurch geheilt worden, dass der Beklagte sie nach seinem Beitritt im Vorprozess in der nächsten mündlichen Verhandlung nicht gerügt habe. Sei der Inhalt des Streitverkündungsschriftsatzes unvollständig, lasse er aber den Klageanspruch und die Regressmöglichkeit gegen den Streitverkündungsempfänger insoweit deutlich werden, als dieser sich jedenfalls durch Akteneinsicht die erforderliche Klarheit für seinen Entschluss verschaffen könne, ob er dem Verfahren beitreten soll, bestehe keine Veranlassung, die Rüge dieser Mängel der Streitverkündung dem Anwendungsbereich des § 295 ZPO zu entziehen.
Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt zur Klageabweisung. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin verjährt. Frei von Rechtsfehlern ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Zustellung der Streitverkündungsschrift der Klägerin infolge ihrer inhaltlichen Mängel nicht zur Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB geführt hat. Die Verjährung wird durch die Zustellung einer Streitverkündung nur dann gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB gehemmt, wenn die Streitverkündung den sich aus § 73 Satz 1 ZPO ergebenden Konkretisierungserfordernissen genügt. Gemäß § 73 ZPO hat die Partei zum Zwecke der Streitverkündung einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben sind. Mit dem Grund der Streitverkündung ist das Rechtsverhältnis gemeint, aus dem sich der Rückgriffsanspruch gegen den Dritten oder dessen Anspruch gegen den Streitverkündungsempfänger ergeben soll. Dieses Rechtsverhältnis ist unter Angabe der tatsächlichen Grundlagen so genau zu bezeichnen, dass der Streitverkündungsempfänger - gegebenenfalls nach Einsicht in die Prozessakten (§ 299 ZPO) - prüfen kann, ob es für ihn angebracht ist, dem Rechtsstreit beizutreten. Er muss erkennen können, welchen Anspruchs sich der Streitverkünder ihm gegenüber berühmt. Hierzu müssen der Klageanspruch und die Regressmöglichkeit erkennbar sein. Hieran gemessen ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Streitverkündungsschrift der Klägerin habe diesen Anforderungen nicht genügt und die Verjährungshemmung nicht bewirken können, nicht zu beanstanden.    
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht indes angenommen, die inhaltlichen Mängel der Streitverkündungsschrift seien gemäß § 295 Abs. 1 ZPO mit Wirkung für die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB geheilt worden, weil der hiesige Beklagte als Streitverkündungsempfänger die Mängel in der auf seinen Beitritt folgenden mündlichen Verhandlung im Vorprozess nicht gerügt habe. Die Heilung inhaltlicher Mängel einer Streitverkündungsschrift nach § 73 Satz 1 ZPO durch "rügelose Einlassung" des auf Seiten des Streitverkünders beigetretenen Streitverkündungsempfängers gemäß § 295 Abs. 1 ZPO mit Wirkung für die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB in der auf den Beitritt im Vorprozess folgenden mündlichen Verhandlung scheidet aus. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 295 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Nach § 295 Abs. 1 ZPO kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift u.a. dann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Danach kommt die vom Berufungsgericht angenommene Heilung nicht in Betracht. Der als Streithelfer beigetretene Streitverkündungsempfänger ist nicht "Partei" des Vorprozesses. Im Vorprozess gibt es keine mündliche Verhandlung, die "auf Grund" der Streitverkündung stattfindet oder in der "darauf Bezug genommen ist". Vielmehr hat die Streitverkündung für den Vorprozess keine Bedeutung. Die Einhaltung der inhaltlichen Anforderungen nach § 73 Satz 1 ZPO wird, ebenso wie die Zulässigkeit der Streitverkündung nach § 72 Abs. 1 ZPO, nicht im Vorprozess, in dem der Streit verkündet wird, sondern erst in einem etwaigen Folgeverfahren zwischen der den Streit verkündenden Partei und dem Streitverkündungsempfänger geprüft.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Streitverkündungsempfänger im Vorprozess beigetreten ist oder nicht. Auch im Fall des Beitritts gibt es für ihn weder eine Veranlassung noch eine Möglichkeit, im Vorprozess die Ordnungsgemäßheit der Streitverkündung zu "rügen". Der Streitverkündungsempfänger ist ohnehin nicht verpflichtet, sich zu der ihm gegenüber erfolgten Streitverkündung zu erklären. Er kann vielmehr davon absehen mit der Folge, dass der Rechtsstreit dann ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt wird (§ 74 Abs. 2 ZPO). In einem solchen Fall bestünde für ihn schon mangels Beteiligung keine Rügemöglichkeit im Vorprozess, auf die bei der Anwendung von § 295 Abs. 1 ZPO abgestellt werden könnte. Der Streitverkündungsempfänger, der im Vorprozess beitritt, darf im Hinblick auf die Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der dort nicht beitritt; das gilt umso mehr, als der Beitritt im Vorprozess unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 ZPO auch unabhängig von einer dort erfolgten Streitverkündung erklärt werden kann. Die - ausschließlich für und mit Blick auf den Ausgang des Vorprozesses getroffene - (Unterstützungs-)Entscheidung kann es dem Streitverkündungsempfänger nicht verwehren, im Folgeprozess, in dem es nun (erstmals) um seine eigene Inanspruchnahme geht, einzuwenden, die Streitverkündung sei nicht geeignet gewesen, die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB herbeizuführen.

C. Kontext der Entscheidung
Die Streitverkündung ist eine Prozesshandlung mit prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen. Prozessual bewirkt sie, dass ein bislang nicht am Verfahren beteiligter Dritter unabhängig von einem durch Streitverkündung ausgelösten Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten einer der Prozessparteien an die Ergebnisse des Prozesses, innerhalb dessen der Streit verkündet wird, gebunden wird (§ 74 ZPO iVm. § 68 ZPO). Materiellrechtlich führt die Zustellung der Streitverkündungsschrift, gegebenenfalls bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen mit der Rückwirkung des § 167 ZPO, gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB zur Hemmung der Verjährung (Reinelt, jurisPR-BGHZivilR 3/2008 Anm. 4 mwN.). Der erkennende Senat hatte ursprünglich die Auffassung vertreten, nur eine zulässige Streitverkündung vermöge materiell- und prozessrechtliche Wirkungen auszulösen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1975 – VII ZR 130/73 –, Rn. 18). Daran kann nach dem Urteil des IX. Zivilsenates vom 6. Dezember 2007 nicht mehr festgehalten werden (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – IX ZR 143/06; dazu kritisch: Althammer/Würdinger NJW 2008, 2620). Tritt der Dritte, dem der Streit verkündet worden ist, dem Streitverkünder bei, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Prozessparteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention (§ 74 Abs. 1 ZPO). Damit gilt auch § 71 Abs. 3 ZPO. Solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig ausgesprochen ist, wird der Intervenient im Hauptverfahren zugezogen. Nach Maßgabe des § 74 Abs. 3 ZPO treten die prozessualen Wirkungen des § 68 ZPO ein. Insoweit wird die Zulässigkeit der Streitverkündung im Folgeprozess nicht mehr geprüft. Wird der Beitritt nicht rechtskräftig zurückgewiesen, löst folglich auch eine unzulässige Streitverkündung die Interventionswirkung des § 68 ZPO aus (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – IX ZR 143/06 –, Rn. 13). Für die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung gilt dies jedoch nicht. Auch die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) neu gefasste Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB setzt eine zulässige, d.h. den Anforderungen der §§ 72f. ZPO entsprechende Streitverkündung voraus (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – IX ZR 143/06 –, Rn. 20).

D. Auswirkungen für die Praxis
Die Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB wird nicht nur durch das Erfordernis der Zulässigkeit der Streitverkündung, sondern auch durch den Inhalt der Streitverkündungsschrift begrenzt, die den sich aus § 73 Abs. 1 ZPO ergebenden Konkretisierungserfordernissen genügen muss (BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 – VII ZR 104/14 –, Rn. 29). Gemäß § 73 Satz 1 ZPO hat die Partei zum Zwecke der Streitverkündung einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Damit ist das Rechtsverhältnis gemeint, aus dem sich der Rückgriffsanspruch gegen den Dritten oder dessen Anspruch gegen den Streitverkündenden ergeben soll. Dieses Rechtsverhältnis ist unter Angabe der tatsächlichen Grundlagen so genau zu bezeichnen, dass der Streitverkündungsempfänger - gegebenenfalls nach Einsicht in die Prozessakten (§ 299 ZPO) - prüfen kann, ob es für ihn angebracht ist, dem Rechtsstreit beizutreten. Dies soll sicherstellen, dass der Streitverkündungsempfänger mit Zustellung der Streitverkündungsschrift Kenntnis davon erlangt, welchen Anspruchs sich der Streitverkündende gegen ihn berühmt. Fehlen die erforderlichen Mindestangaben, wird die Verjährung nicht unterbrochen oder gehemmt. Die Streitverkündungsschrift genügt den Konkretisierungserfordernissen, wenn in ihr der Anspruchsgrund in ausreichendem Maße bezeichnet wird. Sie braucht den ihr zugrunde liegenden Anspruch nicht bereits auch der Höhe nach zu konkretisieren (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 – IX ZR 204/09 –, Rn. 14, mwN.).

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