BGH: WEG-Verwalterhaftung bei pflichtwidrigen Zahlungen

13.3.2024
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1. Hat eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einem Werkunternehmer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, gehört es zu den Pflichten des Verwalters, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Bei der Bewirkung von Zahlungen ist er verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind.

2a. Zahlt der Verwalter im Zuge der Vornahme von Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig Abschläge, kann für die Ermittlung des Schadens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht allein auf die durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene Minderung des Gemeinschaftsvermögens abgestellt werden. In den Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen ist vielmehr auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen Leistungen gegenüberstehen, trifft die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

2b. Eine Haftung des Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen scheidet aus, solange eine vertragsgerechte Leistung noch im Wege der (Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer herbeigeführt werden kann.

2c. Ist dagegen die (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, haftet der Verwalter für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer. Der Verwalter ist in diesem Fall aber nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.

BGH, Urteil vom 26. Januar 2024 – V ZR 162/22

1. Problemstellung

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zu entscheiden, in welchem Umfang der Verwalter einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer haftet, wenn er auf Abschlagsrechnungen von Werkunternehmern, die mit Arbeiten zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums beauftragt sind, pflichtwidrig Abschläge zahlt.

2. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Beklagte war Verwalter der Klägerin, einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE, früher: WEG). Im Juli 2019 beschlossen die Wohnungseigentümer die Erneuerung der Dacheindeckung. Nach der Vergabe der Arbeiten mit einem Gesamtvolumen von 116.497,85 € brutto stellte der beauftragte Werkunternehmer eine Abschlagsrechnung für Material in Höhe von 61.872 €; dieser Rechnung beigefügt war ein Angebot einer anderen Firma aus April 2019 über die Lieferung von Baumaterial. Im Oktober 2019 zahlte der Beklagte aus Mitteln der Klägerin einen - auf fünf Teilzahlungen aufgeteilten - Betrag von 70.000 €. Nach dem Beginn der Arbeiten zahlte er im November 2019 einen weiteren - auf sechs Teilzahlungen aufgeteilten - Betrag von 34.500 €, ohne dass insoweit Abschlagsrechnungen gestellt wurden. Die Arbeiten an dem Dach wurden bei einem Baufortschritt von etwa 85-90 % eingestellt. Ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Privatgutachten bezeichnet die erbrachten Arbeiten als mangelhaft und unbrauchbar; zur Beseitigung der Mängel sei der Abriss der bisherigen Arbeiten erforderlich. In einem anderen Verfahren nimmt die Klägerin den Werkunternehmer im Wege der offenen Teilklage auf Rückzahlung geleisteter Abschläge in Anspruch. Mit der Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten Zahlung von 104.500 € nebst Zinsen, hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche gegen den Werkunternehmer. Mit einem zweiten Hilfsantrag begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagte alle Schäden zu ersetzen habe, die ihr durch die Auszahlung des Betrages von 104.500 € im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben entstehen. Das Amtsgericht hat der Klage nur im ersten Hilfsantrag stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage unter Zurückweisung der gegen die Abweisung des unbedingten Zahlungsantrags und hilfsweise auf die Feststellung von Annahmeverzug gerichteten Anschlussberufung der Klägerin abgewiesen. Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen einer Verletzung von Pflichten aus dem Verwaltervertrag. Es meint, die Klägerin habe, eine Pflichtverletzung des Beklagten unterstellt, nicht hinreichend dargelegt, dass der Vermögensabfluss von 104.500 € ihrem Schaden entspreche, denn sie lasse den Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung außer Betracht. Das Privatgutachten enthalte lediglich die nicht ausreichende pauschale Feststellung, dass die erbrachten Werkleistungen unbrauchbar seien; es verhalte sich nicht dazu, ob die von dem Beklagten gezahlten Gelder nicht auch einen Vermögenszufluss bei der Klägerin verursacht hätten. Außerdem bleibe der Klägerin der von dem Werkunternehmer vorgenommene Abriss des alten Daches als Vorteil erhalten, und es könne eventuell Material bei einer Beseitigung der behaupteten Mängel (wieder-)verwendet werden. Im Übrigen hätten sich unterstellt vorzeitige Abschlagszahlungen nicht kausal ausgewirkt. Denn ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Beklagten, das in Zahlungen auf berechtigte Abschlagsforderungen zu sehen wäre, hätte die Klägerin nicht vor einem Schaden durch die behauptete mangelhafte Werkausführung bewahrt. Der Beklagte verfüge auch nicht über bausachverständige Fertigkeiten, so dass nur der Maßstab angelegt werden könne, welcher der üblichen Sorgfalt eines Wohnungseigentümers entspreche.

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Verwaltervertrag wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen nicht verneint werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe - eine Pflichtverletzung des Beklagten unterstellt - den Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung außer Acht gelassen und infolgedessen nicht hinreichend dargelegt, dass der Vermögensabfluss von 104.500 € ihrem Schaden entspreche, ist unzutreffend. Das Berufungsgericht verkennt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung ist der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig. Wären die von dem beauftragten Werkunternehmer erbrachten Leistungen, wie das Berufungsgericht annimmt, unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen, müsste nicht die Klägerin, sondern der Beklagte darlegen und beweisen, ob und in welchem Umfang bei der Klägerin mit Rücksicht auf die erbrachten Leistungen des Werkunternehmers ein Vorteil verblieben sein könnte. Aber auch von seinem Standpunkt aus durfte das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin nicht als unsubstantiiert erachten. Ein Sachvortrag ist schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. In Fallgestaltungen, in denen ein erfolgversprechender Parteivortrag fachspezifische Fragen betrifft und besondere Sachkunde erfordert, dürfen an den klagebegründenden Sachvortrag der Partei nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Die Partei darf sich in diesem Fall auf den Vortrag von ihr zunächst nur vermuteter Tatsachen beschränken. Zur Ermittlung von Umständen, die ihr nicht bekannt sind, ist eine Partei im Zivilprozess grundsätzlich nicht verpflichtet. Daran gemessen ist der Vortrag der Klägerin, wonach pflichtwidrigen Abschlagszahlungen insgesamt unbrauchbare Werkleistungen gegenüberstehen, die (auch) den Abriss des neuen Daches erfordern, ohne jeden Zweifel schlüssig und hinreichend substantiiert. Der Umstand, dass die Klägerin zur Untermauerung ihres Vortrags ein aus Sicht des Berufungsgerichts unzureichendes Privatgutachten eingereicht hat, ändert hieran nichts. Denn bei einem Privatgutachten handelt es sich nur um (substantiierten) Parteivortrag. Durch die Beauftragung eines Privatgutachters hat die Klägerin mehr veranlasst, als prozessual von ihr verlangt werden kann. Dass das Privatgutachten keine detaillierten Ausführungen zu den einzelnen Mängeln enthalten mag, rechtfertigt es daher nicht, den klägerischen Vortrag als unerheblich anzusehen; deshalb wären auch dann, wenn die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet wäre, genauere Angaben zu einzelnen Mängeln und dem Umfang der Mangelbeseitigung nicht erforderlich gewesen.

Der Klage kann der Erfolg entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht mit dem Verweis auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, also auf einen fehlenden Kausalzusammenhang zwischen einer - unterstellten - Pflichtverletzung des Beklagten und einem - unterstellt wegen der mangelhaften Werkleistungen eingetretenen - Schaden der Klägerin versagt werden. Die Berufung des Schädigers auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, das heißt der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm. Voraussetzung ist zudem, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus. Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht vor. Das Berufungsgericht unterstellt zugunsten der Klägerin, dass die Abschlagszahlungen von dem Beklagten pflichtwidrig vorgenommen worden sind. In diesem Fall wäre aber die unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu prüfende Handlungsalternative allein die Nichtvornahme der Zahlungen gewesen; dadurch wäre der - unterstellte - Schaden gerade nicht gleichermaßen entstanden, sondern vielmehr verhindert worden. Demgegenüber knüpft die Annahme, dass der Beklagte berechtigte Abschlagsforderungen des Werkunternehmers bei pflichtgemäßen Verhalten zu erfüllen gehabt hätte, nicht (nur) - wie es aber Voraussetzung eines solchen Einwands wäre - an ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Beklagten an, sondern setzt außerdem ein fiktives Alternativverhalten eines Dritten, nämlich des Werkunternehmers, voraus.    

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sie ist nicht zur Endentscheidung reif, weil weitere Feststellungen zu treffen sind. Dazu weist der Senat auf Folgendes hin: Das Berufungsgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob der Beklagte seine Pflichten als Verwalter der Klägerin verletzt hat (§ 280 Abs. 1 BGB). Hat eine GdWE mit einem Werkunternehmer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen, gehört es zu den Pflichten des Verwalters nach Maßgabe des hier noch anwendbaren § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung (jetzt § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen. Bei der Bewirkung von Zahlungen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 5 WEG aF ist er verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind; für ihn erkennbare Mängel muss er hierbei berücksichtigen. Der Verwalter einer GdWE hat demnach zu prüfen, ob eine von dem mit einer Erhaltungsmaßnahme beauftragten Werkunternehmer verlangte Abschlagszahlung dem Grunde und der Höhe nach berechtigt ist. Daraus folgt, dass der Verwalter im Regelfall (auch) die Voraussetzungen des § 632a BGB, der weitgehend § 16 Abs. 1 VOB/B entspricht, beachten muss. Hierzu gehört u.a. das in § 632a Abs. 1 Satz 5 BGB geregelte Erfordernis einer Aufstellung, die eine rasche und sichere Beurteilung der Leistungen ermöglicht; ohne sie ist ein Anspruch auf Abschlagszahlung nicht gegeben. Der Verwalter muss die Abschlagsrechnung außerdem daraufhin durchsehen, ob sie zu dem Auftrag und dem Leistungsstand passt. Eine Abschlagszahlung für Stoffe oder Bauteile, die angeliefert oder eigens angefertigt und bereitgestellt sind, erfordert - abgesehen davon, dass die Stoffe oder Bauteile den vertraglichen Vorgaben entsprechen müssen - außerdem gemäß § 632a Abs. 1 Satz 6 BGB, dass dem Besteller nach seiner Wahl Eigentum an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder entsprechende Sicherheit hierfür geleistet wird.    

Von einer Verletzung der Pflicht, die verlangten Abschlagszahlungen auf ihre Berechtigung zu überprüfen, dürfte nach den bisherigen Feststellungen auszugehen sein. So fehlt es für einen erheblichen Teil der Zahlungen an einer Abschlagsrechnung beziehungsweise einer Aufstellung, die eine sichere Beurteilung der erbrachten Leistungen ermöglichen würde; damit bestand insoweit von vorneherein kein Anspruch des Werkunternehmers. Soweit für andere Teilzahlungen eine Abschlagsrechnung für Material vorhanden ist, hätte der Beklagte jedenfalls stichprobenartig überprüfen müssen, ob diese zu dem Auftrag und dem angelieferten Material passt und ob das Material übereignet oder Sicherheit geleistet worden ist; nach den bisherigen Feststellungen kann hiervon nicht ausgegangen werden. Auf die Frage, ob die in dem Privatgutachten genannten Mängel der Werkleistungen für den Beklagten erkennbar waren, kommt es demnach (zunächst) nicht an. Sollte sich im Verlauf des weiteren Verfahrens allerdings herausstellen, dass der Beklagte seinen Pflichten bei Überprüfung der vorhandenen Abschlagsrechnung genügt hat, hätte sich das Berufungsgericht damit zu befassen, ob sich ein Verwalter, der nicht selbst über die erforderlichen Kenntnisse für die Prüfung der Werkleistungen verfügt, überhaupt auf eine allein auf mangelnder Fachkunde beruhende fehlende Erkennbarkeit von Mängeln der Werkleistung berufen kann. Das kann insbesondere dann zu verneinen sein, wenn es der Verwalter bei einer mit erheblichem Kostenrisiko verbundenen umfangreichen baulichen Maßnahme unterlassen hat, die Wohnungseigentümer auf seine fehlende Fachkompetenz hinzuweisen und eine Beschlussfassung über eine überwachende Tätigkeit durch Sonderfachleute vorzubereiten.

Das Berufungsgericht wird, wenn sich Pflichtverletzungen des Beklagten bestätigen sollten, weiter zu prüfen haben, ob das Verhalten des Beklagten zu einem Schaden der Klägerin geführt hat. Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist nach der sogenannten Differenzhypothese durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen. Zahlt der Verwalter im Zuge der Vornahme von Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig Abschläge, kann für die Ermittlung des Schadens der GdWE, allerdings nicht allein auf die durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene Minderung des Gemeinschaftsvermögens abgestellt werden. In den Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen ist vielmehr auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen Leistungen gegenüberstehen, trifft die GdWE. Das folgt allerdings nicht daraus, dass es sich bei den erbrachten Werkleistungen um unmittelbar in die Schadensberechnung einzubeziehende Vorteile handelte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Vorteile - auch Steuervorteile - nur im Wege der auf dem Gedanken von Treu und Glauben beruhenden Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sind; diese kommt nur in Betracht, wenn zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, was der Schädiger darzulegen und zu beweisen hat (Nachweise in Rn. 22). Hier ergeben sich etwaige Vorteile, sofern sie bei der Klägerin überhaupt eingetreten sind, allein infolge des Bauvertrags. Sie beruhen nicht kausal auf der Verletzung der Verwalterpflichten des Beklagten im Zusammenhang mit der Erbringung von Abschlagszahlungen, sondern auf den Leistungen des beauftragten Werkunternehmers, die ohne die Zahlungen auch nicht zwangsläufig entfielen. Ob eine pflichtwidrige Abschlagszahlung zu einem Schaden geführt hat, hängt aber gleichwohl davon ab, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Diese Frage stellt sich schon im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs, weil sich die Differenzhypothese auch einer normativen Kontrolle zu unterziehen hat. Entscheidend ist insoweit, dass es sich bei den Abschlagszahlungen um vorläufige Zahlungen handelt. Die in § 632a BGB bzw. § 16 Abs. 1 VOB/B geregelte Abschlagszahlung bezweckt, den nach § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB vorleistungspflichtigen Werkunternehmer zu entlasten und die gerade bei Bauleistungen mit der Vorfinanzierung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen. Der Anspruch auf Abschlagszahlungen ist auf Anzahlungen in Bezug auf den Vergütungsanspruch für das Gesamtwerk gerichtet. Die Abschlagsforderungen und auch die Anzahlungen haben keinen endgültigen Charakter, sondern sind nur vorläufig. Der Werkunternehmer hat daher über die ihm zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlagszahlungen mit der Schlussrechnung abzurechnen. Erbrachte Abschlagszahlungen sind dabei lediglich Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen des Vertrags bezogen werden können. Zur Rückzahlung ist der Unternehmer aus dem geschlossenen Vertrag (nur) verpflichtet, soweit die Summe der Abschlagszahlungen die ihm zustehende Gesamtvergütung übersteigt. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht ein Schaden der GdWE aufgrund pflichtwidrig erbrachter Abschlagszahlungen des Verwalters nur, soweit deren Summe die dem Werkunternehmer zustehende Gesamtvergütung übersteigt.    

Demnach wird zum einen aufzuklären sein, ob die durch den Werkunternehmer erbrachten Leistungen, wie die Klägerin, gestützt auf das Privatgutachten, hinreichend substantiiert behauptet, unbrauchbar sind. Die Beweislast trifft, da es um die tatsächlichen Voraussetzungen des Gesamtvermögensvergleichs geht, die Klägerin. Zum anderen kann der Verwalter nur dann erfolgreich wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Werkunternehmer und der GdWE in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist; auch hierzu fehlt es bislang an Feststellungen. Eine Haftung des Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen scheidet aus, solange eine vertragsgerechte Leistung noch im Wege der (Nach-)Erfüllung durch den Werkunternehmer herbeigeführt werden kann. Es entspricht einhelliger Ansicht, dass eine Inanspruchnahme des Verwalters wegen pflichtwidrig veranlasster Abschlagszahlungen die Nichtdurchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen den beauftragten Werkunternehmer voraussetzt. Diese Auffassung trifft grundsätzlich zu. Allerdings scheidet die Inanspruchnahme des Verwalters nur aus, wenn noch durchsetzbare (Nach-)Erfüllungsansprüche gegen den Werkunternehmer bestehen. Solange besteht nämlich die Möglichkeit, dass der Werkunternehmer im Wege der (Nach-)Erfüllung ein vertragsgemäßes Werk erbringt, wozu ihn der Verwalter in Erfüllung seiner ihm gegenüber der GdWE obliegenden Pflichten auch anhalten muss. In diesem Stadium lässt sich wegen des vorläufigen Charakters der Abschlagszahlungen noch nicht beurteilen, ob - und ggf. in welcher Höhe - die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen einen Schaden verursacht haben. Ist dagegen die (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, haftet der Verwalter für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer. Der Verwalter ist in diesem Fall aber nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der GdWE gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.    

Ist das Vertragsverhältnis zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, bestehen zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer nur noch Zahlungsansprüche. Insoweit sind die Abschlagszahlungen als Rechnungsposten einzustellen, und es lässt sich nunmehr feststellen, ob und in welcher Höhe der GdWE ein Schaden entstanden ist. Infolgedessen gilt im Verhältnis der GdWE zu dem pflichtwidrig Abschläge zahlenden Verwalter der allgemeine Grundsatz, wonach sich ein Geschädigter nicht darauf verweisen lassen muss, dass er (auch) einen Anspruch gegen einen Dritten hat; es steht dem Geschädigten vielmehr grundsätzlich frei, wen er in Anspruch nimmt. Dadurch soll der Geschädigte den mit der Durchsetzung des anderen Anspruchs verbundenen Aufwand und das Insolvenzrisiko des Dritten auf den Schädiger verlagern können. Nimmt die GdWE in diesem Fall den Verwalter in Anspruch, ist der Verwalter wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen aber entsprechend § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der GdWE gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet. Zwar betrifft § 255 BGB unmittelbar (nur) die Schadensersatzpflicht wegen des Verlusts einer Sache oder eines Rechts gegen Abtretung der Ansprüche, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen. Die Vorschrift beruht aber auf der grundsätzlichen Überlegung, dass einer von mehreren Schädigern dem Schaden ferner steht und deshalb im Innenverhältnis in vollem Umfang bei dem anderen Schuldner Regress nehmen können soll; der Gläubiger wiederum soll die Leistung nicht doppelt erhalten. Sie ist deshalb über ihren Wortlaut hinaus auf vergleichbare Fälle entsprechend anzuwenden. Die Inanspruchnahme des Verwalters durch die GdWE wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen an einen Werkunternehmer, dem gegenüber die GdWE (nur noch) Zahlungsansprüche hat, gebietet die entsprechende Anwendung von § 255 BGB. Denn der Verwalter steht dem Schaden ferner als der Werkunternehmer. Eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 421 BGB zwischen dem Verwalter und dem Werkunternehmer besteht mangels Gleichstufigkeit der Verpflichtungen des Verwalters und des Werkunternehmers nicht. Die GdWE wiederum soll die Zahlungen nicht doppelt erlangen können. Einer Erhebung der Zug-um-Zug-Einrede durch den Beklagten bedarf es jedenfalls nicht. Denn die Klägerin trägt dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten bereits durch ihre ausdrücklich so formulierte „hilfsweise“ Antragstellung Rechnung, auch wenn es sich nicht um einen Hilfsantrag im Sinne einer von einer innerprozessualen Bedingung abhängigen eventuellen Klagehäufung, sondern um ein in dem Hauptantrag ohnehin enthaltenes „Minus“ handelt.

3. Kontext der Entscheidung

Der Verwalter muss zur Vorbereitung der Beschlussfassung über Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums die verschiedenen Handlungsoptionen aufzeigen; dabei hat er die Wohnungseigentümer auf mögliche Gewährleistungsansprüche und auf eine drohende Verjährung dieser Ansprüche hinzuweisen. Den mit dem Bauträger identischen, von ihm eingesetzten, mit ihm verbundenen oder von ihm abhängigen Verwalter (sog. Bauträgerverwalter) treffen die gleichen Pflichten hinsichtlich der Vorbereitung einer sachgerechten Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums wie jeden anderen Verwalter; er muss somit auch auf Gewährleistungsansprüche „gegen sich selbst“ und eine drohende Verjährung dieser Ansprüche hinweisen. Hat der Verwalter Anhaltspunkte dafür, dass ein Mangel am Gemeinschaftseigentum entgegen einer Erklärung des Bauträgers nicht beseitigt ist, muss er die Wohnungseigentümer hierüber unterrichten und auf einen sachgerechten Beschluss über das weitere Vorgehen hinwirken (BGH, Urteil vom 19. Juli 2019 – V ZR 75/18).

4. Auswirkungen für die Praxis

Nicht entscheidungserheblich war, ob sich ein Verwalter, der nicht selbst über die erforderlichen Kenntnisse für die Prüfung der Werkleistungen verfügt, überhaupt auf eine allein auf mangelnder Fachkunde beruhende fehlende Erkennbarkeit von Mängeln der Werkleistung berufen kann. Der Senat weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass dies insbesondere dann zu verneinen sein kann, wenn es der Verwalter bei einer mit erheblichem Kostenrisiko verbundenen umfangreichen baulichen Maßnahme unterlassen hat, die Wohnungseigentümer auf seine fehlende Fachkompetenz hinzuweisen und eine Beschlussfassung über eine überwachende Tätigkeit durch Sonderfachleute vorzubereiten (BGH, Urteil vom 26. Januar 2024 – V ZR 162/22 –, Rn. 18, mwN.). Bei Verstößen des Verwalters gegen seine den Wohnungseigentümern gegenüber bestehenden Überwachungs-, Kontroll- und Unterrichtungspflichten hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Pflichtverletzung für den Eintritt des Schadens kausal war. Es ist nämlich nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer hinsichtlich der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums Beschlüsse fassen, die ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn der Verwalter sie zutreffend und ausreichend unterrichtet und eine sachgerechte Beschlussfassung hinreichend vorbereitet. Daran ändert es nichts, dass den Wohnungseigentümern auch bei ausreichender Unterrichtung durch den Verwalter zumeist mehrere Handlungsalternativen zur Verfügung stehen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2019 – V ZR 75/18 –, Rn. 39, mwN.).

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