BGH: Zur Vollstreckung der Bauhandwerkersicherung (§ 650f BGB)
1. Ein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB wird gemäß § 887 ZPO vollstreckt.
2. Auch bei der Vollstreckung eines Titels über einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB kann der Gläubiger, der Hinterlegung als Art der Sicherheitsleistung gewählt hat, vom Schuldner gemäß § 887 Abs. 2 ZPO Vorauszahlung des zu hinterlegenden Betrags an sich selbst und nicht lediglich an die Hinterlegungsstelle verlangen.
BGH, Beschluss vom 20. August 2025 – VII ZB 4/25
A. Problemstellung
Der titulierte Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB wird als vertretbare Handlung gemäß § 887 ZPO vollstreckt. Dabei kommt dem Gläubiger mit Beginn der Zwangsvollstreckung die Wahl der Art der Sicherheitsleistung aus § 232 BGB oder § 650f Abs. 2 BGB zu, wie § 264 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB bestimmt. Wählt er die Hinterlegung, war bisher höchstrichterlich nicht entschieden, ob der Gläubiger vom Schuldner gemäß § 887 Abs. 2 ZPO Vorauszahlung des zu hinterlegenden Betrags an sich selbst oder lediglich an die Hinterlegungsstelle verlangen kann.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Versäumnisurteil, mit dem die Schuldnerin verurteilt worden ist, an sie eine Sicherheit gemäß § 650f BGB in Höhe von 224.325,95 € für Vergütungsansprüche zu leisten. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Landgericht die Gläubigerin nach § 887 Abs. 1 ZPO ermächtigt, die der Schuldnerin auferlegte Handlung durch Hinterlegung des entsprechenden Betrags bei der Hinterlegungsstelle des AG Karlsruhe vornehmen zu lassen; die Schuldnerin habe die Vornahme der Handlung zu dulden. Zugleich hat es die Schuldnerin nach § 887 Abs. 2 ZPO verpflichtet, einen Vorschuss in Höhe des Sicherungsbetrags zum Zwecke der Hinterlegung bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Karlsruhe an die Gläubigerin zu zahlen. Diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin dahingehend abgeändert, dass die Schuldnerin verpflichtet ist, den Sicherungsbetrag zu Gunsten der Gläubigerin an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts zu zahlen. Es sei umstritten, ob der Gläubiger einer Bauhandwerkersicherung im Vollstreckungsverfahren nach Ausübung der Wahl zu Gunsten der Hinterlegung Zahlung an sich selbst oder nur an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts verlangen könne. Das Beschwerdegericht schließe sich der Auffassung an, nach der Zahlung nur an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts - und damit nicht an den Gläubiger - verlangt werden könne. Eine andere Handhabung hätte zur Folge, dass die Gläubigerin im Vollstreckungsverfahren etwas erlangen würde, auf das sie materiell-rechtlich keinen Anspruch habe; nach § 650f BGB könne sie lediglich Stellung einer Sicherheit verlangen. Hierin bestehe der Unterschied etwa zu einer Verurteilung zur Beseitigung von Mängeln. Bei einer Zahlung in das frei verfügbare Vermögen des Gläubigers bestehe neben der Gefahr einer zweckwidrigen Verwendung der Sicherheitsleistung auch das Risiko, dass eine (zunächst) dem Gläubiger zufließende Sicherheit von dessen Gläubigern gepfändet werden könnte, bevor der Gläubiger die Hinterlegung vornehmen könne.
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hat Erfolg. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB als vertretbare Handlung gemäß § 887 ZPO vollstreckt wird, wobei dem Gläubiger mit Beginn der Zwangsvollstreckung die Wahl der Art der Sicherheitsleistung aus § 232 BGB oder § 650f Abs. 2 BGB zukommt (§ 264 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB). Hiernach ist der Gläubiger gemäß § 887 Abs. 1 ZPO auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen. Nach § 887 Abs. 2 ZPO kann der Gläubiger zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden. Nach allgemeiner Auffassung ist diese Vorauszahlung vom Schuldner an den Gläubiger zu leisten (Nachweise Rn. 14). Für die Zwangsvollstreckung wegen einer Sicherheitsleistung, insbesondere die Vollstreckung des Anspruchs gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB, gilt nichts Anderes. Auch bei der Vollstreckung eines Titels über einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB kann der Gläubiger, der Hinterlegung als Art der Sicherheitsleistung gewählt hat, vom Schuldner gemäß § 887 Abs. 2 ZPO Vorauszahlung des zu hinterlegenden Betrags an sich selbst und nicht lediglich an die Hinterlegungsstelle verlangen. Die Vorschrift des § 887 ZPO regelt die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung vertretbarer Handlungen einheitlich, ohne nach dem Inhalt der geschuldeten Handlung zu differenzieren. Eine Verurteilung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB weist keine Besonderheiten auf, die eine einschränkende Anwendung des § 887 ZPO rechtfertigen würden.
Dafür spricht nicht der Umstand, dass der Gläubiger mit der Vorauszahlung etwas erlangt, auf das er materiell-rechtlich keinen Anspruch hat. Ein Gläubiger hat in allen Fällen einer Zwangsvollstreckung gemäß § 887 ZPO materiell-rechtlich (nur) einen Anspruch auf Durchführung der jeweiligen (nach dem Inhalt des Titels vom Schuldner dem Gläubiger) geschuldeten Handlung. Der Zahlungsanspruch ergibt sich nicht aus dem materiellen Recht, sondern nach der Ermächtigung des Gläubigers zur Vornahme der Handlung gemäß § 887 Abs. 1 ZPO aus § 887 Abs. 2 ZPO. Wie auch bei der Vollstreckung zur Erwirkung anderer vertretbarer Handlungen darf der Gläubiger die Vorauszahlung nicht behalten, sondern hat sie zweckgebunden zur Vornahme der geschuldeten Handlung - der Sicherheitsleistung durch Hinterlegung - zu verwenden. Der Vorauszahlungsanspruch dient der Verwirklichung des titulierten Anspruchs, ersetzt ihn aber nicht. Die Gefahr, dass Gläubiger des Gläubigers bei diesem die Vorauszahlung pfänden, noch bevor er sie zur Hinterlegung verwenden kann, ist der Regelung des § 887 Abs. 2 ZPO immanent. Sie besteht - ebenso wie die Möglichkeit der zweckwidrigen Verwendung durch den Gläubiger - bei der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung jeder vertretbaren Handlung. Der Schuldner ist jedenfalls durch den ihm zustehenden Abrechnungs- und Rückzahlungsanspruch geschützt. Zwar ist dieser erforderlichenfalls in einem eigenständigen Klageverfahren geltend zu machen. Der etwaig nötige Aufwand ist aber dem Schuldner, der sich durch Nichterfüllung des titulierten Anspruchs selbst der Zwangsvollstreckung ausgesetzt hat, zuzumuten. Eines weiteren Schutzes davor, dass der Gläubiger sich bereits die Erfüllung des durch eine geschuldete Sicherheit gesicherten Hauptanspruchs verschaffen könnte, bedarf es nicht; ein solcher ist im Gesetz in § 887 ZPO nicht angelegt.
C. Kontext der Entscheidung
Mit dem Beschluss wird zunächst die bisher schon herrschende Auffassung höchstrichterlich bestätigt, dass der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB gemäß § 887 ZPO vollstreckt wird (zur Abgrenzung vertretbarer von nicht vertretbaren Handlungen: Seibel in: Zöller ZPO, 36. Aufl. 2025 § 887 Rn 3 mit Nachweis der umfangreichen Kasuistik). Darüber hinaus steht durch den Beschluss fest, dass der Gläubiger, der Hinterlegung als Art der Sicherheitsleistung gewählt hat, vom Schuldner gemäß § 887 Abs. 2 ZPO Vorauszahlung des zu hinterlegenden Betrags an sich selbst und nicht lediglich an die Hinterlegungsstelle verlangen kann. Dazu lässt der Senat lässt offen, ob durch die Zahlung in das Vermögen des Gläubigers ein Sicherungstreuhandverhältnis entsteht, das der Schuldnerin im Falle der Zwangsvollstreckung eines Dritten in das Vermögen des Gläubigers die Erhebung einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO ermöglichen würde. Er weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass der Schuldner eines Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB solche Gefahren abwenden kann, indem er seiner Verpflichtung zur Sicherheitsleistung in anderer Weise nachkommt, da er sich auch nach Beginn der Zwangsvollstreckung noch von der Verbindlichkeit befreien kann, wie § 264 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB vorsieht (BGH, Beschluss vom 20.08.2025 – VII ZB 4/25 –, Rn. 19, m.w.N.).
D. Auswirkungen für die Praxis
Höchstrichterlich ist dagegen nicht entschieden, ob für die vorläufige Vollstreckung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB eine Sicherheitsleistung zu erbringen ist (dagegen: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Teilurteil vom 6. 09.2023 – 12 U 59/23). Teilweise wird die volle Höhe der vom Auftraggeber zu stellenden Sicherheit (zzgl. Aufschlag für Kosten und weitere Schäden) für maßgeblich gehalten (OLG Karlsruhe, Teilurt. v. 11.10.2016 - 8 U 102/16; OLG Hamm, Teilurt. v. 09.01.2019 - I-12 U 123/18). Diese Auffassung vernachlässigt, dass der Schuldner nicht zur Zahlung des von der Sicherheitsleistung erfassten Betrages verurteilt worden ist, sondern (lediglich) zur Stellung einer Sicherheit. Dies verbietet es, den Streitwert der Klage nach § 650f BGB mit der zu sichernden Forderung gleichzusetzen. Ebenso ist es aus den oben dargestellten Gründen nicht erlaubt, auf eine Sicherheitsleistung gänzlich zu verzichten. Angebracht erscheint statt dieser beiden Extrempositionen die Wahl eines Mittelwegs, den das OLG Hamburg gesucht und gefunden hat (OLG Hamburg, Teilurt. v. 23.10.2015 - 9 U 91/15, dazu: Münch, jurisPR-PrivBauR 11/2016 Anm. 5). Dabei geht es von der Grunderwägung aus, dass, wenn die Befugnis des Gläubigers zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 709 Satz 1 ZPO von der Erbringung einer vorherigen Sicherheitsleistung abhängt, diese dem Interesse des Schuldners dient und ihm vollen Ersatz für diejenigen Nachteile gewähren soll, die er bei einer etwaigen Zwangsvollstreckung erleidet; er soll davor geschützt werden, dass er zwar die Vollstreckung duldet, aber bei einem objektiv unrechtmäßigen Vollstreckungszugriff eventuelle Ersatzansprüche gegen den vollstreckenden Gläubiger nicht realisieren kann, wozu vor allem ein etwaiger Ersatzanspruch des Vollstreckungsschuldners nach § 717 Abs. 2 ZPO gehört (OLG Hamburg, Teilurt. v. 23.10.2015 - 9 U 91/15 Rn. 5). Zu berücksichtigen seien daher die Kosten des Verfahrens auf Herausgabe bzw. Kraftloserklärung der Sicherheitsleistung. Außerdem seien die Avalzinsen für eine Bürgschaft zu berücksichtigen, die mit 2% der Sicherheitssumme über einen Zeitraum von fünf Jahren anzusetzen seien, dem voraussichtlichen Zeitraum für das Herausgabeverfahren nebst Rechtsmittelverfahren. Außerdem sei ein Sicherheitszuschlag von 5% des ausgeurteilten Betrages gerechtfertigt. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass es im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu einer Vorschusszahlung gemäß § 887 Abs. 2 ZPO komme und dass Gläubiger des Vollstreckungsgläubigers auf den Vorschussbetrag zugreifen könnten. Dieses – geringe – Risiko sei mit 5% der zu leistenden Bauhandwerkersicherung zu bewerten (OLG Hamburg, Teilurt. v. 23.10.2015 - 9 U 91/15 Rn. 7-9). Die Berechnungsweise durch das OLG Hamburg, der sich auch das OLG Celle angeschlossen hat (OLG Celle, Beschl. v. 20.06.2017 - 5 W 18/17 Rn. 10), überzeugt grundsätzlich, wenn man auch über einzelne Bewertungen streiten mag. Ihr hat sich auch das Kammergericht angeschlossen. Danach ist die erstinstanzliche Verurteilung eines Werkbestellers zur Sicherheitsleistung nur gegen Sicherheitsleistung gemäß § 709 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Vollstreckungssicherheit gemäß § 709 ZPO ist nicht mit dem Betrag der Sicherheit gemäß § 650f BGB (evtl. mit einem Zuschlag) anzusetzen. Sie ist an den geschätzten Kosten zu orientieren, die dem Besteller durch die ausgeurteilte Sicherheitsleistung im Zeitraum ab Erlass des erstinstanzlichen Urteils bis zum rechtskräftigen Abschluss des Sicherungsprozesses entstehen können (KG, Teilurt. v. 07.05.2024 - 21 U 129/23).
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