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BGH: beA bei Anwalt in eigener Sache
Ein Rechtsanwalt, der in einem Teilungsversteigerungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel (hier: Beschwerde gegen die Verkehrswertfestsetzung) einlegt.
BGH, Beschluss vom 27. März 2025 – V ZB 27/24
A. Problemstellung
Der I. Zivilsenat des BGH hat bereits entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der in einem Zwangsvollstreckungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet ist, wenn er Rechtsmittel einlegt (BGH, Beschluss vom 4. April 2024 – I ZB 64/23). Ob das auch gilt, wenn in Rechtsanwalt in einem Teilungsversteigerungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, hatte der V. Zivilsenat zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beteiligten sind Miteigentümer mehrerer Grundstücke. Auf Antrag der Beteiligten zu 1 hat das Amtsgericht die Zwangsversteigerung der Grundstücke zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft angeordnet; dem Verfahren ist der Beteiligte zu 2 beigetreten. Mit Beschluss vom 4. September 2023 hat das Amtsgericht den Verkehrswert für die Grundstücke festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2, der Rechtsanwalt ist, mit einem per Telefax an das Amtsgericht übermittelten Schreiben sofortige Beschwerde eingelegt und die Abänderung der Wertfestsetzung beantragt. Zu dem Hinweis des Landgerichts, dass dieses die Beschwerde für unzulässig halte, weil sie nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden sei, hat der Beschwerdeführer ausgeführt, er sei im vorliegenden Verfahren lediglich als Privatperson und nicht als Rechtsanwalt aufgetreten und tätig geworden. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Als zugelassener Rechtsanwalt sei der Beschwerdeführer nach § 130d ZPO verpflichtet, Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Vorschrift knüpfe allein an den Status als Rechtsanwalt an und enthalte keine Einschränkung im Hinblick auf eine bestimmte Rolle oder Stellung im Prozess.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der von § 130d Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist. Der sachliche Anwendungsbereich des § 130d Satz 1 ZPO ist eröffnet. Nach dieser Vorschrift sind schriftlich einzureichende Anträge, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Bei der Beschwerdeschrift handelt es sich um einen schriftlichen Antrag im Sinne dieser Vorschrift. Dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerde gegen die Verkehrswertfestsetzung gem. § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle hätte eingelegt werden können, weil das Teilungsversteigerungsverfahren im ersten Rechtszug nicht dem Anwaltszwang unterliegt. Wählt der Rechtsanwalt nicht diesen Weg, sondern entscheidet er sich für die Einreichung einer Beschwerdeschrift, kommt § 130d Satz 1 ZPO zur Anwendung mit der Folge, dass diese Beschwerdeschrift nur elektronisch eingereicht werden kann. Auch der persönliche Anwendungsbereich von § 130d Satz 1 ZPO ist eröffnet. Die Vorschrift des § 130d Satz 1 ZPO erfasst zunächst unmittelbar den Rechtsanwalt, der als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter für eine Partei oder einen sonstigen Beteiligten einen Schriftsatz bei Gericht einreicht. Auf diesen eindeutigen Fall ist die Pflicht der Rechtsanwälte, für die Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) zu nutzen, aber nicht beschränkt. Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gilt für Rechtsanwälte auch dann, wenn sie berufsmäßig im eigenen Namen auftreten, etwa als Berufsbetreuer oder als Verfahrenspfleger. Ebenfalls ist der als Rechtsanwalt zugelassene Insolvenzverwalter zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen verpflichtet, wenn er im Insolvenzverfahren Rechtsmittel einlegt (Nachweise in Rn. 10). Der Umstand allein, dass der Rechtsanwalt in eigener Sache tätig ist, ändert für sich genommen an der Nutzungspflicht nichts. Tritt er im Verfahren als Rechtsanwalt auf, indem er seinen anwaltlichen Briefkopf verwendet und/oder der Unterschrift den Zusatz „Rechtsanwalt" beifügt, dann ist er auch in einem ihn privat und persönlich betreffenden Verfahren zur elektronischen Einreichung verpflichtet (Nachweise in Rn. 11).
Nicht abschließend für alle in Betracht kommenden Konstellationen geklärt ist hingegen die hier maßgebliche Frage, ob ein Rechtsanwalt auch dann zur elektronischen Einreichung verpflichtet ist, wenn er in eigener Sache ausschließlich als Privatperson tätig wird und dies hinreichend deutlich nach außen kenntlich macht. Diese Frage stellt sich allerdings von vornherein nur in Verfahren, die insgesamt oder jedenfalls in Bezug auf bestimmte Verfahrensabschnitte nicht dem Anwaltszwang unterliegen. Denn in einem dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren bzw. Verfahrensabschnitt muss auch der in eigener Sache als Privatperson tätige Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht ohnehin entweder selbst als Rechtsanwalt auftreten oder sich durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen. Insoweit hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen, ob der als Rechtsanwalt zugelassene Betreuer oder Verfahrenspfleger auch dann zur Nutzung des ERV verpflichtet ist, wenn er seine Tätigkeit bewusst als Privatperson in eigener Sache oder ehrenamtlich entfaltet und - nach außen erkennbar - von seiner Stellung als Rechtsanwalt trennt (Nachweise in Rn. 13). Geklärt ist aber, dass ein Rechtsanwalt, der in einem Zwangsvollstreckungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet ist, wenn er Rechtsmittel einlegt (BGH, Beschluss vom 4. April 2024 - I ZB 64/23). Damit hat der Bundesgerichtshof jedenfalls für diese Verfahren den Meinungsstreit in der Literatur, ob § 130d Satz 1 ZPO rollenbezogen oder statusbezogen zu verstehen ist, entschieden.
Der Senat schließt sich dieser Entscheidung für das Teilungsversteigerungsverfahren an. Ein Rechtsanwalt, der in einem Teilungsversteigerungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel einlegt. Der Wortlaut des § 130d Abs. 1 ZPO („durch einen Rechtsanwalt“) schließt ein rollenbezogenes Verständnis zwar nicht aus, spricht aber eher für die Annahme, dass der persönliche Anwendungsbereich bei Rechtsanwälten statusbezogen zu verstehen ist. Denn der Rechtsanwalt wird nicht in seiner Rolle angesprochen („durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten“), sondern in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt. Eine Beschränkung auf den Fall der Vertretung einer Partei durch den Rechtsanwalt ergibt sich aus dem Wortlaut von § 130d Satz 1 ZPO jedenfalls nicht. Systematisch spricht ein Vergleich mit § 130a Abs. 1 ZPO für eine Anwendbarkeit auf den in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt. Während in § 130a Abs. 1 ZPO von Schriftsätzen der Parteien die Rede ist, die als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden können, und damit womöglich ein Vertretungsverhältnis beim Handeln eines Anwalts gegenüber dem Gericht vorausgesetzt wird, stellt § 130d ZPO in seiner amtlichen Überschrift auf eine Nutzungspflicht „für Rechtsanwälte“ und in seinem Satz 1 auf Schriftsätze, die „durch einen Rechtsanwalt“ eingereicht werden, ab. Dieser Vergleich legt die Annahme nahe, dass jedenfalls die Verpflichtung aus § 130d Satz 1 ZPO statusbezogen zu verstehen ist. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, aus systematischen Gründen sei davon auszugehen, dass das beA ausschließlich für den beruflichen Bereich der anwaltlichen Tätigkeit gedacht sei, weil die Vorschriften zur Nutzung des beA in der Bundesrechtsanwaltsordnung (etwa in § 31a BRAO) die Berufsausübung des Rechtsanwalts beträfen und nicht seine private Tätigkeit, überzeugt dies nicht. Schon die Prämisse, dass § 130d Satz 1 ZPO bei einem statusbezogenen Verständnis den Rechtsanwalt zur Nutzung des beA im privaten Bereich verpflichten würde, trifft nicht zu. Die Norm verpflichtet lediglich zur Übermittlung schriftlicher Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument. Hierfür stehen nach § 130a ZPO verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Zwar mag es für den Rechtsanwalt naheliegen, das ihm für seine berufliche Tätigkeit zur Verfügung stehende und aus der beruflichen Praxis geläufige beA auch in privaten Verfahren zu nutzen. Die leichte Verfügbarkeit dieser Übermittlungsform für Rechtsanwälte lässt die Nutzungspflicht unter dem Gesichtspunkt des Aufwandes und des einfachen Zugangs zur Rechtsmittelinstanz auch als nicht besonders schwerwiegenden Eingriff erscheinen. Eine Verpflichtung zur Nutzung des beA trifft ihn aber nicht. So ist es dem Rechtsanwalt, etwa wenn er eine Kenntnisnahme durch Kanzleimitarbeiter verhindern möchte, namentlich unbenommen, für die elektronische Kommunikation mit Gerichten in privat geführten Verfahren ein sog. De-Mail-Konto einzurichten und dieses unter den in § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu nutzen. Überdies steht es dem Rechtsanwalt, der die Nutzung des beA in privaten Angelegenheiten vermeiden will, in den hier allein relevanten, in erster Instanz nicht dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren frei, die Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Im Übrigen lässt sich den auf das beA bezogenen Vorschriften der BRAO nicht entnehmen, dass das beA von dem Rechtsanwalt ausschließlich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit genutzt werden dürfte. Dies lässt sich auch nicht daraus schließen, dass das Gesetz zur privaten Nutzung schweigt, denn ein Verbot bedürfte - wenn es überhaupt zulässig wäre - einer ausdrücklichen Regelung. Im Übrigen zeigt sich etwa an der in § 43 BRAO getroffenen Regelung über die allgemeinen Berufspflichten des Rechtsanwalts, dass sich aus der Stellung als Rechtsanwalt auch Pflichten im privaten Bereich ergeben können. Soweit die Rechtsbeschwerde dem entgegenhält, solche Pflichten seien, soweit vom Gesetzgeber gewollt, ausdrücklich normiert, mag dies für den rein privaten Bereich zutreffen. Bei der Nutzungspflicht aus § 130d Satz 1 ZPO geht es aber von vornherein nur um Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt bei Gericht eingereicht werden, d.h. um eine Tätigkeit, die zwar im Einzelfall aufgrund der Betroffenheit in eigener Sache einen privaten Bezug haben mag, für sich genommen aber eine berufstypische Tätigkeit der Rechtsanwälte darstellt. Daher wäre im Gegenteil systematisch eher zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber als privat gekennzeichnete Schriftsätze von Rechtsanwälten in eigener Sache ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausnimmt, wenn dies gewollt gewesen wäre. Der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich für die Beurteilung der Frage nach einer rollen- oder statusbezogenen Nutzungspflicht des Rechtsanwalts nichts entnehmen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, spricht entscheidend für ein weites, statusbezogenes Verständnis von § 130d Satz 1 ZPO über seinen umfassenden Wortlaut hinaus der Zweck der Norm. Der Zweck der Regelung besteht darin, durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte (und Behörden) zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten den ERV zu etablieren. Die Rechtfertigung eines Nutzungszwangs ergibt sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei einer freiwilligen Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichen Druck- und Scanaufwänden insbesondere bei den Gerichten führte. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn dann nicht die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung sichergestellt sei (BT-Drs. 17/12634 S. 27). Dieser Gesetzeszweck lässt es nur konsequent erscheinen, anwaltliche Verfahrensbeteiligte, die ohnehin ein beA für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben, generell in die Nutzungspflicht einzubeziehen, also auch dann, wenn sie in dem Verfahren nicht im anwaltlichen Erstberuf tätig sind. Dies gilt ebenso, wenn der Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird, und zwar jedenfalls für Rechtsmittel im Teilungsversteigerungsverfahren auch dann, wenn der Rechtsanwalt in dem ihn selbst betreffenden Verfahren nicht als Rechtsanwalt auftritt.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Differenzierung nach Rollen absehbar Rechtsunsicherheiten mit sich brächte, insbesondere wenn der Rechtsanwalt im Laufe des Verfahrens teilweise als solcher und teilweise als Privatperson auftritt. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall. Denn der Beschwerdeführer hatte sich zunächst selbst anwaltlich vertreten, sodann durch einen (anderen) Rechtsanwalt vertreten lassen und schließlich mitgeteilt, nur noch privat in eigener Sache tätig zu sein. Gleichwohl hat er die Beschwerdebegründungen - anders als die Beschwerdeschrift selbst - über sein beA bei Gericht eingereicht, nach eigenen Angaben „um dem Gericht und den anderen Beteiligten die elektronische Bearbeitung zu ermöglichen“ und „obwohl der Bf vorliegend nicht in Ausübung seines Berufes handelt“. Jedenfalls belegen die geschilderten Abläufe beispielhaft, dass ein rollenbezogenes Verständnis von § 130d Satz 1 ZPO zu neuen Rechtsunsicherheiten führen würde, die sich mit einem statusbezogenen Verständnis vermeiden lassen. Die Annahme einer generellen Nutzungspflicht der Rechtsanwälte hat die Vorteile einer einfachen und klaren Regelung für sich. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch keine verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung von § 130d Satz 1 ZPO dahingehend geboten, dass die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen auf ein privates Handeln des Rechtsanwalts (generell) keine Anwendung findet. Die gesetzliche Regelung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grund- und Menschenrechten, wenn sie dahin ausgelegt wird, dass er verpflichtet war, den Beschwerdeschriftsatz in dem ihn betreffenden Teilungsversteigerungsverfahren elektronisch an das Gericht zu übermitteln. Ob die Verpflichtung des Rechtsanwalts, den ERV auch dann zu nutzen, wenn er als Beteiligter in einem ihn privat (also gerade nicht beruflich) betreffenden Teilungsversteigerungsverfahren ein Rechtsmittel einlegt, überhaupt in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit eingreift, kann dahinstehen. Jedenfalls wäre der Eingriff nicht unverhältnismäßig. Die Nutzungspflicht findet ihre gesetzliche Grundlage in § 130d Satz 1 ZPO. Bei dem auch mit § 130d Satz 1 ZPO verfolgten Ziel der Förderung des ERV, der Schaffung einer rechtssicheren und schnellen Kommunikation mit den Gerichten und der Kostenreduktion bezüglich Porto- und Druckkosten handelt es sich um vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls, die grundsätzlich geeignet sind, damit in Zusammenhang stehende Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen. Die Verpflichtung der Rechtsanwälte zur durchgängigen Nutzung des ERV ist zur Erreichung dieses Ziel geeignet und erforderlich und - jedenfalls soweit es um Rechtsmittel in Teilungsversteigerungsverfahren geht - auch angemessen. Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs, dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe wird die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Rechtsanwälte ohnehin verpflichtet sind, ein beA für die elektronische Kommunikation vorzuhalten (§ 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 31a BRAO), sodass die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung in privat geführten gerichtlichen Verfahren und namentlich bei Rechtsmitteln in Teilungsversteigerungsverfahren für sie im Vergleich mit der Einreichung in Papierform oder durch ein Telefax keinen zusätzlichen Aufwand und keine zusätzlichen Kosten verursacht bzw. verursachen muss.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung bestätigt ein weites und damit statusbezogenen Verständnis der Nutzungspflicht nach § 130d Satz 1 ZPO. So besteht für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung auch dann, wenn sie berufsmäßig im eigenen Namen auftreten und zum das Amt berufsmäßig ausübenden Verfahrenspfleger (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22) oder zum Berufsbetreuer bestellt worden sind (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22). Offengelassen hat der BGH bisher, ob dies auch gilt, wenn der Rechtsanwalt in seiner Rolle als Betreuer oder Verfahrenspfleger als Privatperson - in eigener Sache beziehungsweise ehrenamtlich - tätig wird (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22). Die Vorschrift des § 130d Satz 1 ZPO gilt auch für vom Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren eingelegte Rechtsmittel, wenn der Insolvenzverwalter als Rechtsanwalt zugelassen ist (BGH, Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22). Auch Steuerberater, die zugleich eine Zulassung als Rechtsanwalt besitzen und damit ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach unterhalten, sind jedenfalls dann verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln, wenn sie als Prozessbevollmächtigte auftreten und ein bei Gericht eingereichtes Dokument in entsprechender Weise unterzeichnen (BFH, Urteil vom 18. Oktober 2023 – XI R 39/22). Ein Syndikusrechtsanwalt, der für einen Verband erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt, ist ebenfalls zur aktiven Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs verpflichtet, wenn er im arbeitsgerichtlichen Verfahren tätig wird und ein Rechtsmittel einlegt (BAG, Beschluss vom 23. Mai 2023 – 10 AZB 18/22). Rechtsanwälte sind somit gut beraten, wenn sie sich – auch in Zweifelsfällen – der Übermittlungsform des § 130d ZPO bedienen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Ein entgegen § 130d ZPO nicht als elektronisches Dokument übermittelter Schriftsatz ist nicht formgerecht. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung (BGH, Beschl. vom 25. Januar 2023 – IV ZB 7/22). Auf die Einhaltung der elektronischen Form kann der Gegner weder verzichten noch sich rügelos einlassen, wie sich aus § 295 Abs. 2 ZPO ergibt. Nur wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument „aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich“ ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften – also per Post oder Fax - zulässig, wie § 130d Satz 2 ZPO bestimmt. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Zentrale Voraussetzung einer wirksamen Ersatzeinreichung ist dabei, dass der Rechtsanwalt dem Gericht gegenüber glaubhaft macht, dass die Ersatzeinreichung aus technischen Gründen – und gerade nicht wegen in seiner Person liegenden Umständen – erforderlich war. Die Umstände, aus denen sich diese vorrübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung des Schriftsatzes ergibt, sind möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung glaubhaft zu machen. Für die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument nach § 130d Satz 2, 3 ZPO bedarf es zunächst einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die dargelegten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2025 – VI ZB 19/24).
BGH: Glaubhaftmachung bei beA-Ersatzeinreichung
Für die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument nach § 130d Satz 2, 3 ZPO bedarf es zunächst einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die dargelegten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2025 - VI ZB 19/24
A. Problemstellung
Der VI. Zivilsenat hatte sich mit den Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 ZPO zu befassen, insbesondere mit den Anforderungen an die aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, die zur Ersatzeinreichung berechtigen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat am 21. April 2023 (Freitag) um 11.24 Uhr per Telefax eine Berufungsschrift an das Berufungsgericht übersandt. Darin heißt es einleitend: „Vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung“. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten durch Beschluss als unzulässig verworfen, nachdem es darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung nicht fristgemäß erhoben und unzulässig sei. Der am letzten Tag der Berufungsfrist übermittelte Schriftsatz sei entgegen § 130d Satz 1 ZPO nur per Telefax und daher nicht formgerecht als elektronisches Dokument gemäß § 130a ZPO eingereicht worden. Die Voraussetzungen einer wegen vorübergehender technischer Gründe zulässigen Einreichung auf anderem Weg seien nicht unverzüglich glaubhaft gemacht worden (§ 130d Satz 2 und 3 ZPO). Die Ersatzeinreichung per Telefax habe lediglich den Hinweis „vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung“ enthalten. Eine Glaubhaftmachung erfordere eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Das gelte auch bei einer allgemeinen Störung des beA, und zwar unabhängig davon, ob diese Störung gerichtsbekannt sei und ob das Gericht sich von ihr Kenntnis verschaffen könne. Die Glaubhaftmachung sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich um eine allgemeine, mehrtägige Störung des beA gehandelt habe. Auch bei einer gerichtsbekannten Störung des beA bedürfe es der näheren Schilderung und Glaubhaftmachung der hindernden Umstände.
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen. Entgegen seiner Auffassung hat der Beklagte durch sein Telefax vom 21. April 2023 nicht formgerecht Berufung eingelegt. Gemäß § 130d Satz 1 ZPO sind vorbereitende Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Das gilt auch für die Einreichung der Berufungsschrift beim Berufungsgericht (§ 519 Abs. 4 ZPO). Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d Satz 2 ZPO). Nach § 130d Satz 3 Halbs. 1 ZPO ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Fehlt die Glaubhaftmachung nach § 130d Satz 3 Halbs. 1 ZPO, so ist die Ersatzeinreichung unwirksam.
Der Beklagte hat die vorübergehende Unmöglichkeit, die Berufungsschrift als elektronisches Dokument zu übermitteln, im Telefax vom 21. April 2023 bereits nicht ausreichend dargelegt. Nach § 130d Satz 2 ZPO ist eine Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei spielt es nach der Gesetzesbegründung zwar keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Möglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist, weil auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen soll. Durch die Einschränkung „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ wird jedoch klargestellt, dass professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird. Für die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es daher zunächst einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die dargelegten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind.
Die der Ersatzeinreichung vom 21. April 2023 beigefügte Erklärung „Vorab als Fax wegen dauerhafter beA Übertragungsstörung“ ist schon deshalb keine ausreichende Darlegung, weil sie keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände enthält. Denn die Darstellung des Defekts beschränkt sich auf die Bezeichnung „Übertragungsstörung“, die ganz verschiedene Auswirkungen und Ursachen haben kann. Auch die zeitlichen Zusammenhänge erschließen sich allein durch den wertenden und konkretisierungsbedürftigen Begriff „dauerhaft[e]“ nicht. Unerheblich ist, ob die EGVP-Kommunikation in Nordrhein-Westfalen vom 18. April 2023 um 18.00 Uhr bis zum 21. April 2023 um 21.20 Uhr gestört war. Auch dann wäre eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände erforderlich. Denn es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass eine Ersatzeinreichung ausscheidet, weil diese technische Störung nicht kausal für die gescheiterte Übermittlung als elektronisches Dokument gewesen wäre.
C. Kontext der Entscheidung
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bedarf die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (BGH, Beschl. v. 26.01.2023 - V ZB 11/22 Rn. 11 m.w.N.). Stellt der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf fest, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist, und verbleibt bis zum Fristablauf keine Zeit mehr, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen, ist die Glaubhaftmachung unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) nachzuholen. Unverzüglich ist die Glaubhaftmachung nur dann, wenn sie zeitlich unmittelbar erfolgt. Anders als bei § 121 BGB ist keine gesonderte Prüfungs- und Überlegungszeit zu gewähren, sondern der Rechtsanwalt hat die Glaubhaftmachung abzugeben, sobald er zu einer geschlossenen Schilderung in der Lage ist (BGH, Beschl. v. 26.01.2023 - V ZB 11/22 Rn. 11 m.w.N.).
D. Auswirkungen für die Praxis
Zur Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf es der anwaltlichen Versicherung des Scheiterns einer oder mehrerer solcher Übermittlungen nicht, wenn sich aus einer Meldung auf den Internetseiten der Bundesrechtsanwaltskammer, des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs oder aus einer anderen zuverlässigen Quelle ergibt, dass der betreffende Empfangsserver nicht zu erreichen ist, und nicht angegeben ist, bis wann die Störung behoben sein wird (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2024 – IX ZB 41/23). Durch die Übersendung eines aktuellen Ausdrucks der Internetseite bea.expert mit einer entsprechenden Veröffentlichung der Meldung der BRAK wird glaubhaft gemacht, dass das EGVP nicht erreichbar war, dieser Zustand angedauert hat und nicht abzusehen war, wann die Störung behoben sein würde. Eine weitere Glaubhaftmachung ist hier entbehrlich (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2024 – I ZB 51/23). Die Vorlage eines Screenshots ist zur Glaubhaftmachung geeignet, wenn sein Inhalt mit den Angaben in der beA-Störungsdokumentation auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) übereinstimmt und in dem Archiv der auf der Störungsseite des Serviceportals des beA-Anwendersupports veröffentlichten Meldungen für den fraglichen Zeitraum eine Störung des beA-Systems bestand, wodurch die beA-Webanwendung nicht zur Verfügung stand und eine Adressierung von beA-Postfächern bzw. eine Anmeldung am beA nicht möglich war (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2023 – XI ZB 1/23). Der VI. Zivilsenat brauchte diese Frage nicht zu entscheiden, weil es bereits an einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände fehlte, so dass offenbleiben konnte, ob eine ausreichend geschilderte und (gegebenenfalls) gerichtsbekannte Störung gemäß § 291 ZPO offenkundig sein kann und deshalb nicht (weiter) glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO) werden muss (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2025 – VI ZB 19/24 –, Rn. 12).
OLG Celle: Beweiswirkung des eEB
1. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis (eEB) erbringt gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung. Für den Gegenbeweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet werden.
2. Ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen dem dokumentierten Zeitpunkt der elektronischen Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum (hier: sechs Wochen) erbringt den Beweis der Unrichtigkeit der Datumsangabe für sich genommen noch nicht. In einem solchen Fall kann die Partei nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast verpflichtet sein, sich substantiiert zu den Umständen zu erklären, die die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses zweifelhaft erscheinen lassen, und zu dem tatsächlichen Zeitpunkt der subjektiv empfangsbereiten Kenntnisnahme vorzutragen. Außerdem kann das Gericht nach §§ 142, 144 ZPO die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals des Rechtsanwalts der Partei anordnen. Erklärt sich die Partei nicht und legt auch das beA-Nachrichtenjournal ihres Rechtsanwalts nicht vor, kann der Beweis der Unrichtigkeit des in dem Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatums geführt sein.
OLG Celle, Beschluss vom 31. Januar 2025 – 20 U 8/24
(LG Hannover, 25. April 2024, 4 O 134/22, Urteil)
Das Problem:
In einem Berufungsverfahren hat der Senat mit Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 28. Oktober 2024 dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung gegeben. Der Senatsbeschluss ist am 5. November 2024 um 13:08 Uhr elektronisch (u.a.) an den Klägervertreter versendet worden. Die elektronische Eingangsbestätigung aus dem System des Klägervertreters weist als Datum des Eingangs auf seinem Server (Ende des Empfangsvorgangs) den 5. November 2024 um 13:08:24 Uhr aus. Am 16. Dezember 2024 (13:31:08 Uhr) hat der Klägervertreter das elektronische Empfangsbekenntnis an das OLG übersandt und als Zustelldatum den 16. Dezember 2024 angegeben. Mit Beschluss vom selben Tag hat der Senat den Klägervertreter aufgegeben mitzuteilen, ob es sich bei der Datumsangabe um ein Versehen handele und – verneinendenfalls – die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals zu der elektronischen Übersendung des Senatsbeschlusses vom 28. Oktober 2024 bis zum 23. Dezember 2024 angeordnet. Daraufhin hat der Kläger beantragt, ihm eine Frist zur Erwiderung bis zum 23. Januar 2025 einzuräumen. Diesen Antrag hat der Senat zurückgewiesen, aber darauf hingewiesen, nicht vor dem 14. Januar 2025 über die Berufung des Klägers zu entscheiden. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2025 hat der Kläger Stellung genommen.
Die Entscheidung des Gerichts:
Der Schriftsatz des Klägers vom 13. Januar 2025 ist erst nach Ablauf der insoweit nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten Frist eingegangen. Der Hinweisbeschluss vom 28. Oktober 2024 ist dem Klägervertreter schon deutlich vor dem 16. Dezember 2024 gemäß § 173 Abs. 3 ZPO zugestellt worden. Davon ist der Senat überzeugt, nachdem der Kläger seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist und sich – trotz entsprechender Hinweise des Senats – nicht substantiiert zu den Umständen erklärt hat, die die Richtigkeit des vorliegenden Empfangsbekenntnisses zweifelhaft erscheinen lassen. Zudem hat er – trotz gerichtlicher Anordnung – auch nicht das beA-Nachrichtenjournal des Klägervertreters vorgelegt. Die Zustellung eines elektronischen Dokuments an einen Rechtsanwalt nach § 173 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird gem. § 173 Abs. 3 Satz 1 ZPO durch ein eEB nachgewiesen, das an das Gericht zu übermitteln ist. Für die Rücksendung des eEB in Form eines strukturierten Datensatzes per beA ist es erforderlich, dass aufseiten des die Zustellung empfangenden Rechtsanwalts die Nachricht geöffnet sowie mit einer entsprechenden Eingabe ein Empfangsbekenntnis erstellt, das Datum des Erhalts des Dokuments eingegeben und das so generierte Empfangsbekenntnis versendet wird. Die Abgabe des eEB setzt mithin die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das elektronische Dokument an dem einzutragenden Zustellungsdatum als zugestellt entgegenzunehmen. Darin liegt die erforderliche Mitwirkung des Rechtsanwalts, ohne dessen aktives Zutun ein eEB nicht ausgelöst wird. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt insoweit gemäß § 175 Abs. 3 ZPO (= § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO a.F.) gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung. Der Gegenbeweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, ist damit zwar nicht ausgeschlossen; nicht ausreichend ist aber eine bloße Erschütterung der Richtigkeit der Angaben im eEB. Vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet, also jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden. An die Führung des die Beweiswirkungen eines anwaltlichen Empfangsbekenntnisses beseitigenden Gegenbeweises sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine erhebliche zeitliche Diskrepanz bzw. ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum erbringt den Gegenbeweis für sich genommen noch nicht. Auch das Datum des Eingangs der elektronischen Nachricht ist insoweit nicht hinreichend aussagekräftig, da dies nicht mit dem Zustelldatum gleichgesetzt werden kann. Für Letzteres bedarf es darüberhinausgehend der Kenntniserlangung und empfangsbereiten Entgegennahme seitens des Rechtsanwalts. Es kommt also wie bisher nicht auf den Eingang im Postfach des Rechtsanwalts an.
Zugleich ist aber zu berücksichtigen, dass an den Beweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Es gelten die Grundsätze der sekundären Darlegungslast, wenn konkrete Umstände – wie beispielsweise ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der elektronischen Übersendung des Dokuments und dem im eEB angegebenen Zustelldatum – die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses zweifelhaft erscheinen lassen. Das ist bei der Annahme- bzw. Empfangsbereitschaft als Voraussetzung für die Zustellung gegen EB nach §§ 173, 175 ZPO der Fall. Zu der subjektiven Willensentscheidung, das elektronische Dokument an dem einzutragenden Zustellungsdatum als zugestellt entgegenzunehmen, können nur die betreffende Partei und ihr Prozessbevollmächtigter vortragen. Für das Empfangsbekenntnis hat das zur Folge, dass sich der Prozessgegner zu Umständen, die die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses zweifelhaft erscheinen lassen, substantiiert erklären muss. Er kann sich daher nicht damit begnügen, pauschal die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses zu behaupten, sondern muss seinerseits erklären, wann sein Rechtsanwalt die Nachricht zum ersten Mal gelesen hat und wie es zu der Verzögerung kam.
Außerdem kann nach §§ 142, 144 ZPO die gerichtliche Anordnung getroffen werden, das beA-Nachrichtenjournal des Rechtsanwalts vorzulegen, wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses bestehen, wenn auch die Beweislast damit nicht übergeht. Denn in der beA-Infrastruktur wird für jede Nachricht, die gesendet oder empfangen wird, ein Eintrag als sog. Nachrichtenjournal erzeugt. .Die beA-Nachrichten inklusive des zugehörigen Journals werden nach 120 Tagen automatisch gelöscht. Ob Rechtsanwälte darüber hinaus gemäß § 50 BRAO die beA-Nachrichten und damit auch das Nachrichtenjournal vor der Löschung zu exportieren und zu archivieren haben, kann dahinstehen, weil der Zeitraum der automatischen Löschung von 120 Tagen im Zeitpunkt der Anordnung durch den Senat noch nicht verstrichen war. Dabei ist zwar stets zu berücksichtigen, dass auch das beA-Nachrichtenjournal lediglich objektive Umstände nachzuweisen vermag, aber keinen unmittelbaren bzw. zwingenden Rückschluss im Hinblick auf die (subjektive) Willensentscheidung des Empfängers zulässt, das elektronische Dokument als zugestellt entgegenzunehmen. Allerdings muss sich die betroffene Partei gleichwohl substantiiert zu den Umständen erklären, die die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses – etwa wegen der zeitlichen Diskrepanz – zweifelhaft erscheinen lassen, und es kann ggf. auf einen (konkludenten) Annahmewillen geschlossen werden. Diesen Maßstab zugrunde gelegt ist der Senat davon überzeugt, dass die Zustellung des Hinweisbeschlusses nach § 173 Abs. 3 ZPO tatsächlich schon so früh – mithin (deutlich) vor dem 29. November 2024 – erfolgt ist, dass die Stellungnahmefrist im Zeitpunkt des Schriftsatzes vom 23. Dezember 2024 und erst recht bei Eingang des Schriftsatzes vom 13. Januar 2025 bereits abgelaufen war. Der Kläger ist weder seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen noch hat er das beA-Nachrichtenjournal seines Prozessbevollmächtigten vorgelegt. Vielmehr hat er den Hinweisbeschluss des Senats vom 16. Dezember 2024 ignoriert und die benannten Ungereimtheiten in Bezug auf die zeitlichen Abläufe nicht erklärt. Der Gegenbeweis zu dem in dem elektronischen Empfangsbekenntnis von dem Klägervertreter angegebenen Datum ist damit – trotz der an ihn zu stellenden strengen Anforderungen – geführt; es ist ausgeschlossen, dass die Zustellung (erst) am 16. Dezember 2024 erfolgt ist.
Konsequenzen für die Praxis:
Die Bedeutung des beA-Nachrichtenjournals für die sekundäre Beweislast hat erstmals das OLG München herausgearbeitet (OLG München, Beschluss vom 19. Juni 2024 – 23 U 8369/21 –, MDR 2024, 1234). Dem hat sich das Kammergericht angeschlossen (KG Berlin, Beschluss vom 24. Januar 2025 – 7 U 17/24 –, juris): Auch wenn das beA-Nachrichtenjournal nicht mehr jederzeit ohne weiteres abrufbar ist, weil beA-Nachrichten inklusive des zugehörigen Journals nach 120 Tagen automatisch gelöscht werden, sind Rechtsanwälte gemäß § 50 BRAO verpflichtet, die beA-Nachrichten (und damit auch das Nachrichtenjournal) vor der Löschung zu exportieren und zu archivieren. Wird die Vorlage des Journals angeordnet und unterbleibt aber, kann dahinstehen, ob der Parteivertreter das Nachrichtenjournal trotz Besitzes desselben nicht vorgelegt hat oder ob die Nichtvorlage des Nachrichtenjournals auf mangelnder Archivierung beruht, denn beides wäre gleichermaßen nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung zu würdigen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein Rechtsanwalt gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO schon im Falle einer Verhinderung von mehr als einer Woche für seine Vertretung sorgen muss, die gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 BRAO auch zur Abgabe elektronischer Empfangsbekenntnisse befugt sein muss und also – gleich einem Zustellungsbevollmächtigten – für eine zeitnahe Entgegennahme und Bestätigung von Zustellungen Sorge zu tragen hat.
Beraterhinweis:
Lässt sich die Zustellung nicht nachweisen, so gilt ein Dokument nach § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung gerichtet war, tatsächlich zugegangen ist. Zwar kann die für eine Zustellung erforderliche Empfangsbereitschaft nicht allein durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs iSv. § 189 ZPO ersetzt werden. Hinzukommen muss noch die zumindest konkludente Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegen zu nehmen. Die fehlende Zurücksendung des EB lässt dabei für sich genommen keinen entscheidend gegen eine fehlende Empfangsbereitschaft sprechenden Willen des Adressaten erkennen. Denn von einer Weigerung, das zuzustellende Schriftstück in Empfang zu nehmen, kann auch bei fehlender Rücksendung eines unterschriebenen Empfangsbekenntnisses nicht ausgegangen werden, wenn die Gesamtumstände gleichwohl in gegenteilige Richtung weisen und hinreichend zuverlässig auf die Empfangsbereitschaft des Adressaten schließen lassen (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VIII ZB 55/14 –, Rn. 12, AnwBl 2015, 349 mwN.).
Zur Fortführung eines selbständigen Beweisverfahrens
Es besteht die Möglichkeit, ein selbständiges Beweisverfahren fortzuführen oder wieder aufzunehmen, nahezu immer und insbesondere auch dann, wenn ein hierauf gerichteter Antrag erst lange nach Ablauf einer angemessenen Frist gestellt wird.
OLG Hamm, Beschluss vom 7. Oktober 2024 – I-12 W 21/24
A. Problemstellung
Ob Beteiligte am einem selbständigen Beweisverfahren auch nach Ablauf einer vom Gericht gesetzten Frist zu einem eingeholten Sachverständigengutachten Stellung nehmen und ergänzende Fragen an den Sachverständigen stellen dürfen, hatte das OLG Hamm zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In einem selbstständigen Beweisverfahren hat das Landgericht die Ergänzung des Beweisbeschlusses um die im Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 16.07.2024 formulierten Fragen mit der Begründung verweigert, die zur Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen gesetzte Frist sei abgelaufen.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Das Landgericht durfte die Ergänzung des Beweisbeschlusses schon deshalb nicht mit der Begründung verweigern, die zur Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen gesetzte Frist sei abgelaufen, weil es an einer für die Zurückweisung des Antrages der Antragsgegnerin gem. § 296 Abs. 1 ZPO erforderlichen wirksamen Fristsetzung zur Antragstellung nach §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO fehlt. Präklusionsvorschriften haben strengen Ausnahmecharakter, weil sie das Grundrecht auf rechtliches Gehör einschränken und sich zwangsläufig nachteilig auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung auswirken. Sie ziehen damit einschneidende Folgen für die säumige Partei nach sich. Ihre Anwendung steht unter dem besonderen Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Deshalb muss das Gericht den Inhalt seiner Verfügung, mit der es eine Frist iSd. § 296 Abs. 1 ZPO setzt, klar und eindeutig abfassen, so dass bei der betroffenen Partei von Anfang an vernünftigerweise keine Fehlvorstellungen über die gravierenden Folgen der mit der Nichtbeachtung der Frist verbundenen Rechtsfolgen aufkommen können. Diesen Voraussetzungen genügte die Verfügung vom 01.05.2024 nicht. Mit ihr hat der Kammervorsitzende lediglich angeordnet, dass den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum gleichzeitig übersandten Gutachten des Sachverständigen Stellung gegeben wird. Offensichtlich handelte es sich dabei nur um eine Verfügung, mit der nach Eingang des schriftlichen Gutachtens der Dialog zwischen den Parteien über dessen Inhalt eröffnet, zugleich aber auch zeitlich begrenzt werden sollte. Eine darüber hinausgehende Bedeutung ist dieser Verfügung nicht zu entnehmen. Eine Präklusionswirkung kann der Ablauf einer richterlichen Frist zum Vorbringen von Einwendungen gegen das Gutachten und der die Begutachtung betreffenden Anträge nach §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO aber nur dann auslösen, wenn bei den Parteien keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können. Daran fehlte es hier. In der Verfügung vom 01.05.2024 hat das Landgericht den Parteien zugleich mit der Übersendung des Gutachtens des Sachverständigen lediglich Gelegenheit gegeben, hierzu binnen vier Wochen Stellung zu nehmen. Einen Hinweis auf den Ausschluss eines erst nach Ablauf der Frist eingehenden Vorbringens hat es damit nicht verbunden.
Ungeachtet dessen besteht die Möglichkeit, ein selbständiges Beweisverfahren fortzuführen oder wieder aufzunehmen, nahezu immer und insbesondere auch dann, wenn ein hierauf gerichteter Antrag erst lange nach Ablauf einer angemessenen Frist gestellt wird. Zweck des selbständigen Beweisverfahrens ist es insbesondere, durch eine umfassende Klärung der zwischen den Parteien streitigen tatsächlichen Fragen eine zügige Beilegung des Streits ohne Durchführung eines streitigen Verfahrens zu ermöglichen. Dieser Zweck wird nicht erreicht, wenn die Parteien darauf verwiesen werden, es bleibe ihnen unbenommen, ein neues, eigenes selbständiges Beweisverfahren durchzuführen oder im Hauptsacheverfahren auf eine ergänzende Beweiserhebung hinzuwirken.
C. Kontext der Entscheidung
Die tragende Begründung des Beschlusses ist nicht zu beanstanden und steht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung: „Der Senat lässt insoweit dahinstehen, ob die nicht in einer mündlichen Verhandlung gem. § 411 Abs. 4 ZPO bestimmte Frist von sechs Wochen zur Stellungnahme zu dem Gutachten schon deshalb keine Ausschlusswirkung für verspätetes Vorbringen nach § 296 Abs. 1 ZPO herbeiführen konnte, weil die mit einer Frist versehene Aufforderung nicht durch die Kammer beschlossen, sondern allein durch den Vorsitzenden verfügt worden ist. Einen Ausschluss der erst lange nach Fristablauf von der Beklagten vorgetragenen Beweiseinreden und des Antrags auf Ladung des Sachverständigen konnte die Fristsetzung hier jedenfalls deshalb nicht herbeiführen, weil es an dem dafür erforderlichen Hinweis an die Parteien über die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist fehlte. Eine Präklusionswirkung kann der Ablauf einer richterlichen Frist zum Vorbringen der Einwendungen gegen das Gutachten und der die Begutachtung betreffenden Anträge nach § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO nur dann auslösen, wenn bei der Partei keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können. Daran fehlte es hier. In der Verfügung wurden die Parteien zu einer Stellungnahme zu dem Gutachten in einer von dem Richter bestimmten Frist aufgefordert, ohne dass dies mit einem Hinweis auf einen Ausschluss eines erst nach Ablauf der Frist eingehenden Vorbringens verbunden wurde (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – V ZR 241/04 –, Rn. 8, mwN.). Nicht nachvollziehbar ist hingegen das obiter dictum des OLG: „Ungeachtet dessen besteht die Möglichkeit, ein selbständiges Beweisverfahren fortzuführen oder wieder aufzunehmen, nahezu immer und insbesondere auch dann, wenn ein hierauf gerichteter Antrag erst lange nach Ablauf einer angemessenen Frist gestellt wird.“ (OLG Hamm, Beschluss vom 7. Oktober 2024 – I-12 W 21/24 –, Rn. 9). Das OLG will sich dafür auf eine Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH aus dem Jahre 2010 berufen. Dort heißt es aber: „Haben die Parteien rechtzeitig Einwendungen gegen das im selbständigen Beweisverfahren erstattete Gutachten erhoben, ist - sofern nicht eine weitere Beweisaufnahme stattfindet - das selbständige Beweisverfahren jedenfalls dann beendet, wenn der mit der Beweisaufnahme befasste Richter zum Ausdruck bringt, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht stattfindet und dagegen innerhalb angemessener Frist keine Einwände erhoben werden.“ (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – VII ZR 172/09 –, Rn. 14). Deshalb kommt der BGH zu dem Schluss, dass das dortige selbständige Beweisverfahren beendet ist, weil der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nicht innerhalb angemessener Frist gestellt wurde und die Beweisaufnahme daher zu Recht nicht fortgeführt wurde. Unklar ist, was der BGH mit dem Hinweis meint, „dass ein selbständiges Beweisverfahren fortgeführt oder wieder aufgenommen“ werden kann, und zwar „nahezu immer“. Denn dem folgt der BGH gerade nicht, sondern führt aus: „Wollte man für die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens auf die damit verbundene Ungewissheit und deren Beseitigung durch einen gerichtlichen Beschluss abstellen, hätte es der Antragsteller in der Hand, durch verspätet gestellte Anträge das Ende des selbständigen Beweisverfahrens hinauszuzögern.“ (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – VII ZR 172/09 –, Rn. 20). Es bleibt somit – entgegen dem OLG Hamm – dabei, dass ein selbständiges Beweisverfahren grundsätzlich mit der sachlichen Erledigung der beantragten Beweissicherung anderweitig beendet iSv. § 204 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB ist. Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist dies mit dessen Übersendung an die Parteien der Fall, wenn weder das Gericht nach § 492 Abs. 1, § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitteilen. Läuft eine vom Gericht gesetzte Frist zur Stellungnahme ab, ohne dass die Parteien hiervon Gebrauch machen, endet das Verfahren grundsätzlich mit deren Ablauf (BGH, Urteil vom 22. Juni 2023 – VII ZR 881/21 –, Rn. 22, mwN.).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Beantragung einer erneuten Begutachtung ist zu unterscheiden von der – schriftlichen oder mündlichen – Ergänzung oder Erläuterung eines bereits eingeholten Gutachtens durch denselben Sachverständigen. Letztere sind bis zur Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens zulässig (BeckOK ZPO/Kratz, 55. Ed. 1.12.2024, ZPO § 485 Rn. 40). Gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO ist im selbständigen Beweisverfahren kein Rechtsmittel gegeben. Dies ergibt sich aus § 567 Abs. 1 ZPO. Weder ist im Gesetz ausdrücklich bestimmt, dass gegen die im selbständigen Beweisverfahren ergangene Entscheidung, kein weiteres Gutachtens gemäß § 412 ZPO einzuholen, die sofortige Beschwerde statthaft ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), noch handelt es sich in diesen Fällen um eine von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfasste Entscheidung. Die Beweismöglichkeiten im selbständigen Beweisverfahren gehen grundsätzlich nicht weiter als im Hauptsacheverfahren. Im Erkenntnisverfahren ist gegen die Ablehnung der Einholung eines neuen Gutachtens grundsätzlich kein Rechtsmittel gegeben. Nach § 492 ZPO folgt die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren den Regeln des Erkenntnisverfahrens. Würde den Parteien im selbständigen Beweisverfahren ein Beschwerderecht eingeräumt, erhielten sie ein Rechtsmittel an die Hand, welches ihnen bei einer Beweiserhebung in der Hauptsache nicht zur Verfügung stünde. Gründe für eine abweichende Regelung im selbständigen Beweisverfahren sind nicht vorhanden (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 – VI ZB 59/09 –, Rn. 7 - 8).
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